boMAs Gedichte und Texte

Donnerstag, 27. Dezember 2007

In der Mottenkiste des www.

ergoogelte boMA einen seiner Texte in einer fremden Homepage. Er meinte, dass er auch ein paar Jahre später gut passe, zumals jetzt, zwischen den Jahren. "Ja", meinte ich, "her damit!" Und da ist er, seltsam unverstaubt:


ich halte dagegen, so gut ich kann

hm, niemand wird es jemals schaffen die herde der lemminge
in eine vernünftige richtung zu lenken
wir sind übertechnisiert und hypermedial miteinander
verbunden, aber wir leben weiterhin im mittelalter
oder in der steinzeit - was weiß ich ...
es gibt leider zuviele menschen, die ihre persönlichen
ziele und ihren glauben einfach über die ehrfurcht vor
dem leben stellen
das war schon immer so
diese menschen instrumentalisieren sich selbst als
verfechter einer höheren idee oder ihres egoismus
und gehen über leichen
die moralische rechtfertigung hierfür schustern sie
sich zusammen - nichts leichter als das
oder? was ist mit dem gewissen eines soldaten, der auf
befehl tötet?
wir können von glück reden, daß wir in unserer gesellschaft
frei reden dürfen, und wir sollten diese gelegenheit
ausnutzen und eben nicht vorm fernseher einpennen
wir sollten schreien, auch wenn sich unsere nachbarn
peinlich berührt abwenden

viele unserer westlichen zeitgenossen(innen) lassen
sich liebend gern vom wohlstandsmüll einlullen
und lehnen sich selten mal aus dem fenster
der idealismus ist irgendwo in den siebzigern des letzten
jahrhunderts hängengeblieben
wahscheinlich geht es uns zu gut, und die neuen medien
schaffen so einen unpersönlichen raum zwischen uns und
dem weltgeschehen ...
das hat nichts mehr mit erotik zu tun
oder doch? ich warte auf den absoluten cybersex
dann macht man sich nicht mehr schmutzig und kann sich
seine duftnote wählen

okay, vielleicht denke ich da etwas zu weit
vielleicht aber merken wir die schleichende infiltration
des materialismus und der gefühlsarmut gar nicht



(boMA, 11. 01. 2002)

wiedergefunden bei http://mitglied.lycos.de/LotharKrist6/tod/philosoph/10_west_human.htm

Donnerstag, 6. Dezember 2007

das imperium schlägt zurück



antonia berichtete aus
bagdad
von den ersten hörbaren explosionen
lichtblitze wie bei einem seltsamen
gewitter
am horizont
wir hatten unseren rundgang im
pflegeheim gerade beendet
und setzten uns mit frisch desinfizierten
händen
vor die glotze
der präsident der vereinigten staaten
redete
ich mochte sein gesicht und den
pathos, als er von den mutigen
kämpfern sprach
patriots starteten
wie feuerbälle in den nachthimmel
tausende matrosen wie ein ameisenvolk
unter deck der schwimmenden
festungen taten das ihre
und die piloten, die kämpfer warteten
auf ihren ersten einsatz
mit scharfen waffen

wie gebannt starrten wir auf den
bildschirm, die kulisse
einer stadt mit minaretten und
palästen aus tausend und einer nacht
virtualität und wirklichkeit verknüpften sich
zu einem komischen theater
„antonia, hören sie mich ...?“
nein, das war keine science fiction
die jedi-ritter griffen an
meine kollegin und ich dämmerten dem
feierabend entgegen, um
das geisterschiff der alten und gebrechlichen
verlassen zu dürfen
tausendfach wurde von korrespondenten
fachleuten und politikern meinungen
über den äther transportiert
eine millionenstadt im zweistromland
vibrierte unter
den enthauptungsschlägen




(boMA, 21.03.2003)

Montag, 12. November 2007

aspekt der sinnlosigkeit



asche zu asche, staub zu staub
das ist die einzige wahrheit
ansonsten dreht es sich nur um den
zeitpunkt des todes und das wie
mit einem flugzeug würde ich nicht
gern runterfallen
auch mit krebs kann ich mich nicht
anfreunden
noch schlimmer: von glatzköpfen
totgetreten werden
gibt schon scheußliche tode
am besten denkt man nicht dran
nein, ich habe nie verstanden
wie ich als person entstehen konnte
um irgendwann sterben zu müssen
ich kann in dem ganzen keinen
sinn entdecken
wozu der aufwand?
keine bibel und keine philosophie
kann diese leere füllen
na gut, ich habe mich schon 39
jahre ertragen – da werde ich die
ungewissen restlichen auch noch
rumkriegen
irgendwann packt es mich, und ich
höre nicht mehr auf zu lachen
wie die menschen sich bemühen, sich
abrackern, schuften, diskutieren, debattieren
konstruieren, haha
wenn ich erst mal angefangen habe
kann ich mit lachen sicher nicht mehr
aufhören
möglich, dass ich daran
sterben werde




(boMA, 2002)

Sonntag, 14. Oktober 2007

Fliegende Puffs und schwimmende Altenheime



Dr. Babyficker hatte den Autopiloten eingeschaltet
die blonden Locken seiner Lieblingsstewardess
flammten golden auf seinem Schoß
die Wolken vor ihm verwandelten sich in
pausbäckige Engel
und leuchteten vor Schamesröte
Gruppensex 12.000 Fuß über dem Erdboden
der Jumbo bohrte sich wie ein riesiges Suppostorium
in den Abendhimmel
- Seelig sind die Nehmenden -
während der Teufel auf der Ersatzbank saß
machte Dr. Babyficker sein Spiel

und dann

überlegte ich mir ein Kreuzfahrtschiff
das als Altenheim
die Weltmeere befuhr
die See wäre unser Friedhof
unser Leben, unser Sterben
unser Sein durch alle Höhen und Tiefen
das Schiff würde nur für Reparaturen und
zum Auffüllen der Vorräte einen Hafen anlaufen
wir wären Geschöpfe der Wellen
Zigeuner der Urmaterie
Kinder der versoffenen Liebe
nach Dienstschluß läge ich mit meinen Kolleginnen
auf Deck in der Sonne
mit kalten Cocktails
und dem warmen Lächeln des Windes
traumverloren starrte ich in den Himmel
...
dort zog eine silbrige Nadel einen weißen Faden
über den Zenit
Dr. Babyficker im fliegenden Puff
ein Freibeuter nach altem Schrot und Korn
zufrieden grunzend
als er Lorelei bestieg

besser konnte es nicht werden






(boMA, 15.03. 2007)

Montag, 8. Oktober 2007

fällige retrospektive



eine dose rasierschaum hebt ziemlich lange
summertime, and the living is easy
rotweintropfen auf meinen gedichten
und handschriftliche notizen
würde ich am liebsten einrahmen
bami goreng aus der tiefkühltruhe
ich hasse schmutziges geschirr
morgen kommst du
ist das wahr?
ich zünde eine kerze an
auch für den toten mann, dessen hand ich
auf dem sterbebett streichelte
während seine tochter herzzerreißend weinte
es ist vorbei
es ist vorbei
ihr verheulter blick traf mich
der arzt zeigte mir die typischen verfärbungen
an den händen, auf dem rücken
ich war erleichtert, als er kam
und als sich die familie verabschiedet hatte
setzte ich mich wieder zu meinen kolleginnen
und knabberte kartoffelchips
atmete durch
danach
carolin und ich falteten seine hände
und hoben ihn auf die bahre
„ich dachte nicht, dass er so schwer ist“, sagte ich
wir breiteten ein leintuch über ihn
dass ich mal zusammen mit einer leiche
fahrstuhl fahre, hätte ich mir nie vorgestellt
was man nicht alles erlebt
ich werde morgen einkaufen gehen
bevor du kommst
der rasierschaum ist bald leer
und ich versprach dir ein frühstück im bett
nach unserer liebesnacht
mein schatz





(bo MA, 25.11.2002)

Samstag, 29. September 2007

der gerontogiurg



ich sah ihn zum erstenmal in der gruppe von neuen, die ins altenheim einziehen sollten. er hatte einen runden, dicken bauch. der hellblaue, schmuddelige pulli rutschte ihm hoch und zeigte den monströsen, haarigen wanst. darunter standen die kurzen beine und die großen, nackten füße, die in ausgelatschten sandalen steckten.
der gerontogiurg, so nenne ich ihn, lief nicht oder schlurfte einfach vor sich hin, nein, er fiel zwischendurch um, rollte wie ein mops, tat unerwartet einen satz in die höhe, um nach diesen kapriolen in seinem geschlurfe fortzufahren, wobei er auch einige schritte zurückstolperte und seine schlappen verlor. seine runde gestalt kullert förmlich durch die gegend, unwillkürlich wie eine flipperkugel. als ich ihm einmal auf die beine helfen wollte, stieß er mich weg, und ich spürte die große kraft dieser obskuren kreatur. stumm vollzog der gerontogiurg seine bizarre vorstellung wie ein trauriger clown in einer unsichtbaren manege. sein kopf saß wie eine melone auf dem rumpf. augen, nase und mund erschienen auf den ersten blick wie aufgezeichnet und ohne rechten ausdruck. doch der gerontogiurg vermochte unglaubliche fratzen zu ziehen. er pumpte sein gesicht auf, bis die haut pergamentdünn und durchscheinend war. darunter erkannte
ich mit einem gruseln die knöcherne form seines schädels, als läge dieser in einer qualligen, farblosen riesenblase. diesen so entstandenen ballon nutzte er auf geheimnisvolle weise wie eine bildröhre. alle möglichen fremden gesichter spiegelten sich plötzlich auf diesem kugeligen bildschirm.
intuitiv klatschte ich beifall, und auch die umstehenden klatschten total verblüfft in die hände. auch unsere eigenen, mal von erschrecken, mal von erstaunen, gezeichneten visagen wurden vorgeführt. wir waren allesamt fassungslos. welchem unglaublichen schauspiel wohnten wir hier bei?
der gerontogiurg brach seine stumme vorstellung so schnell ab, wie er sie begonnen hatte. sein kopf schrumpfte auf die normalmaße, und seine knopfaugen funkelten mich lustig an. spontan schloß er mich in seine arme, dass ich angst hatte, zerquetscht zu werden. wir liefen ein stück weges arm in arm, und ich war stolz auf meinen kuriosen, neuen kameraden. aber der ließ sich auch von mir nicht zähmen. bald schon stieß er mich von sich, um sich wieder wie wild zu gebärden in einem nicht endenwollendem veitstanz. in pausen besuchte er mich und hieb mir auf die schulter, dass ich einknickte. und er lachte, das heißt, ich bildete mir das ein, weil zu hören war nichts. sicherlich lachte er in dröhnendem baß wie ein kindlicher riese. der gerontogiurg, wie ich ihn nenne, mochte mich. er sagte mir das stumm oder auch nicht stumm, denn das ist eigentlich nicht zu verstehen.



(boMa, aus "tal der zukunft", 2001)

Donnerstag, 27. September 2007

ahab



neulich bekam ich panik
dass ich morgen schon tot sein könnte
ich war über meine angst
selbst erstaunt
das ist eine neue dimension, dachte ich
manche dinge, die ich vorher
nur dachte
wurden plötzlich zum gefühl
leider nicht besonders angenehm
so wird man also verrückt
langsam verrückt
woher kommt die leidenschaft?
die mich von der jagd auf den
weißen wal
besessen macht ...
toc, toc – der holzfuß in meinem kopf
auf deck, der unruhige geist
der mich nicht loslässt
selbst wenn er mich
hinunter in die tiefen
reißt
einsam bin ich
ein einsamer, alter mann
dessen augen sich in tiefe seen verwandeln
und dessen schläfen der welt
grau
entgegenträumen
neulich blickte ich wieder über die roten
dächer meines geburtsortes
über kaskaden blühenden lebens
als wäre die uhr stehengeblieben
eine 95-jahre alte oma
saß auf der bank
daneben
ich war in ihr zahnloses lachen verliebt



(boMA, 15.04.2003)

Freitag, 14. September 2007

Dear Doc



Ich wünsche mir eine Frau, die mir
Das Kondom überzieht
Wenn ich niese, reicht sie mir ein
Taschentuch
Im Traum traf ich meinen alten Freund
Armin
Am See
Nicht das erste Mal
War es Lugano?
Dear Doc
Als du bei uns ankamst, konnten wir es erst
Nicht glauben
Nach dem schweren Schlaganfall
Sahst du fast aus wie ein Kind
In der Embryohaltung liegst du
Auf der superweichen Matratze
Ich schaue in deine Augen
Du
Verordnetest die Medikamente für die
Lebenden Leichname
Nun bist du selbst einer

Ich halte deine Hand
Und kümmere mich um die Sondennahrung
Deine Freundin war 30 Jahre jünger
Sie fährt nun dein Lieblingsauto
Den Porsche Targa
An deinem Bett sah ich sie noch nicht

Tschüß
Dein Pimmel pinkelt nach oben
Zusammengerollt
Nachdem wir dich frisch gemacht haben
Verabschiede ich mich
Lieber Doktor




(boMA, 27.11.04)

...









ein mensch ist gestorben


pearl jam dreht sich um die eigene achse
die toten waren mir lieber
als die lebenden
nachdem ich ein frisches weißes laken
über sie gelegt hatte
ich konnte mich nicht sattsehen
und ich streichelte zum abschied
noch einmal den arm, das gesicht des toten
und ich sagte: „roman, du warst ein lieber
kerl ...“
er hatte sich an den bettgalgen geklammert
ich hielt ihn wohl noch ein dutzend mal im
arm
das leben pochte durch die zimmertüre
die angst war weg
aber wir wollten seinen offenen mund
zukriegen –
indem wir handtücher unter sein kinn
und unter seinen hinterkopf
postierten
als ich eine binde um seinen kopf wickelte
verzerrte sich sein gesicht zur grimasse
ne, das hat keinen sinn, sagten wir
doch schließlich sah er richtig gut aus
das kunstwerk eines friedlich
eingeschlafenen
morgen wird sein zimmer frisch gestrichen
die nächsten kommen zum sterben

er hatte einfach aufgehört zu atmen
mittendrin
die zimmertüre stand offen
mir war es zuerst aufgefallen
ich hörte ihn nicht mehr atmen
ein blick genügte
wir waren gerade auf dem rundgang
beim windelwechseln
ich machte weiter, als wäre nichts geschehen

was ist auch geschehen?
ein mensch ist gestorben
kein zweifel
nie wieder werde ich in seine augen schauen
nie wieder seine haut berühren

eine biographie geht über in den
äther
des vergessens




(boMA, 30.04.03)

Donnerstag, 13. September 2007

Zur Eröffnung schenkte mir boMA ein Gedicht








nachtwache


ich habe eine arbeitskollegin, die nackte
füße scheußlich findet
wenn schon
dann finde ich runzlige ärsche und hängetitten
scheußlich
klar, sehen die füße mit ihren eingewachsenen
nägeln auch nicht zum knutschen aus
überhaupt ist es manchmal interessant
wie menschen sich schöne, glatte gesichter
bewahren können, während alles andere
aus dem leim geht
auch andersrum sehe ich
wunderbare popos, während die gesichter
ein einziges faltengebirge darstellen
die kontrakturen der bettlägerigen gestalten
das ganze noch skurriler
sie liegen wie abgemurkste heuschrecken
in den betten – die gliedmaßen seltsam
verrenkt oder verknotet
bei manchen kommst du mit der windel
kaum noch durch die mitte
so eng krampfen sie ihre beine zusammen
das saubermachen ist dann
ziemlich schwierig
und tut weh
manche liegen flach wie bretter in ihren
betten
wenn ich sie zur seite drehe, stemmen sie sich
voll dagegen
aus angst
aus verzweiflung
ich weiß nicht
ich muß doch die neue windel unter ihr gesäß
schieben
okay, ich bin profi, ich habe meine tricks
und wenn gar nichts geht, hole ich meine kollegin
zur hilfe
am ende einer nacht schleifen wir vier volle
müllsäcke zum container
die tragen den gestank der gesamten menscheit
in sich
diese arbeit muß tag für tag verrichtet werden
nein, ich sehe nicht nur die ausscheidungen
die scheiße, den urin, die kotze, das blut
die alten spielen verrückt, wenn sie dement
werden
nein, auch das sehe ich nicht
wenn sie ihr zimmer auf den kopf stellen
oder kotverschmiert in ihren betten liegen
oder
oder sterben
die lunge voll wasser läuft
sie kaffeesatz kotzen
oder krampfen
im unterzucker das bewußtsein verlieren
all das sehe ich nicht
ich mache meinen job
heute bin ich fertig
heute kann ich nicht schlafen
wer weiß, wann ich wieder schlafen kann
...




(boMA, 27.08.02)

ein literarisches Tagebuch

Kontakt



User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

deine Gedanken und Geschichten
und nicht ein einziger Kommentar darunter ist schon...
kontor111 - 30. Jan, 10:18
alien-lösung? da ging...
alien-lösung? da ging was an mir vorbei. ist aber eh...
bonanzaMARGOT - 17. Nov, 13:08
richtig. ich dachte nur,...
richtig. ich dachte nur, dass ich es meinen lesern...
bonanzaMARGOT - 17. Nov, 13:05
Wo ist denn das Problem?...
Wo ist denn das Problem? Durch die „Alien-Lösung” von...
C. Araxe - 7. Nov, 22:06
Wenn du ohnehin eine...
Wenn du ohnehin eine neue Blogheimat gefunden hast...kann...
rosenherz - 2. Nov, 13:51
Liebe Leser(innen)
Dieser Blog ruht fortan. Leider ist die Resonanz hier...
bonanzaMARGOT - 02. Nov. 19, 13:39

Archiv

Juli 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
 
 
 
 
 
 

Neues in boMAs prosaGEDICHTE-Blog

Suche

 

Extras



prosaGEDICHTE (... die Nacht ist gut für die Tinte, der Tag druckt die Seiten ...)

↑ Grab this Headline Animator


Von Nachtwachen und dicken Titten

↑ Grab this Headline Animator



Status

Online seit 6508 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 30. Jan, 10:18