Montag, 3. September 2012

TV-Tipp:

"Silkwood", 21 Uhr, ARTE

Never Sorry


Jedenfalls war ich nicht der einzige Kinobesucher. Das Kino war gerade so gefüllt, wie ich es liebe. Ich konnte ganz außen zum Flur hin Platz nehmen, um schnell und unkompliziert zur Toilette zu kommen. Natürlich hatte ich Bier in der Tasche.
Bevor der Vorhang geöffnet wurde, hielt ein Menschenrechtler eine Ansprache zu dem Film – im hiesigen Dialekt. Ehrlich gesagt, ich hatte das Gefühl, dass keiner der Besucher recht zuhörte. Vorne am Durchgang zum Klo hatten sie einen Informationsstand aufgebaut, wo man nach der Vorstellung bitte eine Petition unterschreiben sollte.
Ich wartete mit dem ersten Bier, bis der Film anfing: ein Porträt des chinesischen Künstlers Ai Weiwei mit dem Titel „Ai Weiwei – Never Sorry“.
Der Film war als Collage angelegt. Viele Ausschnitte aus Ai Weiweis Leben und Schaffen wurden durcheinander gewürfelt. Ich war mit dem Lesen der deutschen Untertitel gut beschäftigt. Das Politische bzw. die Repressionen durch das Regime standen im Vordergrund. Es gab einige Witzigkeiten: Polizisten filmten Ai Weiwei mit seinen Freunden, wenn sie in der Öffentlichkeit unterwegs waren, und Ai Weiwei filmte sie per Smartphone zurück. Der massige Künstler kam schon ziemlich mutig und sympathisch rüber. All zu viel persönliches hörte man allerdings nicht von ihm. Seine Biografie wurde lediglich angeschnitten. Ai Weiwei inmitten seiner Freunde, Ai Weiwei mit seinen Werken, Ai Weiwei mit seinem kleinen Sohn, Ai Weiwei fast immer lächelnd. Zwischendurch trat seine Mutter auf, die sich natürlich Sorgen machte. Immer wieder ging es um die Zäsuren durch das Regime, die polizeiliche Verfolgung – und Ai Weiwei streute seine Weisheiten dazu ein. Einiges, was er sagte, fand ich gut, aber ich bin nun auch nicht von gestern … Schließlich kam es, wie es kommen musste: Er wurde verhaftet. Inzwischen wurde er unter strengen Auflagen wieder freigelassen. Sein Lächeln ist nicht mehr dasselbe.
Fazit: Gut, dass ich ein paar Bier dabei hatte. Der Film sagte mir nicht viel, was ich nicht schon wüsste. Er ging nicht in die Tiefe. Von dem Künstler Ai Weiwei weiß ich jetzt auch nicht viel mehr als davor. Ein wenig vielleicht. Manches wurde bildlich schön verdeutlicht. Er ist sicherlich ein interessanter Künstler und eine interessante Persönlichkeit. Aber mit dem chinesischen Regime kann er es nicht aufnehmen – das wäre Hybris. Er hat sich da wohl verhoben, weil die Behörden ihn einige Jahre gewähren ließen.
Ansonsten: Ich musste schon wieder pinkeln. Aber der Film war eh rum. Ich schwang mich auf mein Fahrrad und fuhr in die Weinberge … „Gut, dass wir nicht in einer Diktatur leben“, dachte ich, während ich in die Nacht schaute. Menschen wie Ai Weiwei muss man unterstützen. Überall auf der Welt.

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