Für wen schreibe ich


Texte stehen schief im Raum. Ihre Wörter verlaufen, werden unscharf und unleserlich. Es ist nicht klar, für wen sie geschrieben sind.
Irgendwann in der Nacht wachte ich auf, weil mich der Husten plagte. Der Fernseher lief. Ein Doku-Kanal. (Meistens.) Wie Planeten entstehen. Welche Kräfte wann wie wirken. Solche Berichte ziehen mich magisch an. Ich könnte stundenlang zuhören, auch wenn ich nicht alles verstehe.
Der Hustenanfall ebbte ab, und ich kuschelte mich in meine Kissen und hörte einfach nur der Stimme zu, die von Planeten, Sonnen und Naturkräften sprach. Bis ich wieder einschlief.
Im Traum erschien mir mein achtzigjähriger Vater. Er sagte, wie schnell das Leben doch verginge. Ruckzuck, und man sei Fünfzig. Ja, dachte ich im Schlaf, das stimmt allerdings.

Für wen schreibe ich? Das Internet saugt alles auf. Es ist gleich dem Weltall – monströs und unüberschaubar. Meine Texte hängen darin herum wie Staubklumpen.
Es ist ein seltsamer Gedanke, dass mich meine Texte überleben werden. Jedenfalls besser als ein Grabstein. Außer, ich hätte ihn selbst gemeißelt. Das Schreiben ist mein kleines Vermächtnis. Mein Fußabdruck auf der Welt. Eigentlich nicht mehr als ein: „Hallo, ich war auch mal hier.“

Noch ein paarmal husten, und ich bin Achtzig. Vielleicht werde ich dann ganz erstaunt sagen: „Was, das habe ich geschrieben!?“
((Jedenfalls werde ich keinem Sohn im Traum erscheinen.))
Kann sein, dass es irgendwann nichts mehr zu schreiben gibt. Nicht, weil der Geist tot ist. Sondern weil er endlich ankam.

Lange-Weile - 07. Feb. 13, 16:12

Spuren in All

Hallo Bo.,

es ist schon ein paar Jahre her, da las ich ein dickes Buch mit Kurzgeschichten eines Autors. Ich glaube, es war eine Zusammenfassung aller Kurzgeschichten, die er für Zeitungen schrieb. Damals konnte man in der Zeitung ja sogar Romane als Fortsetzung lesen, damit der Anreiz zum Nachkaufen erhalten blieb. Heute regeln die Medien die Kauflust über Arsch und Titten ... ;-)) zumindest, was die Bildzeitung betrifft, also weniger über Lese- sondern über Nacktkultur. . Aber ich will nicht vom Thema abkommen.

Also dieser besagte Autor - schade, ich habe seinen Namen vergessen - kam mir heute sponatn mit deiner Titelzeile wieder in Erinnerung. Seine Persönlichkeitsrecherche ergab, dass er im Grunde nur für seine Schwester schrieb. Nur von ihr wollte er in Wirklichkeit die anerkennenden Worte ernten, die er ja auch schon von der Öffentlichkeit bekam.

Seid dem überlege ich selbst, für wen ich mich im Wirklicht darstelle, mit dem was ich mache. Ist da jemand unbewußt im Hintergrund, dessen Lob ich gerne ernten würde?

Spuren im Leben hinterlassen. Das wollten Jo sein Vater und ich auch gern tun. Wir saßen abends beim Wein in einer heißen Sommernacht. Das Fenster war weit geöffnet, ich wohnte damals noch ganz weit oben und wir konnten über die Stadt sehen. Die vielen Lichter und beleuchteten Fenster...und unsere Kerzen, die ebenfalls mein Fentser erleuchteten hatten etwas romantisches. Damals wollten wir gemeinsam ins Leben starten und Spuren hinterlassen. Achja..war das romantisch.

Aber ob dieser Gedanke..Spuren auf dieser Welt zu hinterlassen, wirklich so romantisch ist, das weiß ich nicht. Aber über eins bin ich mir sicher, es ist schwer, erst einmal ein Abdruck in diese Welt zu platzieren. Ob ich wirklich Spuren hinterlassen habe, wird die Zunkunft zeigen, die wir - du oder ich - nicht mehr erleben werden, es sei denn, man ist als Engel im Himmel gelandet, mit dem Vorrecht, das irdsiche Leben von oben weiter zu beobachten.

Aber das wäre nur aus unserem irdischen Ego heraus,, aus dem just in dem Moment die Eitelkeit spricht ;-)

LG LaWe


bonanzaMARGOT - 07. Feb. 13, 16:23

klar, denn wären wir alle bescheidene buddhisten, dürfte es eigentlich gar keinen buddhismus geben. verstehst?
aber selbst der dalai lama kann sich einer gewissen eitelkeit nicht erwehren. und ich auch nicht. wieso auch?
jede kreatur ist eitel. das ist das dasein an sich.
nur die arroganz ist nervig. und schädlich.

selbst eine motte hinterläßt eine spur in der welt. wie auch immer. es ist ihre mottenspur.
und würde ich nichts schreiben, würde mein geist trotzdem ewig im weltall weiter schwingen ... oder gar singen.
fragt sich nur, ob`s jemand hört.

ich weiß nicht, für wen ich schreibe. sicher nicht für eine konkrete person. in erster linie für mich. weil es aus mir heraus drängt. weil ich ein stern bin, der strahlen will.
strahlen auf seine weise - und wenn es dunkel ist.
bonanzaMARGOT - 07. Feb. 13, 17:39

spur ist nicht gleich spur.
die meisten menschen pflanzen sich naturbedingt fort, und damit haben sie ihr ding erledigt.
Lange-Weile - 08. Feb. 13, 21:52

eine Spur wie ein Leuchtfeuer

Hallo Bo.,

stimmt..was den Nachwuchs betrifft, hat man schon einen großen Teil von sich in die nächste Generation übertragen..ebenso bei den Tieren...diese gehen sowieso ihrer Bestimmung nach. Sie haben dabei nicht mal eine Wahl, welcher...sie sind wie sie sind und alles in ihnen ist auf Ernährung und Fortpflanzung ausgereichtet.

Wenn man den Menschen ganz simpel sieht..also ohne seine Seitentreibe von Selbstverwirklichtung, wie Kunst, Kultur oder anderen Lebensthemen, geht es den Menschen letztentlich auch nur um Ernährung und Fortpflanzung. Ernährung in diesem Sinne nicht nur Essen...sondern auch Geld und Besitz und Fortpflanzung nicht nur um Zeugung..

Die Eitelkeit gehört zum Menschen wie die Lunge zum atmen. Sie ist ein wirklicher Motor und ein starker Antrieb, etwas zu leisten, was man ohne sie vielleicht nicht geschafft hätte. Ich denke, die Natur hat uns mit viele dieser Eigenschaften ausgestattet, den Menschen damit für sein Überleben zur Verfügung gestellt. Selbst Aggression kann etwas positives sein, wenn man versteht, sie zu kanalysieren. Oder Wut...sie kann einen Menschen mit einen Düsenantrieb in Bewegung setzten, wenn er sie nicht in blinde Zerstörung ausufern lässt. Gefahr ist natürlich in Verzug, wenn der Mensch diese Kräft nicht lenken kann und in sie wie ein Kümmerling in einem Porsche sitzend und ohne Bremsen und Lenkung auf´s Gaspedal tritt. Da kommt nix gutes bei raus.

Nachts sehe ich mir ganz gern mal Bob Ross an. Fast jede Nacht wird eine Sendung von ihm im BR alpha ausgestrahlt, eine Widerholung sah ich bisher nie. Obwohl er schon vor fast 20 Jahren verstarbt, seine Spuren, die er zu seinen Lebzeichen hinterlassen hatte, sind heute noch für die Menschen sichtbar und werden es sicher noch bleiben.

Seine ganze Konzentration nur auf eine Sache, die man obendrein noch gern tut,auszurichten, da entsteht mit den Jahren ein umfangreiches Lebenswerk. An Spuren dieser Art dachte ich..also etwas, was aus einem herauskommt, was für andere auch interessant oder sehenswert oder nachahmenswert wie bei B. Roos ist.

Achja..als ich anfing, Tagebuch zu schreiben, weil ich all die Gedanken nur auf diese Weise gradlinig aus dem Kopf bekam, schreib ich über mich anfangs nur in der dritten Person. SIE..das war ich. Komisch...ich sah mich für diese Zeit selbst von außen..so als würde ich wie eine Mutter über das Kind oder Partner über die Person in mir schreiben. Nur so konnte mich mir selber näher kommen. Später wandelte es sich unbemerkt, dann war ICH auch ich ;-)

Ich hoffe, du bist gesundheitlich wieder über den Berg ;-)

LG LaWe

bonanzaMARGOT - 09. Feb. 13, 09:39

hi lawe,
gesundheitlich könnte es besser gehen. die bronchitis plus schnupfen hält sich hartnäckig. obwohl ich mich schone. ich hätte mir ein antibiotikum vom arzt besorgen sollen. aber ich gehe so furchtbar ungern zu den onkel doktors.

bob ross - sehr einschläfernd, äh, ich meine beruhigend, kontemplativ, seine art zu malen - ist nicht gerade mein ding. aber schön, wenn die leute freude dran haben.

fortpflanzung ist sicher sowas wie ein urtrieb aller lebewesen. er wird wohl über den sexualtrieb gesteuert. ich glaube nämlich nicht, dass alle lebewesen so genau wissen, dass dabei babys herauskommen.
der mensch nun als verstandeswesen kann den sex von der fortpflanzung trennen, was ich persönlich ganz gut finde.
denn ich will keine babys! und ich hatte glück, ober bin unfruchtbar. es lief diesbezüglich sehr gut.
wir zählen sieben milliarden seelen auf der erde. in indien werden manche weiblichen babys von ihren familien getötet, weil sie wegen der armut und der sitten eine zu große belastung sind. die menschen verkaufen ihre kinder etc.
ich denke, es reicht. jeder nicht gezeugte mensch ist ein guter mensch.
und dass die deutschen aussterben, ist doch quatsch mit soße.
natürlich ist deutschland quasi heute schon ein einwanderungsland. mich juckt es nicht, wo die menschen herkommen, die hier arbeiten und leben. wichtig allein ist, dass sie sich an die gesetze halten und keinen fanatismus welcher art auch immer verbreiten.

aber wir waren ja bei den spuren, die man hinterläßt. die menschen haben auf der erde bereits sehr viele spuren hinterlassen.
ein paar texte vom durchgeknallten bonanzamargot sind da nur ein furz im wind - und ausserdem schnell vergessen.
( immerhin ist einiges in marbach archiviert.)
bonanzaMARGOT - 09. Feb. 13, 12:33

die dritte person

von sich in der dritten person zu schreiben, schafft raum. man kommt zu mehr objektivität. nicht uninteressant. es ist beinahe gruselig. oder?
man rückt sich von sich weg. man macht ein spagat, um z.b. einen seelischen schmerz besser zu ertragen. um sich überhaupt besser zu ertragen.
wenn man dann dieser dritten person noch verschiedene namen gibt - ist man evtl. bei der multiplen persönlichkeit.
als autor habe ich sowas natürlich im griff. es sind nur kunstgriffe.

schwer zu sagen, wann ich eine erzählung lieber in der ersten oder dritten person schreiben würde.
die erste person bedingt viel mehr konzentrierte innerlichkeit, während wenn ich in der dritten person schreibe, ich perspektivisch die sache mehr von oben betrachte, und dabei andere sachen stärker betone. vielleicht relativiere. vielleicht überlege, wie es beim leser ankommt.

ich spiele gern mit diesen perspektivwechseln.
es ist wie das anlegen eines äußeren dialogs im inneren dialog.
SehnsuchtistmeineFarbe - 08. Feb. 13, 16:20

ich glaube

paul celan war es, der irgendwo schrieb, dass es beim schreiben ein "du" bräuchte. ich denke, dass dieses "du" auch ein "ich" sein kann. erstmal nur für sich schreiben, warum nicht? und doch ist das begegnen mit dem anderen, im anderen, etwas wichtiges und schönes. und so ist es auch mit dem schreiben. mit dem, was man von sich gibt, im eigentlichen und übertragenen sinne, gehört werden, gelesen werden und sich miteinander austauschen.
in einem psychologischen magazin las ich, dass es den menschen darum geht, in kontakt mit anderen zu treten, gehört, angenommen und geliebt zu sein. ich denke, das lässt sich auf mehrere ebenen übertragen, auch aufs schreiben.

lg
s.

bonanzaMARGOT - 08. Feb. 13, 17:32

Stimmt, mir geht es um Beides. Wobei ich Das Für Mich Schreiben präferiere. Jeder Text entsteht in einem inneren Dialog mit mir selbst.
Ich freue mich sehr, wenn ich damit auch andere Seelen anspreche. Einige wenige Texte sind vielleicht sogar danach ausgerichtet.
Eigentlich ergeben meine Motive ein Konglomerat, das ich aber immer ganz nah bei mir fühlen muss.

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