Das echte Leben


Immer wieder höre bzw. lese ich „das echte Leben“ im Kontrast zu den Umtrieben im Internet auf Blogs oder anderen Plattformen. „Das echte Leben“ meint dabei den Alltag ohne die Darstellung und Kommunikation im Internet. Es wird z.B. gesagt: „Das echte Leben schlug zu und lässt mir keine Zeit mehr für das Bloggen.“ Ich kann diese strikte Trennung zwischen sogenanntem „echtem Leben“ und meiner Beschäftigung im Internet nicht nachvollziehen. Was anderes wäre es, wenn es sich um eine virtuelle Welt wie bei einem Computerspiel handeln würde. Wenn ich den ganzen lieben Tag lang mit „World Of Warcraft“ abhinge, wäre wirklich ein deutlicher Kontrast zum „echten Leben“ nachzuvollziehen. Das Bloggen ist aber für mich kein realitätsfremdes Spiel – sondern ich verarbeite auf meinen Blogs echte Gedanken, echte Erinnerungen, echte Erlebnisse und echte Gefühle; und selbst meine Phantasie ist echt. Dasselbe gilt für die Menschen, mit denen ich über das Internet kommuniziere. Auch wenn sie einen Avatar haben, sind sie nicht fiktiv oder Teil eines Spiels. Sie sind real. Allein die rein schriftsprachliche Kommunikation macht gewisse Einschränkungen.
Das Bloggen ist kein „unechter“ Zeitvertreib für mich. Aber natürlich gibt es Tage, da fehlt mir die Zeit dazu, weil ich andere Prioritäten setze. Ich sage dann nicht: „Das echte Leben schlug zu.“ Das schlägt nämlich immer zu. Und bei mir schlug es in den letzten Monaten sogar ganz gehörig zu. Vielleicht meinen viele Menschen, dass alles, was mit Computer und Internet zusammenhängt, irgendwie nicht echt ist. Keine Ahnung. „Hey Leute, bonanzamargot ist echt! Ehrlich!“ Ich bin nicht Teil einer virtuellen Realität. Ich bin kein Hirn im Goldfischglas …

Ich finde es immer schade, wenn Blogs aufgegeben werden oder über lange Zeit leer stehen. Ebenso finde ich es schade, wenn mir Gesprächspartner oder liebgewonnene Bedienungen/Barkeeper in der Kneipe abhanden kommen. Dann fehlt mir einfach was. So ist das im echten Leben: Leute kommen, Leute gehen. Manche bleiben eines Tages einfach weg. Womöglich hängen sie in einer anderen Kneipe ab, oder sie haben keinen Bock mehr auf Kneipen, oder sie sind krank … oder gestorben.

Auch bonanzamargot wird es nicht ewig geben. Aber noch gefällt es mir hier. Na ja, es könnten etwas mehr Gäste an der Bar sitzen … Nein, ich quatsche keinen voll – so einer bin ich nicht. Auch nicht nach x Bier. Oder? Hallo!!?

lovehunter - 21. Mai. 13, 21:56

Ich denke, für einige ist das Bloggen ein Ersatzleben.
Wenn das ‚echte Leben‘ auseinander bricht, weil sich z.B. der/die Partner/in vertschüsst hat, dann entdecken viele das Blog als Klagemauer, wo man sein Leid und seinen Frust hinrotzen kann, und virtuell getätschelt wird. Das Bloggen ist eine Art Zwischenstadium, eine Zeit des Wartens und Hoffens, dass das ‚echte‘ Lebens bald zurückkehren möge. Bis dahin wird das dunkle Tal des Weltschmerzes jammernd durchschritten und ausführlichst im Blog dokumentiert. Erscheint der/die rettende Prinz/essin, will man diese Phase seines Lebens so schnell wie möglich abstreifen. Schnell noch ein paar Bekenntnisse wie überglücklich man nun sei…und ab die Post - ins ‚echte Leben‘.

Benjamin (Gast) - 22. Mai. 13, 08:37

Sehe ich auch so, Lovehunter. Wer es nötig hat, seine privaten Dinge im Netz zu veröffentlichen, der hat wahrscheinlich keine realen Freunde, bei denen er oder sie sich auskotzen können.
bonanzaMARGOT - 22. Mai. 13, 10:06

hallo lovehunter

wenn sich jemand seinen frust von der seele schreiben will - was ist dagegen zu sagen?
mag sein, dass manche menschen dies auch machen, weil sie einsam sind. ich finde das legitim. in meinem beitrag verglich ich es mit einer kneipe, wo man auch fremde menschen trifft, mit denen man manchmal ins gespräch kommt ...
da ist meiner meinung nach nichts dabei - so lernt man gemeinhin menschen kennen - warum nicht auch im internet bzw. auf blogs?
wem das zu viel persönlicher mief ist, der braucht es ja nicht zu lesen.
dämlich finde ich nur die stänkerer, welche anonymerweise ihre unreflektierte, pöbelhafte kritik ablassen und dann wieder verduften. keine ahnung, was die für ein problem haben.

man kann den leuten nicht vorschreiben, für was sie ihr blog verwenden. für mich jedenfalls existiert da keine trennung zum sogenannten "echten leben".
lovehunter - 22. Mai. 13, 10:36

Du hast mich, glaube ich, falsch verstanden.
Ich habe deinen Gedanken aufgegriffen, dass einige Blogger die Tätigkeit des Schreibens nicht als Teil ihres Lebens empfinden.
Das Schreiben ist/war (im Moment fließt die meiste Zeit ins Gitarrespiel und nicht in die Worte) ein Teil meiner Leidenschaften und genauso echt wie alles andere in meinem Leben. Daher existiert diese Trennung für mich auch nicht.
Und natürlich steht jedem frei, was er verfasst. Ich hatte ja auch ein Blog, in dem einst mein ganzes Liebesleid einen großen Raum eingenommen hat ;)
bonanzaMARGOT - 22. Mai. 13, 10:50

für mich ist das schreiben ganz selbstverständlich teil meines lebens (dafür telefoniere ich nicht so gern). es fällt mir schwer, mich in einen blogger hineinzuversetzen, bei dem es nicht so ist, der das schreiben auf dem blog derart losgelöst vom "echten leben" sieht.
ich schrieb auch schon viele jahre vor internet, foren und blogs. die blogs ermöglichen mir eine öffentlichkeit und zudem eine kommunikationsplattform. (ich kann ja nicht nur in der kneipe rumsitzen. das geht mit der zeit zu sehr ins geld, und außerdem bin ich dabei nicht so kreativ.)
auch gebe ich nicht jeden furz meines privatlebens hier wieder. ab und zu kommuniziere ich sogar außerhalb des internets ... (kaum vorstellbar, nicht wahr?)
ich weiß nicht, ob das bloggen für mich einen reiz hätte, wenn mir das kreative schreiben nicht so wichtig wäre.

gitarrenspiel ist sicher auch eine tolle beschäftigung. ich spiele leider kein musikinstrument. und jetzt noch eins zu lernen, dazu bin ich offen gesagt zu faul.
man muss für seine freizeit prioritäten setzen - alles, was man gern machen würde, kann man nicht unterbringen.
bonanzaMARGOT - 22. Mai. 13, 10:57

... liebesleid und liebesglück gehören zum leben. darüber zu schreiben, es öffentlich zu machen, kann eine erleichternde wirkung haben, auch ohne virtuell getätschelt zu werden.
bonanzaMARGOT - 22. Mai. 13, 11:25

entschuldige, dass ich noch mal nachhake, lovehunter.
du schreibst: für einige ist das bloggen ein ersatzleben. wie meinst du das? wie kann das bloggen ein ersatzleben sein?
bei einem computerspiel kann ich mir das vorstellen, weil man dabei in eine ganz andere, virtuelle realität eintaucht - und das macht dann, glaube ich, auch den suchtcharakter aus; d.h.: leute, die mit dem "echten leben" nicht klarkommen, flüchten in eine scheinwelt bzw. in ein ersatzleben.
beim bloggen geht es doch aber nicht um ein spiel oder eine scheinrealität ...
lovehunter - 22. Mai. 13, 11:49

Vielleicht ist Ersatzleben nicht der richtige Ausdruck…
Ich hab’s nur auf die oben erwähnten Single-Blogs bezogen, die zu einem Ersatz werden für die Zeit, in der man ohne Liebste/n dasteht.
bonanzaMARGOT - 22. Mai. 13, 11:53

das phänomen der single-blogs ist mir noch gar nicht derart aufgefallen. kannst du ein beispiel nennen?
lovehunter - 22. Mai. 13, 11:55

Hier ein Beispiel: http://oops.twoday.net ...mit Happy End ;)
bonanzaMARGOT - 22. Mai. 13, 12:06

ach ja, oops. traurig aber wahr. da deckt sich die minimierte blogpräsenz mit dem auffinden eines neuen partners.
ich will aber oops nicht unterstellen, dass sie ihr blog nur zur anbahnung einer neuen partnerschaft führte. und wenn schon.
ja, kann sein, dass es dieses phänomen der single-blogs gibt.

das thema meines beitrags war aber ganz allgemein die trennung der blogger-realität vom "echten leben". und wenn nun jemand sein blog führt, um auf diesem wege seine liebessehnsüchte auszudrücken, dann ist das doch auch echt, oder?
inspiriert wurde ich zu meinem beitrag von "kinkerlitzchen", die auch eine weile nichts mehr auf ihr blog schrieb und zur begründung meinte, dass bei ihr "das echte leben" zuschlug. daraufhin machte ich mir meine gedanken darüber, wie sie das wohl meinte ..., als ob das bloggen nicht teil ihres "echten lebens" sei ... etc.

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