Brüche in Beziehungen passieren ähnlich wie Erdbeben. Dieser Gedanke kam mir soeben, und ich finde, er stellt ein gutes Bild dar. Im Untergrund bauen sich peu à peu Spannungen auf, die sich eines schönen Tages entladen und die Zerstörung des geliebten Lebensraums bewirken. Weil diese Spannungen sich im Verborgenen über einen längeren Zeitraum aufbauen, sind wir nicht selten über die Ausmaße des Bebens überrascht, ja geschockt. Auch das Wissen, dass man in einer erdbebengefährdeten Region lebt, bereitet uns nicht wirklich auf das Unglück vor.
In Beziehungen ist es ganz ähnlich. Man kann das Maß der Spannungen im Untergrund schwer abschätzen. Während die Erdbeben geologisch unvermeidbar sind, könnte man in Beziehungen oft durch Maßnahmen, welche die Spannung auflösen, dem Zerwürfnis entgegenwirken. Seltsamerweise verhalten wir uns aber in solchen Situationen konsterniert und regungslos wie im Visier der Schlange. Als wäre das Ende unausweichlich. Wir befinden uns schon vor dem großen Knall in einer Art Schockstarre. Wir lassen es passieren.
Möglicherweise folgen wir dabei nur unbekannten Gesetzmäßigkeiten unserer Psyche. Die Analyse danach wird sowieso feststellen: Es musste so kommen. Es war das Beste. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende u.ä..
Während wir sicher wissen, dass die Naturkatastrophe unausweichlich passierte, werden wir nie erfahren, ob die Spannungen in der Beziehung wirklich irreversibel waren. Obwohl wir selbst Teil dieser „Naturkatastrophe“ waren. Das ist das Vertrackte. Wir wissen über uns selbst nicht Bescheid. Uns fehlt der Überblick über all die inneren Bewegungen und Vorkommnisse. Bewusst ist uns meist nur die Oberfläche, auf der wir es uns gemütlich machen.
Zum Schluss bemühe ich noch ein anderes Bild zu diesem Thema.
Cesare Pavese, einer meiner Lieblingsautoren, notierte in seinem Tagebuch „Das Handwerk des Lebens“:
„Alles das, was unser Körper über die Übung der Sinne hinaus tut, bleibt unwahrgenommen. Von den lebenskräftigen Funktionen (Blutzirkulation, Verdauung usw.) wissen wir nichts. Ebenso ist es mit unserem Geist: wir wissen nichts von all seinen Bewegungen und Veränderungen, seinen Krisen usw., außer der oberflächlichen, schematisierenden Begriffsbildung. Erst eine Krankheit enthüllt uns die funktionellen Tiefen unseres Körpers. So ahnen wir auch die des Geistes erst, wenn wir aus dem Gleichgewicht gebracht sind.“