Mein Vater
Ich hätte meinen Vater gerne als jungen Mann erlebt
er erzählt nicht viel von sich
aber einige Prinzipien wiederholt er ständig
alles muss seine Ordnung haben
vor anderen sollte man nie schlecht dastehen
er hatte früher immer einen Fünfzigmarkschein
im Geldbeutel, erzählte er mir
nicht um ihn auszugeben, sondern
um ihn dabei zu haben
mein Vater wuchs in Pommern auf
es müssen ziemlich raue Sitten gewesen sein
auf den Höfen, im Dorf
dann die Flucht vor den Russen
bevor er meine Mutter kennenlernte
entdeckte er seine Liebe zu den Traktoren
er arbeitete sich zum Kfz-Meister hoch
ich erlebte ihn als einen Mann, der
seinen Prinzipien treu war
Wenn ich ihm heute begegne
bewundere ich seine Standfestigkeit bis ins Alter
sein Jähzorn verrauchte, und ich höre
ein gutes Stück Weisheit, wenn
er wieder von seinen Prinzipien anfängt
- es darf nur nicht überhand nehmen
(2004)
Ich höre seine Stimme, sehe sein Gesicht vor mir
sein Blick wurde in den letzten Jahren etwas unsicher
auch sanfter
er war ein Mann der Tat
ein Schaffer
er gab meiner Mutter Halt in Zeiten der Krankheit
und Not
er gab auch mir oft Halt, wenn ich mal wieder Mist gebaut hatte
über seine Gefühle und Gedanken redete er nicht gern
ich mochte den Geruch der Werkstatt an ihm
ich bewunderte sein handwerkliches Können
seine starken Hände, mit denen er auch weh tun konnte, wenn
der Zorn ihn überwältigte
er war mir fremd und nah zugleich
ganz ohne viele Worte
sozusagen unter Männern
Schwäche passte nicht in seine Welt
was er nicht verstand, tat er mit einer Handbewegung ab
aber sein Herz war weicher, als er zugeben wollte
mein Vater
er schloss heute Morgen für immer die Augen
(27.02.2013)
bonanzaMARGOT
- 27. Feb. 13, 14:05
- boMAs Gedichte und Texte