"Der amerikanische Freund", 22 Uhr 45, 3sat
bonanzaMARGOT
- 11. Mär. 16, 06:16
Die Barhocker standen auf dem Tresen und den Stehtischen Spalier, als ich reinkam. Die Reinemachefrau putzte bereits fleißig. Es roch nach Salmiakgeist, und der Boden vor dem Eingang glänzte. „Darf ich?“ fragte ich. „Klar“, antwortete sie lachend, „am besten schweben“. Zügig überwand ich die gewischte Fläche und setzte mich weiter hinten an einen der Tische. Cria, die Thailänderin, bediente; ein einzelner Gast saß zusammengesunken zwischen den hochgestellten Barhockern und schlief, neben sich ein halbvolles Bierglas. Zwei Handwerker tranken an einem Stehtisch Kaffee. Sie treffen sich vor ihrer Arbeit in der Bierbar, sowieso nach der Arbeit, und wahrscheinlich auch zwischendurch. Ich nahm von Cria mein Bier entgegen und legte mein Schal ab. Ich schaute durch die Fensterfront auf die Passanten und den Verkehr. Die Hausfassaden leuchteten in der Morgensonne.
Ich erwische meist die Zeit, wo die Reinemachefrau den Laden durchputzt. Sie macht es täglich zwischen Sieben und Acht. Die Übergabe von der Nacht- zur Frühschicht ist dann gerade gelaufen. Ich genieße mein Bier vor der Schule und schaue raus auf die Sonnenallee oder sitze an der Bar, je nachdem. Es gibt Gäste, denen ich lieber nicht nahekomme.
Diesmal war es angenehm ruhig, vom Schnarchen des an der Bar schlafenden Gastes abgesehen. Die Reinemachefrau hatte ihre Arbeit fast geschafft und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Alle machten sich über die Schnarchnase lustig. Schließlich rüttelte die Reinemachefrau den Mann sanft an der Schulter. „Süßer, du solltest langsam aufwachen…!“ Offenbar war er ihr Partner, und sie wollte ihn mit nach Hause nehmen. Der Mann richtete langsam seinen Oberkörper auf. Ich sah ihn nur von hinten, aber ich stellte mir vor, dass er sein verschlafenes Gesicht zu einem breiten Grinsen verzog. Dann griff er sich das halbvolle Bierglas und trank es in einem Zuge leer. Der Mann wandte sich an Cria und ließ ein paar Anzüglichkeiten vom Stapel, u.a. dass Thailänderinnen gut im Bett seien. Die Reinemachefrau hatte inzwischen ihre Sachen gepackt und wartete geduldig. „Süßer, wenn du guten Sex haben willst, kommst du jetzt besser mit!“ Wir lachten.
Die Uhr zeigte kurz vor Acht. Für mich wurde es Zeit. Vorbei an der Reinemachefrau eilte ich hinaus auf die Sonnenallee. Der Tag war viel zu schön, um ihn in der Schule zu verbringen…
"American Beauty", 20 Uhr 15, kabel eins
bonanzaMARGOT
- 09. Mär. 16, 06:19
"Boulevard der Dämmerung", 20 Uhr 15, ARTE
bonanzaMARGOT
- 07. Mär. 16, 06:14
Hundewetter heute. Der Sonntag tröpfelt vor sich hin bei Vocal Jazz aus dem Internetradio. Das Brummen der Waschmaschine dazu. Das Tageslicht dämmrig sanft, umkleidet mich wie ein leichter Pelz. Sehr smooth das Ganze, ein Schwebezustand zwischen Aktivität und Passivität. Ich könnte die Hunde zählen, die vorm Fenster vorbeilaufen…
Seltsamerweise geht es in dem Roman, den ich seit Monaten mit mir herumtrage, auch um einen Hund: „Westlich von Rom“ von John Fante. Ich mag John Fantes Schreibe, aber ich befinde mich zurzeit in einer lesefaulen Phase.
Ein kurzer Auszug:
„Er war ein Hund und kein Mann, aber ein Tier, und er würde mit der Zeit mein Freund werden, meinen Schädel mit Stolz und Spaß und Unsinn füllen. Er war Gott näher, als ich je sein würde, er konnte weder lesen noch schreiben, und auch das war gut. Er passte nicht hierher, genau wie ich. Ich würde kämpfen und verlieren, und er würde kämpfen und siegen. Die hochnäsigen dänischen Doggen, die stolzen deutschen Schäferhunde, er würde sie alle fix und fertig machen und dann auch noch bumsen, und ich würde meinen Spaß haben.“
Ich fühle mich weder als Gewinner noch Verlierer. Mein Standpunkt war schon immer: lieber ein guter Verlierer sein als ein schlechter Gewinner. Das „Glück“ als Gewinner ist flüchtig und macht außerdem süchtig. Nein, ich bin kein Gewinnertyp. Wenn ich siege, kann ich mich oft gar nicht richtig freuen. Wettkampfsituationen erlebte ich immer als unangenehm.
Ich spielte jahrelang sehr gern Billard, und das gar nicht mal schlecht. Freilich entwickelte ich dabei einen gewissen Ehrgeiz. Ich war über einen mißlungenen Stoß enttäuscht und freute mich, wenn für mich die Kugeln super liefen, so dass die anderen staunten. Am liebsten würde ich ohne letztes Ergebnis spielen: Man müsste nicht zwischen Gewinnern und Verlierern unterscheiden, und es ginge hauptsächlich um die Spielfreude, bzw. den Spaß an der Sache.
Es ist eine verdammte Schwäche, dass mir der letzte Biss fehlt. Auch als Hund würde ich sicher nicht zu den Gewinnern gehören.
Ist das nun ein gutes Zeichen, dass es in Berlin so viele Hundebesitzer gibt - ich meine für die Bewohner bzw. die Lebensqualität einer Stadt? Gibt es dazu eine Studie?
Hier mal ein paar Zahlen, die ich im Internet fand:
„Einwohner in der Stadt: ca. 3.400.000
Anzahl der gemeldeten Hunde: 103.000, nach den Schätzungen des Statistischen Landesamtes leben hier bis zu 150.000 nicht gemeldete Hunde
Hunde pro Einwohner: 1 Hund pro 33 Einwohner bzw. 1 Hund pro 23 Einwohner
Berlin liegt auf Platz 2, was die Hundedichte in deutschen Großstädten angeht, mit 113 Hunden / km²"
Was sagt uns das? Ich meine: Die Berliner sind ganz schön auf den Hund gekommen!
Endlich Wochenende! Nach dem Abschlusstest in Buchhaltung machte ich mich frühzeitig aus dem Staub. Meine Mitschülerinnen saßen noch zerknirscht über den Aufgabenblättern. Mir reichte es, ich sagte: „Tschüss!“ „Auf Wiedersehen, Herr Bonanzamargot“, sagte Mr. Buchhalter.
Der Freitag war ein Sonnentag. Ich hatte es geschafft! Nein, das ist keineswegs übertrieben, denn ich quälte mich durch den Unterricht. Eigentlich ein Anlass zum Feiern, dachte ich. Wenigstens wollte ich die ätzende Buchhaltungswoche abschütteln. Doch ich kriegte die Kurve nicht: ich konnte den Frust und die Anspannung nicht einfach loswerden. Im Pub trank ich erstmal ein paar Bier. Meine Partnerin stieß dazu – wir wollten bei dem schönen Wetter spazieren gehen. Ich sah wohl ziemlich zerknirscht aus. Am besten sprach man mich nicht an. Ich spürte selbst, dass meine Laune furchtbar war, konnte es aber nicht ändern. Eine beschämende Situation, da meine Partnerin alles erdulden musste. Wir trotteten von Schöneberg nach Kreuzberg zum Bergmannkiez und stellten unsere Liebe zum Diskurs. Alles, was mir auf ihre Fragen einfiel, war: „Ich weiß nicht.“ Ich fühlte mich wie vernagelt.
Meine Mutter kommt mir in den Sinn, wie sie sehr oft klagte, dass ihr alles zu viel würde. Ich verstand nie genau, was sie meinte. Inzwischen erlebe ich an mir selbst, dass ich mich mitunter dem Leben nicht gewachsen fühle. Selbst der Gedanke an relativ kleine Lebenshürden kann mir dann den Atem nehmen. Ich sacke regelrecht in mich zusammen und will von allem nichts mehr wissen…
Wie machen das all die anderen, frage ich mich, wie kommen die mit diesem Wahnsinns-Karussell Leben klar? In Berlin legen sich viele Hunde zu – um nicht auf den Hund zu kommen(?) Vielleicht eine unbewusst angewandte paradoxe Intervention.
bonanzaMARGOT
- 05. Mär. 16, 12:06
-
Berlin
"Wie viel Buchhaltung braucht der Mensch?"
bonanzaMARGOT
- 02. Mär. 16, 17:31
Wetterkapriolen
bonanzaMARGOT
- 28. Feb. 16, 10:13
-
Berlin
Die Zeit breitet ihre großen Schwingen über dir aus. Sie hebt dich sanft empor gleich einer Raubtiermutter, die ihr Junges in Sicherheit bringt. Du hast keine Angst, dabei trägt sie dich in scheinbar atemberaubendem Tempo fort. Wenn du nach oben blickst, siehst du nur einen Ausschnitt ihrer riesigen Umrisse. Die Reise geht in schwindelerregende Höhen: Städte und Landschaften verwandeln sich in Gemälde. Seltsam ist, dass du keinen Luftzug wahrnimmst, und du hörst keinen Ton außer einem beruhigenden Rauschen. Du assoziierst damit das Flüstern der Bäume, vielleicht in einer lauen Sommernacht, wenn der Wind auffrischt.
Seit dich die Zeit davontrug, kannst du nicht mehr sagen, wie viel Zeit eigentlich verging. Viele schöne Momente aus deinem Leben kommen dir in den Sinn, Zeiten von Liebe und Glück. Du fühlst dich unsagbar geborgen in den Fängen der Zeit. Himmel und Erde, Tag und Nacht lösen sich auf. Offenbar gibt es eine Dimension abseits von allem Irdischen. Inzwischen schrumpfte die Welt zu einer Ahnung. Du bemerktest gar nicht, dass die Zeit dich hier absetzte - am sorgenlosesten Ort, den du dir vorstellen kannst.