Perspektive


Stoische Novemberruhe über Deutschland. Unfälle im Nebel. Raureif. Ich sehe meinen Hauch und wundere mich immer wieder über diese Perspektive, - über das Leben, das ich lebe; über den Körper, in dem ich wohne, der ich bin, so nah, dass ich ihn nicht sehe. Und wenn ich ihn wahrnehme, wundere ich mich – wie über den Hauch meines Atems. Ich steige auf meinen Drahtesel und rausche zu meiner Bank, um nach einer Überweisung zu fragen. Während der kalte Fahrtwind in den Augen beißt, die Nase läuft, frage ich mich, was ich hier mache; frage ich mich, was ich sehe: Autos, die mir entgegenkommen, die mich überholen, Einkäufer, Spaziergänger, Häuser und Vorgärten … „Eine seltsame Welt“, denke ich und trete in die Pedalen auf dem Weg zu meiner Bank, um nach einer Überweisung zu fragen, „gehöre ich hierher?“ Die Luft tut gut. Ich bin in den Elementen. Ich rieche den November. Der Himmel kalkweiß über mir – wie eine Leinwand.
Als ich in den Schalterraum trete, betäubt mich die Wärme. Ich stehe in der Schlange und grabe mit meinen Augen Tunnels in die Welt. Ich schaue durch Wände und Menschen … und weiter zurück zu mir. Und weiter zurück zu mir.
„Es geht um einen Dauerauftrag, den ich hier vor 11/2 Jahren veranlasste. Zu meinem Zahnarzt.“ Ich stottere ein wenig, als ich plötzlich an der Reihe bin. Das Blut schießt mir in die Ohren. Die Schalterbeamtin lächelt. „Nun schrieb er mir eine Zahlungserinnerung, dass 300 Euro, also genau eine Rate fehlt ...“
Ich komme mir vor wie ein Trottel, - als würde gar nicht ich sprechen. Ich höre mich all diesen Unsinn sagen. Es widert mich an. Aber dann konzentriere ich mich und komme in der Zombie-Perspektive an, - mache, was zu machen ist ... wie ein Automat. Die Welt hat mich Entrückten wieder in ihren Fängen. Aber was für eine Welt?

tom-ate - 26. Nov. 11, 13:05

Warum schreibt denn hier keiner was zu?

Ich finde, das ist ein großartiger Text. Authentisch, nichts beschönigend und unverkrampft in die abschließende Frage mündend, die ja über unser begrenztes Bewusstsein hinausweist, was das für eine Welt ist. Chapeau! So möcht ich auch schreiben können.

bonanzaMARGOT - 26. Nov. 11, 14:14

danke für die lorbeeren, tom-ate.
momentan ist ein gewisser teil der bloggergemeinde nicht besonders gut auf mich zu sprechen. und einigen fällt vielleicht zu einem solchen text auch nichts ein.

ein literarisches Tagebuch

Kontakt



User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

alien-lösung? da ging...
alien-lösung? da ging was an mir vorbei. ist aber eh...
bonanzaMARGOT - 17. Nov, 13:08
richtig. ich dachte nur,...
richtig. ich dachte nur, dass ich es meinen lesern...
bonanzaMARGOT - 17. Nov, 13:05
Wo ist denn das Problem?...
Wo ist denn das Problem? Durch die „Alien-Lösung” von...
C. Araxe - 7. Nov, 22:06
Wenn du ohnehin eine...
Wenn du ohnehin eine neue Blogheimat gefunden hast...kann...
rosenherz - 2. Nov, 13:51
Liebe Leser(innen)
Dieser Blog ruht fortan. Leider ist die Resonanz hier...
bonanzaMARGOT - 02. Nov. 19, 13:39
Zu den Rubriken (3)
28.10.2016 - ... 2019 - Reisen Back from Greifswald Aufgefangen Let zter...
bonanzaMARGOT - 14. Sep. 19, 08:36

Archiv

November 2011
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 4 
 5 
 6 
 7 
13
14
16
17
20
22
23
27
30
 
 
 
 
 

Neues in boMAs prosaGEDICHTE-Blog

Suche

 

Extras



prosaGEDICHTE (... die Nacht ist gut für die Tinte, der Tag druckt die Seiten ...)

↑ Grab this Headline Animator


Von Nachtwachen und dicken Titten

↑ Grab this Headline Animator



Status

Online seit 6062 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09