Gut bedient


Eigentlich lästere ich ungern über meine Mitmenschen, aber manchmal sind die Vorlagen einfach zu gut.
Im Kaffeehaus ist die Thekenzeit angebrochen. Nachdem ich monatelang fast ausschließlich im Biergarten saß, treibt mich nun die kühle Witterung hinein in die Gaststube.
Hinter der Theke bediente ein junger Mann, ein neues Gesicht. Er wurde noch eingelernt. Wie immer bestellte ich ein Hefeweizen. Diesmal ein helles.
„Ein normales?“, fragte die neue Servicekraft.
„Ein helles.“
Der junge Mann schaute betröppelt. „Wie?“
Ich zog die Stirn kraus und erklärte ihm: „Es gibt helle und dunkle Hefeweizen. Beide sind hoffentlich normal. Und ich will ein helles großes, kein Babyweizen, bitte.“
Er schaute noch nicht wirklich schlauer und meinte: „Ein normales also.“
Nachdem er kurz mit der Stammbedienung gesprochen hatte, ging er zu den Zapfhähnen. Ich bekam mein helles Hefeweizen. Bei der nächsten Bestellung würde ich sagen: „Noch ein normales, bitte.“
Mein Gott, dachte ich bei mir, das gehört doch zu den elementaren Grundkenntnissen beim Thekendienst, - wenn der in allem so unbewandert ist ...
In der Altenpflege ist es nicht anders: Ich beobachte seit Jahren in zunehmendem Maße, dass die jungen Leute ihren Hirnkasten bei der Arbeit nicht einschalten. Wenn denn da was zum Einschalten vorhanden ist. Okay, pauschal lässt sich so eine Beurteilung sowieso nicht abgeben. Es ist mehr eine Tendenz: eine zunehmende Verblödung durch den vielfältigen Medienkonsum, vermute ich. Damit einhergehen eine sprachliche und soziale Armut. Simple Gesten und Zeichen werden nicht wahrgenommen. Bei manchen Pflegekräften würden die Alten vor ihrem Essen verhungern, weil ihnen das Besteck fehlt, oder weil das Essen nicht mundgerecht ist.
Aber ich will gerecht sein: auch ich stellte mich am Anfang meiner Altenpflegekarriere ziemlich doof an. Wenn man die Dinge nicht richtig erklärt bekommt, ist das für einen jungen Menschen mit wenig Lebenserfahrung gar nicht einfach, plötzlich auf die Alten losgelassen zu werden.
So ähnlich wird es der neuen Servicekraft im Kaffeehaus gehen. Wahrscheinlich sagen die Bedienungen unter sich „normales Hefeweizen“, wenn sie die Bestellungen weitergeben. Jeder weiß, was gemeint ist. Natürlich konnte auch ich mir denken, dass ein „normales“ ein großes helles Hefeweizen sein dürfte. Ich wollte den Neuen nicht striezen. Lustig war`s schon. Irgendwie.
Schließlich bekam ich noch ein dunkles von der Stammbedienung spendiert, weil es angeblich übriggeblieben war. Am Ende war ich also gut bedient.

Lange-Weile - 02. Sep. 12, 21:54

namenlos ?

Hallo Bo.,

na..das war ja ein netter Geste....ein Bier auf Kosten des Hauses.

Die jungen Menschen werden sicher auch falsch eingeschätzt. Sie sind erst mal so...wie sie sind. Haben in erster Linie ihren Spaß im Kopf und die Arbeit steht erst am 2ter Stelle.

Aber so war es bei jeder Generation so. Ich hab mich früher bestimmt auch dumm angestellt...weil ich im Geiste schon bei nächsten Dorffest mit all den JUngs aus den anderen Dörfern war.

Ich denke..heut ist alles oberflächlich geworden - egal in welchem Bereich. Die heutige Schnelllebigkeit hat auch ihrem Preis...man kann sich mit einer Sache nicht mehr länger auseinander setzen.

In der Gastronomie sind auch viele Aushillskräfte, die nur grobe Umrisse von dem, was sie zu tun oder zu lassen haben, vermittelt bekommen.

Gibt es überhaupt noch den klassischen "Bodiecker" ? Also einen Schankwirt...der die Menschen, die bei ihm ein Bier trinken, schon Jahre kennt? Eine Kneiper...der mit seinen Gäste nalt geworden ist? Eine Kneipe...die den Namen des Bodiekers trägt?

LG LaWe

bonanzaMARGOT - 03. Sep. 12, 11:51

bodiecker - das ist wohl vorallem ein im norden verwendeter begriff, den ich bis dato nicht kannte.
aber es gibt ihn schon noch, diesen kneipenwirt, nur nicht unbedingt in diesen neuen kaffeehäusern und bistros, mehr in den typischen kneipen und dorfgaststätten.
solche bodiecker sehen so manche trinkerkarriere vom anfang bis zum ende ... (lach)

ich wollte auch nicht pauschal über die jungen leute von heute lästern. es gibt solche und solche. einige tun sich leichter, andere schwerer. ich habe mich damals als neuling im arbeitsleben und besonders in der altenpflege nicht gerade leicht getan. drum gehe ich mit schülern und praktikanten ziemlich nachsichtig um.
aber diese tendenz, von der ich sprach, glaube ich wirklich zu beobachten. schnelllebigkeit und oberflächlichkeit durch die rasante entwicklung auf der welt wirken einer ernsthaften auseinandersetzung mit einem menschen und/oder einem problem entgegen - die menschen lernen ausserdem nicht selbstständiges denken, und einige verlernen es wieder.
für gute noten muss man nur nachplappern und nachmachen, was einem vorgesagt und vorgeführt wird. in der schule lernen die kinder und jugendlichen jedenfalls nicht, wie man "seinen hirnkasten" einschaltet - da ist es eher besser, man schaltet ihn aus.
lost.in.thought - 03. Sep. 12, 14:05

http://img4.fotos-hochladen.net/uploads/lehrergehirnwfp8te0zh3.jpg

...kein Wunder, dass unsere Kinder es in den Schulen nicht leicht haben...
bonanzaMARGOT - 03. Sep. 12, 14:35

i woiß net, obs nur am lehrerhirrn liegt.
lost.in.thought - 03. Sep. 12, 14:42

nein, tuts natürlich nicht. Seit Jahren beobachte ich, wie das System funktioniert. Schüler, die kurzfristig alles auswendig lernen, kriegen die guten Noten. Solche (wie meine Kinder), die hinterfragen, verstehen wollen und langfristig Dinge abspeichern, werden leider nicht gefördert. Sie sind "lästig". Trotzdem ermutige ich sie, so weiter zu machen. Was sind schon Schulnoten. Eine Momentaufnahme des subjektiven Empfindens eines Lehrkörpers. ..
bonanzaMARGOT - 03. Sep. 12, 14:49

lehrer sind nur mehr oder weniger gute repräsentanten des schulsystems, wobei die schlechteren repräsentanten oft die besseren lehrer für die schüler sind.
in der altenpflege ist es kaum anders. die guten altenpfleger laufen meist nicht konform mit ihrem arbeitgeber - eben weil sie ihre hirnkästen einschalten (oder weil sie sensibel und (noch) nicht abgestumpft sind).

bereits vor dreißig jahren, als ich mein abi machte, war es so. schüler, die wirklich etwas lernen und nicht nur lehrstoff nachpredigen wollten, hatten es schwer. ich gehörte (leider) auch zu dieser riege. irgendwann kapitulierte ich einfach und machte nur noch das notwendigste, um als mittelmäßiger schüler den abschluss zu schaffen.

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