Die Fremde in Zimmer 103
meine Kollegin sah sie
um 21 Uhr 30 das erste und
letzte Mal
lebend
"sie kommt zum Sterben", sagte man
dann ging es ein paar Tage länger, als ich
erwartet hatte
ihre Fußzehen waren bereits schwarz
und die Sauerstoffbrille riss sie sich vom Kopf
mit einer fahrigen Armbewegung
kraftlos
ihr Blick sagte nur: "Lasst mich ..."
sie hatte große Augen
und schöne, edle Gesichtszüge
fiel mir sogleich auf
sie war sicher eine stolze Frau
zu uns kam sie, ausgezehrt und mit dem Tode
ringend
ihre blutleeren Lippen verschwanden in
der zahnlosen Mundöffnung
ich hielt
zwischendurch
die Hand der Fremden
ich verfolgte ihren letzten Kampf
ein paar Nächte lang
sie war der dritte Todesfall
in einer Reihe
bei allen kam der Tod anders
doch konsequent
der erste starb im Krankenhaus
ich hatte ihn ein paar Tage zuvor eingewiesen
er hatte große Angst
"Lass mich nicht allein ..."
"Ja", ich sprach ihm Mut zu
der zweite
er war so weiß wie das Bettlaken
als ich ihn fand
Erbrochenes lief ihm aus dem Mundwinkel
mein Gott, ich hatte ihn gemocht
der Tod nahm ihn im Vorbeifliegen mit
und vorgestern SIE
die bereits in Agonie auf ihn wartete
ich schloss ihre Augen
nichts wussten wir von ihr
sie lag in Zimmer 103
zum Sterben
der Arzt, der den Tod feststellte
hatte einen Schnupfen
(boMA, 12.03.08)
bonanzaMARGOT
- 12. Mär. 08, 17:18
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