Sonntag, 21. März 2010

Die Sonntagsfrage

Wo hört eine Stellung auf, und wo fängt sie an? Es gibt Fragen, die einem nur Sonntags kommen.
Na ja, schließlich hört man doch ständig von diesen vielen Stellungen, die manche super gelenkigen Menschen praktizieren, wenn sie Sex machen. Das Kamasutra ist für den Normalo so was wie eine Sexbibel, - der Normalo hat zwar schon mal was davon gehört, ist aber im Detail total unfähig. 99% der Menschen sind Normalos. Sie wollen oben oder unten liegen und sind letztlich durch die Vielzahl der anderen Möglichkeiten nur verwirrt. Ich frage mich an Tagen wie heute, an Sonntagen, also in der postsexuellen Ruhephase nach Sportstudio und Deutschland sucht den Superstar, ob diese Stellungskünstler uns, den Normalos, nicht was vormachen. Jetzt in Echt: wo hört eine Stellung auf, und wo fängt die neue an? Genügt das Abwinkeln eines Gliedmaßes um wenige Winkelgrade, dass man dies als neue Stellung oder Position erklären kann? Reicht es bereits, sich als Mann in der Missionarsstellung etwas weiter nach links oder nach rechts zu neigen, oder die Beine anzuziehen, um damit als neue Sexposition vor seinen Freunden zu prahlen? Gäbe es einen Wettbewerb, wo es darum ginge, wer die meisten Stellungen beherrscht, - welche Kriterien würde eine Jury anwenden, um zwischen den Stellungen zu differenzieren?
Man könnte dies auch auf die Politik übersetzen: bedeutet ein rhetorischer Furz bereits etwas politisch Neues? Oder auf die Religionen übertragen: ist der Gott ein anderer, wenn wir ihm ein paar andere Propheten zuordnen?

Ich gebe zu, dass körperliche wie rhetorische Gelenkigkeit von Vorteil ist, wenn man zwischen den Stellungen wechselt. Aber wird dadurch der Sex besser?

Frühlingsgedanken


Obwohl es seit Bestehung der Erde offensichtlich ist, worin der Unterschied zwischen Mann und Weib besteht, übt das Diskutieren darüber nach wie vor einen aphrodisierenden Reiz aus. Es ist gerade so, dass das Herausstellen der Unterschiede, die Beteiligten betört und erregt. Dabei geht es nicht unbedingt und überwiegend über die biologischen, unterschiedlichen Geschlechtsmerkmale, erogene Zonen und hormonelle Ausrichtungen. Einen Gutteil des aufflammenden gegenseitigen Interesses wird durch schlichte männliche sowie weibliche Rhetorik bewirkt. Ich würde von einem rhetorischen Tanz reden. Und je nach Geistesgröße der Beteiligten fallen solche Unterhaltungen sehr unterschiedlich aus. Die Liebe ist neben dem Tod der beste Gleichmacher. Mann und Frau gackern ab einem gewissen Status der Verliebtheit - für Zuhörer absolut unverständlich. Sinn und Logik verlieren ihre Bedeutung.
Es wurde ein Hebel umgelegt, nicht unbedingt bemerkt, und keine Macht der Welt könnte die Verliebten in ihrer Zugeneigtheit und Triebhaftigkeit aufhalten. Plus und Minus ergänzen sich paradox durch eine formgebende Anziehung - ähnlich der Gravitationskraft, - weitläufig stark. Die Identifikation als Frau oder Mann muss vehement über die Biologie hinaus gehen, sie muss universeller Natur sein. Als Mann spüre ich sofort, wenn in einem Raum eine oder mehrere Frauen zugegen sind, - selbst wenn mir die Augen verbunden wären. Diese geheimnisvolle Anziehung kann ein sensibles Gemüt freilich auch verunsichern. Ich sah schon gestandene Männer sich in die letzte Ecke verkriechen, wenn ein Vollweib die Szene betrat. Manche Frauen und Männer wirken wie Naturkräfte auf ihre Umgebung, - sie beherrschen sie nach Belieben. Die Augen der Anwesenden richten sich nach ihnen wie Magnetspäne aus. Sind für dieses Phänomen allein die Pheromone verantwortlich, wie einige Wissenschaftler meinen? Ich glaube, dass da ganz andere Mächte im Spiel sind, Mächte, die im Wesen der Welt begründet liegen, - wie Himmel und Erde, wie Licht und Dunkelheit, Yin und Yang.
Genug der Theorie! Betrachten wir die fließenden Kräfte zwischen den Geschlechtern in der Praxis. Lauschen wir der Magie des Liebesgezirpes, der Kontaktaufnahmen, des Flirts. Wenn man sich unter das Volk mischt, wird man öfter als man denkt Zeuge dieses Wunders, - welches der Anfang von Allem ist. Schließlich ist jeder von uns ein Ergebnis dieses Energieflusses zwischen Mann und Frau, welcher süß und sprudelnd wie eine Quelle irgendwo seinen Anfang nimmt: in der Straßenbahn, an der Wursttheke eines Supermarktes, beim Gassigehen, beim Elternabend, in der Disco und Kneipe oder immer öfter am Desktop des PCs.
Ja, ich glaube, dass noch nie so viel geflirtet wurde wie zu Zeiten des allen zugänglichen Internets. Isoliert von den biologischen Reizen wird auf Blogs und in Foren rein verbal die zwischengeschlechtliche Spannung und Anziehung spielerisch auf virtueller Ebene erzeugt. Die Sprache formt sich zum Gegenüber, zur Persönlichkeit, zu Mann oder Frau, - wobei deutlich wird, dass das gegenseitige geistige Eindringen verflucht sexy sein kann. Selbstverständlich auch abstoßend, wenn Menschen ihr Blatt überreizen oder das feine subtile Spiel mit Sprache nicht verstehen. Wie in der wirklichen Wirklichkeit stößt man im Internet auf eine ungeheure Vielfalt von Ausdrucksmöglichkeiten, wo es individuelle Anziehungs- und Abstoßungspunkte gibt.
Ohne den Sex, und ich meine hierbei nicht den plakativen, aufdringlichen, überbordenden Sex wie auf den vielfachen Erotik- und Pornoseiten, ... ohne den Sex, welcher zwischen Mann und Frau quasi in der Luft (oder im Fall des Internets im Netz) liegt, welcher Frühling, Aufbruch und Abenteuer bedeutet, ... ohne den Sex, der die Lebenssäfte fließen lässt, der uns mit wonniger Wärme umspült und uns prickelnde Schauer über die Haut jagd, ... ohne diesen Sex wäre ewige Polarnacht auf der Welt.

Alles ist Sprache, alles ist Sex ...

ein literarisches Tagebuch

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