Von Hü nach Hott
Man kann jahrelang auf dem geistigen Planeten herumirren und sich doch nicht auskennen, nicht nur, weil er unheimlich viele verschiedene Landschaften hat, nicht nur, weil man oft in einen Dschungel gerät oder in eine Wetterlage, wo man die Hand vor Augen kaum sieht…, sondern, weil alles zusätzlich dynamisch ist: Orte, die man verließ, sehen anders aus, wenn man zurückkommt, man ist einem steten Wandel ausgesetzt - das Beständige gibt es nicht, man umrundet sich selbst einige Male und merkt es nicht.
Der Weise setzt sich auf einen Berg, weil er dort einen besseren Überblick hat: er sieht Zusammenhänge, erkennt Wege, die sonst verborgen sind, aber die Details und der Kontakt zur Welt gehen durch die erhabene Position verloren…
Man kann eben nicht alles haben. Drum tut sich das Abstrakte schwer mit der gelebten Praxis. Siehe Qualitätsmanagement. Es erfreut sich nicht umsonst nur mäßiger Beliebtheit. Zumal ein Qualitätsmanager nicht den Status eines Gurus, Mönchs oder Priesters hat. Dabei hat Qualitätsmanagement mit Religionen oder Ideologien eine Menge gemeinsam: man will gewissermaßen die Welt verbessern, indem man Verhaltensregeln aufstellt, - die wichtigen Prozesse/Handlungen beschreibt, - Fehler und Risiken vermeidet, - seine Fehler erkennt, beichtet und bespricht. Wie jede Religion ihren Singsang und ihre Schriften hat, so ergab sich auch fürs Qualitätsmanagement ein gewisser Jargon, in welchem die ganzen Regeln und Hinweise verpackt sind - was man sich als „Qualitäts-Bibel“ zulegen kann. Qualitätsmanagement hat in meinen Augen einen hochmoralischen Anspruch. Und wie wir es schon von den Religionen kennen, entpuppt sich dieser Anspruch zumeist als Scheinmoral.
Seltsamerweise wissen (glaube ich) die meisten, dass hier Unvereinbarkeiten aufeinandertreffen. Trotzdem manifestieren sich solche Systeme in der Gesellschaft. Die Menschen spielen mit. Beim Qualitätsmanagement eher missmutig, aber in den Religionen funktioniert die Gehirnwäsche bereits seit Jahrtausenden einigermaßen gut. Also. Es kann nur besser werden fürs Qualitätsmanagement. Ich sehe da eine gewisse Parallele zur Scientology Church mit ihrer Technik des Auditing… Selbstverständlich verfolgt das Qualitätsmanagement mit seinen Audits einen viel seriöseren Ansatz. Ich durfte während meiner Praktikumszeit in der Klinik an einem externen Audit teilnehmen. Es ging um die Zertifizierung verschiedener Fachbereiche…; das Ganze erinnerte mich an ein Schüler-Lehrer-Verhältnis: als Schüler hinterfragt man besser nicht die Sinnhaftigkeit der Veranstaltung, dafür bekommt man versprochen, dass alles gut wird, wenn man nur macht, was von einem erwartet wird.
Jeder spielt seine Rolle (der Auditor, der Oberarzt, Arzt, die Dokumentarin, Stationsschwester, die QMB, der Praktikant…) und glaubt mehr oder weniger dran.
Da ist er, der Dschungel. Ich blicke nicht wirklich durch und überlege, ob ich mir die Mühe mache, auf einen Baum zu kraxeln, um das alles besser zu überschauen. Ich weiß nicht. Wahrscheinlich komme ich sowieso nicht ganz hoch, sondern bleibe irgendwo in der Mitte hängen. Wo man auch ist auf diesem geistigen Planeten, nie ist es ganz befriedigend. Klar, ich rede nur von mir. Es gibt eine Reihe von Menschen, die ihren Platz finden… Beneidenswert.
bonanzaMARGOT
- 11. Aug. 16, 09:32
- Sonstiges zur Diskussion
es ging mir um den platz in dieser gesellschaft, in der berufswelt und die identifikation mit diesem platz und seinem stellenwert.
es gibt nicht wenige menschen, die in diesem sinne ihren platz schnell finden, die zielgerichtet darauf hinarbeiten und sich mit dem, was sie tun, identifizieren. ich dagegen hatte damit schon immer schwierigkeiten...
ich hatte schon in der schule das problem, meinen platz zu finden... in der klassen- und leistungsgemeinschaft. das kam mir nicht nur so vor - es war schlicht so. und heute verhält es sich nicht viel anders.
Prinzipiell fühle ich mich selbst auch sehr einsam (ist nicht das richtige Wort), als im Gegensatz zu einer Gruppe gehörig.
Ich konnte das aber recht gut wegstecken. Meine Fähigkeiten ließen mich auch in den Augen der anderen als etwas schräges "Genie" erscheinen. (Maturazeitschrift-Beschreibung: Genie laut eigener Darstellung, ... ich hatte mich selbst weder so gesehen noch beschrieben :) ) Jetzt mit 65 Jahren ist das alles Vergangenheit. Immerhin habe ich eine große Familie und muss mich nicht mehr allein fühlen. Und Frauen gab es auch in großer Anzahl. Also kann man auch allein eingegliedert sein :)
konventionelles familiengebaren könnte für mich nie dazugehören. ich mache selbstverständlich ständig kompromisse mit den gesellschaftlichen vorgaben... was bleibt mir übrig? zum relgelrechten aussteiger tauge ich auch nicht.
und ein genie (wie du) bin ich lange nicht.
ich mache halt irgendwie weiter, solange meine kraft reicht.
Aber ich richte mich halt an den Genies aus und ich würde sagen, dass dich die Größe von manchen nachempfinden kann, weil ich das verstehe, was sie ausdrücken.
Ich glaube, dass das Zitat Einstein zugeschrieben wird: Genie besteht aus 1% Inspiration und 99% Transpiration. Und schwitzen will ich persönlich nur in der Sauna. ( Nur von meinem 29. bis zum 35. Lebensjahr habe ich gehackelt wie ein Irrer, aber das hat mir damals einfach Spass gemacht. Es ging nicht ums Geld oder ums Ansehen.)
Genius ist viel zu wenig definiert und wird zu oft aus Eitelkeit mißbraucht.
Es ist noch schwieriger als beim Intelligenzbegriff - da das Genie darüber steht.
Unleugbar sind die besonderen geistigen Fähigkeiten mancher Menschen... Leider werden diese zu selten im Positiven für die Welt eingesetzt.