Unvergessen


Alles trieft vor Feuchtigkeit. Der Tag ist eine Waschküche. Die Sonne quält sich zu ein paar Strahlen durch die Wolken und Dunstschwaden. Das Haus umkleidet ein Gerüst. Meine Fenstersimse sind unverputzt. Neue Fenster wurden eingesetzt. Mein neuer Vermieter macht Butter bei die Fische. Er kaufte das alte Haus, um sich daran abzuarbeiten. Ein junger Mann. Eine sympathische Erscheinung mit angenehmer, intelligenter Stimme. Ich mag ihn. Er ist kein Schwätzer wie der alte Vermieter. Sein Tatendrang ist deutlich sichtbar. Er hat sich mit der „Bruchbude“ einiges vorgenommen.
Noch wohne ich hier. Natürlich hätte ich mir bei meiner Rückkehr angenehmere Wohnbedingungen gewünscht.
Der zweite Tag zuhause. Im Kopfe bin ich bei meiner Liebe und unserer gemeinsamen Zeit. Unsere Zukunft ist auf dem Weg. Wir schmiedeten Pläne. Sie konnte in Berlin erste berufliche Vorbereitungen treffen. Es schält sich immer klarer heraus, wohin die Reise geht.

Ich mag Menschen, die etwas riskieren und die Zukunft tatkräftig angehen. Ich selbst gehöre eher zu denen, die ihr Leben verträumen. Von Zeit zu Zeit muss auch ich den Arsch hoch kriegen. Es sieht ganz danach aus, dass es wieder so weit ist.
Ich bin (fast) 52 und liebe eine 17 Jahre jüngere Frau. Sie fordert mich. Manchmal bin ich überfordert. Das Wichtigste - sie liebt mich auch. Sie sieht in mir keinen in die Jahre gekommenen Mann. So genau weiß ich nicht, was sie in mir sieht.

Früher Nachmittag. Ich sitze am Computer und höre Musik. Die Stunden des Tages liegen leer vor mir. Meine Wohnung riecht nach Mörtel und Dichtungsmasse. Draußen tropft die Natur vor sich hin. Ein altes Lied von Pink Floyd läuft. „Shine On Your Crazy Diamond“. Manche Musik begleitet einen über Jahrzehnte …
Ich bin es. Ich bin es auch noch morgen und übermorgen. Ich bleibe bis zum Tod ICH. Ich hoffe nur, dass meine Erinnerungen nicht sterben werden. Wer bin ich ohne meine Erinnerungen?
Im Altenheim sah ich viele Menschen sterben. Einige vegetierten Monate, sogar jahrelang dement dahin. Ich erlebte, wie sie Wand an Wand dahinsiechten. Ich mache mir keine Illusionen mehr über das Leben und den Tod. Alles ist grausame Realität – nicht mehr und nicht weniger.

In Berlin sah ich an vielen Ecken große Armut und Armseligkeit. Die Großstadt ist ein Magnet für die Hoffnungslosen und Verrückten. Berlin vielleicht im Besonderen. Ich werde es nie lernen wegzuschauen. Jede arme Kreatur versetzt mir einen Stich ins Herz. Ein Wunder, dass ich es überhaupt so lange im Altenheim aushielt.
Trotzdem liebe ich Städte wie Berlin, weil sich dort an vielen Plätzen das Leben ungeschminkt abspielt. Nichts verabscheue ich mehr als Heuchelei und sogenannte „Leitfäden (z.b. von Altenheimen)“, wie sie u.a. im Foyer meiner letzten Arbeitsstätte aushängen. Da kriegt man als feinfühliger Mensch schon vom Lesen einen Burnout.

Ich schaue nicht gern in den Spiegel. Ich sehe zu viel, was mir nicht gefällt. Vielleicht hat die Welt nur eine Seele und wir sind nichts anderes als winzige, infinitesimal kleine und willkürliche Mosaike. Sowieso nur eine begrenzte Zeit lang. Nichts hat einzeln eine Bedeutung – nur das Gesamte.
Was wir uns einbilden als Menschen, ist eine andere Sache.

Ich glaube nicht an Gott, weil es nichts zu glauben gibt.

Schön, dass du mich liebst!

Lange-Weile - 22. Nov. 14, 11:14

kleines Licht

Hallo Bo.,

dafür glaubst du an die Liebe und die hat auch was göttliches, etwas, was man auch als rationaler Mensch nicht erklären kann.
Im Yoga wird auch immer wieder vom göttliches gesprochen...doch damit ist nicht der Gott gemeint, wie wir ihn üblicher Weise verstehen, sondern das göttliche in jedem einzelnen.
Wir Menschen haben Schranken und Mauern um uns, um uns zu schützen. Dafür muss es einen Grund geben, ein triftigen Grund. Etwas zartes zerbrechliches soll geschützt werden. Nur wenn wir lieben, reißen wir die Mauern ein, öffnen die Schranken und fühlen uns auch unverletztbar der Welt gegenüber.
Das funktioniert jedoch nur, wenn der Mensch an die Liebe glaubt. Dabei ist nicht nur die Liebe zu einem anderen Menschen gemeint, sondern auch die Liebe zu sich selbst.

Die Liebe zu Gott, wie in der Religion, ist in meinen Augen doch noch etwas anderes. Auf die Gefahr hin, dass alle Gläubigen mich jetzt ausbuhen würden, hat dieser Glaube eher was mit einem Personenkult zu tun. Gott wird personifiziert und angebetet. Er soll den Menschen demütig machen, was ja auch nichts schlechtes ist. Aber ich kann auch der Natur gegenüber Demut zeigen.

Aber viele Menschen benötigen den Glauben an einen personifizierten Gott, der über ihnen steht, ihnen die Lebensregeln auferlegt, denen sie dann auch folgen wollen. Mir wäre das zu eng, weil diese Art Glaube meine persönliche Entfaltung einschränken würde.

" infinitesimal" hab ich erst mal gegoogelt und festgestellt, dass ich bei einer Entspannung in der Yogagruppe ähnlich vorgehe.

Erst mal sollen sie vor ihren inneren Auge sich ihr eigenes Licht verstellen(ausgehend vom Solarplexus), dann sich im Geiste erheben und die Lichter der Gruppe vor dem geistigen Auge sehen, anschließend alle Lichter der Stadt,dann alle Lichter des Landes, dann alle Lichter der Erde und dann alle Lichter des Universum und ein Licht davon ist ihres. Dabei verkleinert sich ihr eigenes Licht mit jedem Abstand. Man kommt zur Erkenntnis, dass mir im großen und ganzen nur ein kleines Licht unter vielen sind, und trotzdem sollten wir unsere eigenes Licht nicht aus den Augen verlieren.

Der Gläubige sieht gern Gott im grellen Licht und stellt sein eigenes Licht unter den Scheffel.

Ich wünsche dir ein schönes Wochenende

LG La We

PS: Achja..Twoday gehört jetzt zu Wordpress, wer hätte das gedacht. Ich hoffe, das nur die Umstellung den tagelangen Ausfall hier erzeugt hat.


bonanzaMARGOT - 22. Nov. 14, 12:53

wo hast du denn gelesen, dass twoday nun zu wordpress gehört? das wäre sich nicht das schlechteste, um hier die bloggerei fortzuführen ...

nicht nur die liebe, lawe, alles auf der welt erscheint mir unerklärlich, - dass es überhaupt etwas gibt, das dasein, das leben, wie alles funktioniert ... und wieso? ...
ich bin nur im begrenzten rahmen meines alltags ein rationalist. denn diese welt funktioniert nach gesetzen, die entweder die natur vorgibt, oder welche wir uns konstruierten.
nur weil ich das leben / bzw. die welt nicht verstehe, glaube ich nicht gleich an einen gott. ich gehe erstmal davon aus, dass ich zu dumm bin.
was eine großzahl von menschen dazu bringt, an einen gott zu glauben, der von einer religion vorgegeben wird, kann ich ebenso nicht verstehen. ich kann mir nur einige gründe denken: traditionsbewusstsein, indoktrination, gehirnwäsche, geisteskrankheit, anpassung und opportunismus ...
Lange-Weile - 22. Nov. 14, 14:59

nur auf die Schnelle

Antwort auf den ersten Teil deiner Antwort

bin über Steppenhund darauf gestoßen

und fand diesen Link in seinem Blogeintrag
bonanzaMARGOT - 22. Nov. 14, 18:43

das ist mir zu technisch. davon kapiere ich nicht viel.
wohl eher eine wunschvorstellung.
bonanzaMARGOT - 23. Nov. 14, 09:32

du schreibst vom göttlichen in uns, lawe.
wie ist das zu verstehen? was soll man sich unter dem göttlichen vorstellen? eine weltseele? oder eine seele, wie sie nur menschen oder geistig weiterentwickelte wesen haben?
ich bin mir darüber absolut im unklaren, je mehr ich darüber nachdenke ... ob es überhaupt etwas wie eine seele gibt - damit meinen wir ja eine geheimnisvolles fluidum, welches uns leben, geist und bewusstheit einhaucht welches uns u.a. identität verleiht. wir sprechen von der seele eines dings und meinen damit seine charakteristik und einzigartigkeit.
es gibt so viele auslegungen von seele wie es auslegungen von gott gibt.
brauchen wir sie überhaupt als vorstellung? verwirrt sie uns nicht mehr, als dass sie uns hilft? sollten wir uns nicht vordererst pragmatisch auf das besinnen, was uns als menschen ausmacht, und was wir als menschen erreichen wollen? menschlichkeit, frieden, gewaltlosigkeit, gerechtigkeit - all das lässt sich meines erachtens auch ohne begrifflichkeiten wie seele und gott erzielen. sogar besser und konstruktiver.
SpeziellesKänguru (Gast) - 22. Nov. 14, 21:39

Ich finde es auch total schön,
dass ich dich liebe!

bonanzaMARGOT - 23. Nov. 14, 07:28

ich kann`s manchmal gar nicht glauben.

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