"Donnie Brasco", 20 Uhr 15, Tele 5
bonanzaMARGOT
- 13. Sep. 16, 13:54
Wieder den Kaffee beim Einkauf vergessen! Wenn ich mir überlege, welche Mengen Kaffee ich früher trank…, vor allem in meiner Altenpflegezeit, als ich (noch) im Tagdienst arbeitete. Zwei Liter kamen bestimmt manchen Tag zusammen. Inzwischen entwickele ich gar nicht mehr einen solchen Kaffeedurst. Aber nach dem Aufstehen eine Tasse trinke ich immer noch gern.
Gewohnheiten ändern sich, ohne dass man es ständig reflektiert. Man wacht auf und muss erkennen, dass man ein anderer als vor zehn oder zwanzig Jahren ist. (Nicht nur wegen dem Kaffee, den man weniger trinkt.)
Das Gedächtnis kann zum Martyrium werden: Alles, was man hinter sich glaubt, taucht in Abständen wieder auf – und das wird im Laufe der Jahre immer mehr. An vieles erinnere ich mich gern, an einiges denke ich mit Wehmut, wirklich scheußliche Sachen blieben (Gott sei Dank) die Ausnahme. Sehr schmerzliche Erinnerungen verdrängt man zudem (verständlicherweise). Martyrium also nicht wegen der negativen Erfahrungen, sondern weil die Menge so ungeheuer groß wurde, dass ich sie gar nicht mehr fassen, begreifen oder ordnen kann. Angestrengt versuche ich einen Weg durch mein eigenes Leben zu finden, und kann nicht glauben, was ich alles entdecke… Die Vergangenheit stirbt niemals. Sie ist die Schatztruhe, in der wir herumwühlen und uns verlieren können. Wie muss es einem Hundertjährigen damit gehen, wenn ich mit meinen 53 Lenzen bereits ins Schleudern komme?! Wie soll man den ganzen Scheiß, den man im Verlaufe eines langen Lebens erlebt, emotional verarbeiten?
Es gibt Menschen, deren Leben wesentlich bewegter als das meine ist. Ich meine, dass ihre Erlebnisdichte viel größer ist. Sie haben mehr soziale Kontakte, und die Ereignisse in ihrem Leben scheinen sich zu überstürzen. Vielleicht leben diese Menschen hauptsächlich in der Gegenwart. Wo aber geht bei ihnen die ganze Vergangenheit hin? Verschwindet sie einfach im Orkus des Vergessens? Verarbeiten sie das alles, indem sie den ganzen Tag über am Handy quatschen??
Viele Menschen haben gar keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Aber ich bin sicher, dass sie diesen Zustand nicht sehr lange durchhalten – zum Wohle der Psychotherapeuten.
Gestern dachte ich an meinen alten Freund A. – was er wohl jetzt macht, und wie es ihm geht.
Ich erzählte O. (wiederholt) die Geschichte unserer Freundschaft. O. und ich unternahmen eine kleine Fahrradtour durch Kreuzberg. Erstmals hatte ich sie seit unserem Kennenlernen aufs Fahrrad gebracht. In einem Biergarten im Viktoriapark pausierten wir, und ich kam auf A. zu sprechen. Es saß sich dort bequem. Alles sehr entspannt. Eine Gruppe junger Italiener palaverte am Nebentisch. Ihr schwarzer Hund streunte zwischen Tischen und Stühlen umher und scharrte nach Ameisen, die er aufleckte…
O. war eine gute Zuhörerin. Ich verlor mich in der Vergangenheit mit A., die vor meinem geistigen Auge wiederauferstand. Wir waren recht unterschiedliche Freunde. Ich vermisse ihn. Ich erzählte O. über unsere Eskapaden bis hin zum Zerwürfnis. Wahrscheinlich musste es so kommen.
Nachdem wir am Nationaldenkmal kurz die Aussicht über Berlin genossen, radelten wir hinunter zum Bergmannkiez. In der Markthalle kauften wir fürs Abendessen ein. Ich spürte, wie langsam die Müdigkeit in meine Knochen kroch. Noch ein Bierstopp beim Yorkschlösschen, und wir machten uns durch den Park am Gleisdreieck auf den Heimweg.
Vergangenheit und Gegenwart durchmischen sich. Wehmut und Trauer sind Gegenwart. Richtig leben kann ich nur, wenn ich meine Vergangenheit mitnehme – auch wenn sie noch so schwer ist.
bonanzaMARGOT
- 13. Sep. 16, 11:01
-
Berlin
Wenn ich das erste Mal in der Nacht aufwache und auf den Wecker schaue, ist es gegen Eins. Ich drehe mich auf die andere Körperseite und denke: Damals bin ich um diese Zeit erst ins Bett gegangen. Heute ist es selten später als Zehn. Selbst am Wochenende.
Während meine Schuhgröße gleich blieb, änderte sich allerdings meine Hosengröße von W 32 auf W 36.
Meine Haare sind inzwischen unübersehbar grau.
Früher wurde ich meist ein paar Jahre jünger geschätzt, als ich war; heute schätzt man mich so alt, wie ich bin.
Ich hatte eine Stammkneipe, immer einen Anlaufpunkt, (fast) immer einen Gesprächspartner. Wir trafen uns zum Kartenspiel oder Billard. Wir fuhren zusammen zum Baggersee, feierten, lachten und betranken uns. Nichts davon dauerte an. Heute trinke ich allein zuhause und schreibe langweilige Blogbeiträge und Kommentare…
Nein, früher war nicht alles besser. Aber einiges vermisse ich. Vor allem wünschte ich mir ein Stück Jugend und Unbedarftheit zurück… und ein paar Kneipen von der Art, wie es sie in den Achtzigern gab (inklusive der Jungs und Mädels von damals).
Dann die Musik: Ist es nicht furchtbar, dass die Scheiben, mit denen ich aufwuchs, und die ich noch jetzt gern höre, inzwischen als antiquiert gelten?!
Damals wurde ich mit „Junger Mann“ angesprochen, weil ich ein junger Mann war. Auch heute sagen einige noch „Junger Mann“, was ich mit einem Stirnrunzeln quittiere. Wollen die mich veräppeln? Na ja, Überneunzigjährige im Altenheim dürfen das. Aus deren Perspektive mag es vielleicht zutreffen.
Und: Meine Ohrläppchen werden immer länger! Auch ein Zeichen, dass ich wirklich alt werde. Es wäre auch zu schön, wenn alle Anzeichen nur Einbildung wären. Immerhin wachsen mir noch keine Haare aus den Ohren. Aber das ist, glaube ich, mehr Veranlagung als ein Zeichen des Alters. Dasselbe gilt für den Haarausfall – darum kann ich auch nicht stolz drauf sein, (noch) keine Glatze zu haben. Ich begegne in Berlin täglich vielen Glatzköpfen, die mir wesentlich fitter erscheinen als ich.
Auch die Liebe veränderte sich. Früher war ich ungestümer…
Kein Weg führt dran vorbei: Ich werde alt. Viele Dinge änderten sich und werden sich weiter ändern. Besonders gespannt bin ich nicht drauf, da ich im Großen und Ganzen weiß, wie es endet. Am besten beißt man seine Dritten zusammen und übt sich in Demut. Alle, die nicht vorher sterben, müssen da durch. Aber ehrlich gesagt: Ich finde Altwerden zum Kotzen!
"No Country for Old Men", 22 Uhr 5, Servus TV
bonanzaMARGOT
- 10. Sep. 16, 10:38
Blut gespuckt beim Zahnarzt. Da kann ich nur sagen: Handelt euch keine Parodontitis ein. Alle drei Monate diese höllische einstündige Prozedur. Ich fragte die Frau mit dem Mundschutz, wie lange sie das schon mache. Sie überlegte kurz: „13 Jahre. Also ganz schön lange.“ „Und wie viele solche Behandlungen haben Sie täglich?“ „6-8 am Tag. Aber nicht täglich. Es geht ganz schön auf den Rücken.“ Sie sei darum regelmäßig in osteopathischer Behandlung. Die Frau mit dem Mundschutz ist wirklich sehr gründlich. Das kann ich sagen. Besser man hasst die Leute nicht, die einen auf dem Zahnarztstuhl quälen (müssen). Während sie an meinen Zähnen kratzte, überlegte ich mir, in wie viele Mäuler diese Frau wohl schauen muss – und was dabei in ihr vorgeht. Zum Beispiel bei mir. Jetzt habe ich schon die Elektrische, aber anscheinend putze ich doch nicht gründlich genug. Vor allem die Zahnseide benutze ich zu selten. Dann kamen mir noch diese kleinen Putzer-Fische in den Sinn... (- und sowieso jede Menge Blödsinn).
Als ich endlich fertig war, bedankte ich mich bei ihr artig. „Alles Gute für Ihren Rücken!“
Es würde eine Weile brauchen, bis das Wund-Sein-Gefühl in meinem Mund nachließ. Was es nicht alles für Tätigkeiten gibt! Ich schwang mich aufs Fahrrad und fuhr zum nahen Winterfeldtplatz. Bei einem türkischen Kiosk kann man dort schön in der Sonne sitzen.
bonanzaMARGOT
- 09. Sep. 16, 10:31
-
Berlin
Mir hängen die Gedankengespenster der Nacht nach. Manche Nacht ist elend lang wie ein Höllentrip: Lange Wachphasen, unmögliche Gedanken, unruhiger Schlaf, wirre Träume. Am Morgen drücken die Augen und schmerzen die Glieder. Während vor der Tür schon der normale wochentägliche Stadtverkehr brummt, muss ich noch meinen Kopf sortieren und zu mir kommen. Mir fällt ein, dass der Kaffee leer ist. Mist! Immerhin sieht es erneut nach einem schönen Spätsommertag aus. Altweibersommer. Auf was man alles kommt. Warum nicht „Alteschuhesommer“?
Ich schalte den Computer an und überfliege die eingegangenen Mails. Sehr gut, die Sache mit dem Schlafplatz nächste Woche in Rostock klappt! Die Wetter-App sagt, dass das Wetter sommerlich bleibt. Ansonsten nichts Besonderes. Ich schaue kurz auf die Schlagzeilen der Nachrichten aus aller Welt. Auf meinen Blogs wieder nichts Neues. Das heißt: einen Kommentar erhielt ich auf eines meiner neuen Gedichte. Ich lese ihn und antworte. Fertig. Wie sehen denn die Besucherzahlen aus? Gestern 38. Mein Hauptblog erlebte schon bessere Zeiten. Viele Blogger wanderten ab zu anderen Blogbetreibern. Das ist in etwa so, als ob man in eine andere Stadt zieht. Man verliert sich aus den Augen, auch wenn man sich regelmäßige Besuche zusicherte. Andere sind wahrscheinlich einfach blog-müde.
Um meine Glieder zu strecken, wandere ich ziellos durch die Zweieinhalbzimmerwohnung. Ich streiche eine Falte aus dem frisch gemachten Bett, in der Küche sortiere ich abgewaschenes Geschirr ins Regal, ich überprüfe das Bad, ein kurzer Blick in den Spiegel, - kehre zurück ins Wohnzimmer und bleibe vorm Bücherregal stehen – darauf steht sozusagen das Konzentrat von über dreißig Jahren Lektüre. Beim Umzug nach Berlin sortierte ich nochmals aus. Übrig blieben wirklich nur meine Lieblings-Lieblingsbücher. Sehr schön, sie alle beieinander zu sehen.
Ein Knopfdruck am Soundsystem, und ich werde von Blues-Musik aus dem Internetradio beschallt. Die Polen haben einen ausgezeichneten Blues-Sender. Zeit, mich langsam für den fucking Tag frisch zu machen.
bonanzaMARGOT
- 08. Sep. 16, 09:50
-
Arbeitslos
Ein zusammengewürfelter Haufen von Abenteurern auf der Suche nach einem Goldschatz. Durchquert eine Wüste und findet nichts als Leere und Sand. Man denkt ans Aufgeben. Der Anführer treibt seine mürrischen Gesellen an. Sie erreichen die Küste, wo sie auf einen vergessenen Indianerstamm treffen. Sollte dort der Schatz liegen? Legenden erzählen davon. Die Indianer empfangen die Schatzsucher freundlich. Dem Häuptling entgeht nicht das gierige Funkeln in ihren Augen. Er führt sie zu einer großen, hölzernen Truhe in seiner Behausung. Die Männer sind erschöpft von dem langen Marsch durch die Wüste, doch der Anblick der Truhe lässt sie aufleben. Die ganzen Strapazen haben sich letztendlich gelohnt! Der Häuptling bedeutet dem Anführer der wilden Meute, die Truhe zu öffnen.
Alle stehen gespannt rundherum und verrenken sich die Hälse. Palmwedel, auf denen schmuckvoll Früchte liegen, kommen zum Vorschein. Ach, wie schön sie es hergerichtet haben, denkt der Anführer und schiebt vorsichtig das Arrangement beiseite. Darunter kommen aber kein Schatz und kein Gold zum Vorschein…, sondern köstliche Speisen. Was soll das?! Hastig schiebt er auch diese beiseite. Doch nichts als eine andere Schicht von Palmwedeln und Speisen liegt darunter. Die Männer verlieren die Fassung: einige sinken zu Boden und brechen in Tränen aus, andere stoßen Flüche aus und wollen dem Häuptling an den Kragen. Allein ihr Anführer hält sie zurück. Er begreift.
Nachdem sich die Seelen beruhigten, werden die Speisen verteilt. Der wilde Haufen schmaust zusammen mit den Indianern. Man lacht sich gegenseitig an. Die Ausgehungerten verschlingen erst das Essen und danach die schönen, halbnackten Mädchen mit ihren Blicken. Zu mehr kommt es nicht. Bald schnarchen die Männer beseelt. Das Meer rauscht dazu beruhigend. Der Sternenhimmel leuchtet wie ein Schatz über der Szenerie. Der Häuptling teilte seinen Reichtum mit diesen fremden Männern. So reich kann man sein.
Das Universum ist ein Gehirn, das sich den Menschen denkt.
bonanzaMARGOT
- 07. Sep. 16, 09:02
"Drecksau", 22 Uhr 2, Tele 5
bonanzaMARGOT
- 06. Sep. 16, 12:57
Menschen reden von Liebe, von Glück; Menschen reden von Heimat und Vaterland; Menschen reden von Verantwortung, Pflicht und Treue; Menschen reden von Schönheit, von Gut und Böse, von Gerechtigkeit und Freiheit; Menschen reden von Sinn und Unsinn, von Glaube und Unglaube, Himmel und Hölle; Menschen reden von Intelligenz, von der Welt… im Kleinen und im Großen; Menschen reden von menschlicher Größe, von Heldentum und Ehre; Menschen reden von Toleranz und Bescheidenheit, von Güte und Mitmenschlichkeit; Menschen reden eine ganze Menge, wenn der Tag lang ist… Ich habe das Gefühl, sie wissen oft nicht, worüber sie eigentlich reden. Trotzdem macht es den Eindruck, als würden sie es untereinander verstehen. Bin ich der Einzige, der sich blöd vorkommt? frage ich mich dann. Ich weiß nicht, was sie mit Liebe meinen; und ich weiß auch nicht, was sie mit Heimat meinen. Und was meinen sie mit Moral und Verantwortung? Mein Gehirn tilt regelmäßig (wie ein Flipperautomat, an dem zu sehr gerüttelt wird). So viele Desinformationen kann ich einfach nicht verarbeiten. Wenn ich dann dumm nachfrage, reichen die Reaktionen von Überraschung über Unverständnis bis zum Beleidigt sein. Dabei will ich wirklich niemanden nerven, sondern nur verstehen, worum es in den Reden geht. Bereits in der Schule als Kind und Heranwachsender verstand ich nicht viel, von dem, was ich lernen sollte. Ich fühlte mich in der Welt nicht nur desinformiert, auch desorientiert. Daran hat sich bis heute grundlegend nichts geändert, was leider mein Zurechtfinden beruflich und privat ziemlich erschwert. Ich kann mich unmöglich für etwas begeistern, was ich nicht verstehe. Manchmal habe ich gar das Gefühl, dass ein übermäßiges Begreifen der Dinge gar nicht erwünscht ist. Man soll sich in der Hauptsache eingliedern und funktionieren. Die Vertreter der Geldmaschine verlangen es so. Und realistisch gesehen ist die gesamte Gesellschaft (inzwischen) eine einzige Geldmaschine. Umso unverständlicher wird es für mich, wenn die Menschen in diesem Kontext von Verantwortung reden - noch grausiger der Gebrauch der Begriffe Freiheit und Gerechtigkeit. Da fühle ich mich regelrecht verarscht.
Wäre ich nicht auch pragmatisch, hätte ich mich sicher schon aufgehängt. Außerdem gibt es ein paar Nischen, wo ich auf das Leben und den Geist treffe, in dem ich mich widerspiegele, wo ich mich fallen lassen kann und wohlfühle… Viel ist es nicht, aber es reicht, um nicht aufzugeben.
Es sieht für mich so aus, als wäre die Menschheit eine Riesensekte. Die Gehirnwäsche funktioniert nahezu perfekt. Die Mehrheit hat es leicht, zu sagen: „Überprüfe mal, ob du mit deiner Auffassung nicht falsch liegst.“ Ihr wichtigstes Argument ist die pure Masse. Bei dem Gedanken kriege ich Gänsehaut…
Diese Welt ist nicht meine Welt. War es nie. Aber ich wurde zum Überleben geboren. Wie alle anderen auch. Ich weiß. Keine Ahnung, warum ich mich nicht einfügen kann, wie man es wünscht. Wahrscheinlich falsch programmiert*…
(*oder zu sensibel - ha ha!)
"Der siebte Geschworene", 20 Uhr 15, Arte
bonanzaMARGOT
- 05. Sep. 16, 16:16
Der Sommer kratzt die letzte Kurve. Wie jedes Jahr Anfang September. Ich denke an meine Heimatstadt, wo das alljährliche Winzerfest diese Schwelle zwischen den Jahreszeiten für mich markierte. Alte Erinnerungen werden wach. Der Blick über die Kleinstadt, die eingebettet von den Hügeln des Kraichgaus sich zur Rheinebene streckt. Oft saß ich auf der Anhöhe des Parks und blickte über die roten Dächer. Ich erinnere mich meiner Kindheit und Schulzeit. Es gibt Plätze, die man im Herzen mitnimmt auf die lange Reise des Lebens. Ich sehe vor meinem geistigen Auge das Freibad am südlichen Ausgang der Stadt. Wir Kinder kürzten den Weg durch den angrenzenden Friedhof ab (auf dem seit drei Jahren meine Eltern begraben liegen). Das Gekreische der spielenden und planschenden Kinder war weithin zu hören. Ich hoffe, die Toten störten sich nicht daran. Bis Mitte September geht die Badesaison.
Ich denke an O.s und meine Rückkunft vom Urlaub erst kürzlich. Auch Berlin ist mir bereits ein wenig Heimat geworden. Ich spüre dankbar die Vertrautheit der Namen, Straßen und Plätze. Wer weiß, wie lange ich hierbleibe. Lebensabschnitte summieren sich wie Sprossen auf einer Leiter. Später erst erkennt man, wo man steht. Alles fügt sich zusammen. Kleine und große -, ineinander geschachtelte Geschichten. Menschen brauchen Heimat, um sich nicht zu verlieren. Die Welt ist zu groß. Die Menschen zu unterschiedlich in Sprache, Kultur und Religion. Man kann auf allen Flughäfen der Welt zuhause sein, aber darum ist man lange kein Weltbürger.
Eine andere Seite: Menschen klammern sich zu sehr an ihre Heimat, als würde sie ihnen gehören und sonst niemandem. Das macht es Neuankömmlingen nicht gerade leicht, Fuß zu fassen. Jeder Mensch kann in die verzweifelte Lage kommen, unter fremdem Dach Obhut zu suchen. Heimat ist keine Burg, die man für sich reserviert. Man trägt sie im Herzen… nicht auf der Zunge (- oder gar dem Schwert).
Mir kommt das Verhalten von Hoteltouristen, die die Liegen am Swimmingpool mit ihren Handtüchern vorreservieren, in den Sinn. Insofern wundert mich das Wahlergebnis der Landtagswahlen Mecklenburg-Vorpommern gar nicht. Die Heimatbesessenen zeigten Flagge.
Heimatempfinden kann offensichtlich sehr unterschiedlich ausfallen. Ich möchte niemandem seines absprechen. Es ist wie mit allen hehren Begrifflichkeiten. Sie werden zu oft ... verwendet (– bis sie sich schließlich in Beliebigkeit auflösen).
Okay. Der Sommer kratzt die letzte Kurve. Wir schreiben das Jahr 2016. Ich sitze in Berlin und drehe Däumchen. Alles dreht sich. Weiter und weiter. Der Leierkastenmann spielt die Melodie der Melodien. Wen juckt es eigentlich?