Blick auf den Pool


Mein Zimmer lag im sechsten Stock über dem Hotelpool. Vom Balkon hätte ich ihn mit einem gewagten Sprung getroffen. Ich musste mich gegen diesen Gedanken wehren, wenn ich hinunterschaute.
Ich wachte kurz vor der Morgendämmerung auf. Das Restaurant war eigentlich ein großer Zeltverschlag. Es zog darin wie Hechtsuppe. Obwohl ich nur wenige Minuten nach der Eröffnung des Frühstücksbuffets eintraf, stand ich bereits in einer Schlange. Ich schippte mir immer dasselbe auf den Teller: eine Melonenscheibe, zwei Scheiben Käse, zwei Scheiben Mortadella und zwei Spiegeleier oder wahlweise Rührei. Der Dielenboden gab unter den Schritten nach. Es war ein kleines Erdbeben, wenn jemand am Tisch vorbeiging. Ich erblickte um mich herum nur Familien oder Paare, und davon die meisten im Rentenalter. Kein Einzelreisender weit und breit - von mir abgesehen.
Außer dem Servicemanager, der alle Gäste beim Eintritt begrüßte und deren Zimmernummer erfragte, war da noch ein stolzer, gut gewachsener Spanier mit Dreitagebart, der das schmutzige Geschirr abräumte. Er war charmant und ziemlich flink. Wenn man nicht aufpasste, war der Teller fort, während man noch am letzten Bissen kaute. Er war auch für die Musik zuständig. Mir gefiel sein Geschmack. Mit elegantem Hüftschwung schwebte er durchs Restaurant und summte die Melodie mit. Am Besten gefiel mir, wenn er Jack Johnson auflegte.
Nach einer halben Stunde war ich gesättigt und fuhr mit dem Fahrstuhl zurück auf meine Etage.
Die Sonne schien inzwischen auf den Balkon. Bevor ich meinen Tagesausflug startete, trank ich gemütlich ein Bier und schrieb Emails an meine Liebe im eiskalten Russland. Auf den Liegen am Pool lagen bereits die ersten Hotelgäste. Ich hätte bequem auf sie herunter spucken können. Gut, dass man nicht all seinen Gedanken nachgibt.




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