Nach der Nachtwache ist vor der Nachtwache

Montag, 13. Januar 2014

Der Tag danach


Kalt und Grau. Der Tag danach. Nach dem Nachtdienst. Schon wieder dunkel. Die Alten pinkelten wie die Weltmeister. Die Arschwischmaschine wurde ihrem Namen gerecht. Die Fassung bewahren, wenn sie das Bett verpinkeln. Kaum saß ich auf meinem Arsch, klingelte es schon wieder. Zusätzlich den Seelentröster mimen. Ein Lächeln schenken. Berührungen. Sanftheit. Streicheleinheiten. Worte und Blicke. Immer dasselbe. Das Leben im Altenheim. Plakative Menschenliebe. Unterdrückte Aggressionen. Geruch von Scheiße und Pisse. Windeln plumpsen in den Abfallsack. Niemals ankommen. Sisyphos. Der Wartesaal auf den Tod. Ein Niemandsland, und ich bin der einsame Wächter.
Der Tag danach ist Schlafen und Ausatmen. Treiben lassen. Kraftlos.

Dienstag, 31. Dezember 2013

Zug durch die Jahre


Zug durch die Jahre



Derweil in meine Studien vertieft,
ein alter Mensch tritt ins Abteil.
Er sitzt gebückt in Grau mir gegenüber,
draußen flitzen Landschaften vorüber.

Der Blick des alten Menschen ruht
in sich gekehrt,
verlegen breche ich das Schweigen
und frage, wohin er fährt.
Er schaut auf und sagt:
„Nicht weit, nicht weit.
Ich war auf der Suche
nach dem Motor der Zeit;
ich wanderte das ganze Leben,
wollte die Lokomotive finden,
die uns durch die Jahre zieht.
Hier bin ich – alt und müde
und habe es aufgegeben.“

Nach diesen Worten lächelt der
alte Mensch.
Kalenderblätter schweben über Wiesen,
ein neues Jahr, ein Herzenswunsch,
ein neues Leben
steigt ein, steigt aus.


(1985/86)





28 Jahre später sitze ich am Silvestertag im Licht der Schreibtischlampe. Ich warte auf meinen Nachtdienst. Es bleiben mir noch zwei Stunden, bis mein Bus fährt.
Als ich heute Morgen von der Arbeit kam, dachte ich, wie unwirklich und seltsam das Leben mir nach wie vor erscheint. „Absurd, absurd – ist mein Gefühl“ beginnt eines meiner ersten Gedichte, das ich ein Gedicht nennen will. Es trägt den Titel "Der fragende Mensch" ( v. 1981).
Ich war immer auf der Suche. Ich konnte das Fragen nie lassen. Nirgends gab es ein geistiges Zuhause für mich – außer meinem eigenen, selbst erdachten. Ich streunte durch das Leben ohne Ziel und Sinn. Immerhin fand ich eine Arbeit, mit der ich über die Jahre hinweg meinen Lebensunterhalt verdienen konnte. Aber ansonsten kam ich nirgends an; und es ist unsicher, ob ich jemals irgendwo ankommen werde. Am Ende steht der alte Mensch, der ins Zugabteil tritt und sein Suchen aufgab.
...
Noch nicht. Die Lokomotive steht noch unter Dampf.
Ich weiß nicht, wohin die Reise geht. Weiter durch die Jahre.
Der Tod meiner Eltern überschattete dieses Jahr, 2013. Es ist wirklich und unwirklich zugleich. Ich finde keine Worte.
Dass heute Silvester ist, kümmert mich wenig. Die Arbeit im Altenheim ist dieselbe wie jede Nacht. Ich verstehe die Menschen nicht, die um Mitternacht Feuerwerke anzünden. Ich verstehe weder das Leben noch die Gesellschaft. Ich bin bei den Alten, die alles ebenso wenig verstehen, oder denen es inzwischen egal ist, wenn die Jahreszahlen wechseln. Die Zeitmaschine, in der wir alle sitzen, spuckt uns nach und nach aus. Einen nach dem anderen. Manchmal auch überraschend.
2013, 2014, 2015, 2016 … Vergangenheit und Zukunft wachsen unaufhörlich zusammen. Wir sind eingeschweißt in dieses Raumzeitgewebe. Der Zug durch die Jahre ist ein elend langer Reißverschluss, der das Morgen und das Gestern zusammenfügt.
Nein, ich bin nicht trübsinnig, nur etwas müde manchmal. Entschuldigt, ich möchte eure Feierlaune nicht stören.

Bleibt gesund und frohgemut. Allen einen guten Rutsch!

Dienstag, 17. Dezember 2013

Der Himmel über Gestern




auf dem Weg zur Bushaltestelle

Mittwoch, 11. Dezember 2013

4:1


Es lief darauf hinaus, dass ich mich für mein unangemessenes Verhalten auf dem Betriebsfest entschuldigen sollte. Darum extra eine Besprechung. Man sagte mir vorher nicht, worum es gehen würde. Ich war der Gegenstand – mehr musste ich nicht wissen - den Rest konnte ich mir denken. Aber natürlich grübelte ich Tag und Nacht und malte mir aus, wie ich den Chefs am Besten meine Meinung sagen könnte.
Als ich kam, lag Nebel um den Bergkamm, wo das Altenheim steht. Ich glaube, sie warteten schon auf mich. Oberchef und Chef begrüßten mich sogleich.
„Haben Sie den Nebel mitgebracht?“ fragte der Oberchef.
„Nein.“ Pause. „Ich glaube, es wird deutlich, wie hoch das Altenheim doch liegt.“
Ich sollte schon mal vorgehen. Kein Problem. Es gab sowieso kein Zurück mehr.
Kurze Zeit Später saßen wir da.
4:1.
Der Oberchef, der Chef (respektive Heimleiter), der Pflegedienstleiter, ein Kollege von der Mitarbeitervertretung und ich – der Gegenstand.
Ich will hier nicht auf die Einzelheiten des Gesprächs abheben. Logischerweise befand ich mich in der Defensive. Die meiste Kritik an meinem Verhalten brachte der Heimleiter vor. Ich wollte nicht widersprechen. Erst als angemerkt wurde, dass einige Kollegen und Kolleginnen (angeblich) äußerten, sie hätten an jenem denkwürdigen Abend Angst vor mir gehabt, bzw. ich hätte sie angeblich verbal beleidigt, kräuselte sich meine Stirn. Sie kräuselte sich erheblich …
Sogar der Kollege von der Mitarbeitervertretung, der gar nicht auf dem Fest war, bestätigte die Aussagen meiner Chefs. (Sie nannten freilich weder die Namen der Kollegen oder Kolleginnen, die sich von mir dumm angemacht fühlten, noch sagten sie mir um welche Beleidigungen es ging. Ich sollte also mehr oder weniger zugeben, dass ich betrunkener Weise all diese Sachen, die sie nicht nannten, sagte - was aber selbst dann, wenn ich betrunken bin, nicht mein Stil ist.)
Darum 4:1. Das war die Lage. Ich hatte kaum Zeit, mir irgendeine Strategie auszudenken. Offensichtlich war ich mir nicht klar darüber, wie ich auf meine Mitmenschen wirke, wenn ich dann mal so bin, wie ich bin. Also ohne Maske. Alkohol hin oder her. Mir blieb nichts anderes übrig, als diese Farce bzw. dieses Spiel mitzumachen. Ich konnte weder leugnen noch zugeben, was mir vorgeworfen wurde. Da ich ein netter Mensch bin – wirklich! - entschuldigte ich mich bei der (neuen) PDL und dem Heimleiter. Danach war die Geschichte auch für den Oberchef gegessen.
Sie meinten, ich müsse nun meinen Ruf im Altenheim wiederherstellen … hmmm …, also gegenüber meinen Kollegen und Kolleginnen. Nicht gegenüber den Alten. „Gott sei Dank erlebte sie keiner der Bewohner so“, sagte der Heimleiter noch.
Man kann die Heuchelei auf die Spitze treiben. Ich glaube an mich. Und ich glaube, dass niemand vor mir wirklich Angst haben muss. Die Alten am wenigsten.
Die neue und die alte PDL, der Kollege von der Mitarbeitervertretung und ich standen nach dem Gespräch noch eine kleine Weile auf der Terrasse im Nebel. Sie rauchten. Ich wünschte der alten PDL einen guten Ruhestand …
Ich lief hinunter zur Bushaltestelle.

Inzwischen überlegte ich mir, dass ich zur Entschuldigung zwei Pralinenschachteln kaufe, eine für jede Station, dazu eine Karte, auf der ich mich für mein unmögliches Benehmen auf dem Betriebsfest entschuldige. Ich bastele noch an dem genauen Wortlaut.
Ach ja, und was die Pralinen angeht – Arsen?

Donnerstag, 5. Dezember 2013

Ein denkwürdiger Abend


Ich weiß, warum ich besser nicht auf Betriebsfeste gehe. Früher oder später rede ich Mist, das heißt, ich bin ehrlich. Zu ehrlich. Hier auf den Blogs ist das kein Problem. Doch mit Kollegen und Chefs wird`s brenzlig. Wenigstens erinnere ich mich noch an alles. Es kann also nicht ganz so schlimm gewesen sein. Aber an was ich mich erinnere, ist schlimm genug. Für manche sicher amüsant, mich so zu erleben. Als das Buffet eröffnet wurde, hätte ich etwas essen sollen. Stattdessen hielt ich mich an den Rotwein, der massenweise auf den Tischen stand. Ich vertrage eine ganze Menge, - gestern war es eindeutig ein Glas zu viel. Vor allem das Gespräch mit dem Heimleiter hätte ich mir besser verkniffen. Und dann war da noch ein dicker Pfarrer mit schlechten Zähnen. O je. Ich hoffe, dass die auch schon halb knülle waren. Lustig war es streckenweise. Aber ich schwöre: Es reicht wieder für die nächsten zehn Jahre. Ich bin zu alt für so was. Auch für den dicken Kopf danach.

Dienstag, 3. Dezember 2013

...


Ich denke an Wellen, die am Strand auslaufen, an ihren Schaumkranz auf dem Sand. Am Horizont die schmale Rauchfahne eines Bananendampfers. Meine Eltern schauen mich an, während ich mich umziehe. An der Wand hängt ein Bild von ihnen, das sie mir nach ihrer Goldenen Hochzeit schenkten. Ich schaue zu ihnen rüber, als ich in die Hose schlüpfe. Ich kann gar nicht nicht hinschauen. Ich sollte das Altenheim zurückrufen. Vorhin klingelte das Telefon. Die Sonne blinzelte durch die Rollladenschlitze. Ich ließ es klingeln. Wann schlafen Nachtwachen? Diese Frage fiel mir spontan ein. Mein Herz klopfte. Ich wälzte mich im Bett hin und her. An Einschlafen war nicht mehr zu denken. Eine Stunde später klingelte das Telefon erneut. Es ist noch zu früh, dachte ich, und ließ es klingeln.
Ich laufe am Strand entlang, gerade so dicht am Wasser, dass die Ausläufer der größeren Wellen meine Füße umspülen. Gestern notierte ich: „Wir schlafen auch, wenn wir nicht schlafen. Darum erscheint uns das Leben oft wie ein Traum.“ Ich weiß, dass ich keine Ruhe bekomme, wenn ich das Altenheim nicht zurückrufe. Schattenarme umklammern mich. Die Nacht lässt mich nicht los. Die Alten lassen mich nicht los. Das Altenheim verfolgt mich. Konsterniert schaue ich auf den Bildschirm meines Computers.
...
Es gibt kein Aufwachen aus diesem Schlaf. Oder? Mir fallen die Alten ein, wie sie dem Tod entgegentreiben. Ich setze mich auf einen Stein und schaue aufs Meer. Der Bananendampfer verschwand hinterm Horizont und nahm meine Sehnsüchte mit. Jedenfalls einen guten Teil von ihnen. Dann greife ich zum Telefon und rufe das Altenheim an –

Sonntag, 1. Dezember 2013

Warum


Die Zeit ist schneller als der Wind. Wir fliegen mit ihr durchs Weltall. Mit Geheul. Die Erinnerung ist ein Nebel, aus dem sich die Welt und die Figuren schälen. Gespenstern gleich. Die Zeit nimmt uns alles. Bis wir selbst Gespenster sind. Nur sichtbar für die, die es noch nicht sind.
Ich helfe einer Kollegin, die alte Frau zu waschen, weil ich noch Zeit habe, bis mein Bus fährt. Meine Kollegin ist eine fleißige Arbeiterin. Wir sind vollkommen unterschiedlich, und trotzdem mögen und achten wir uns. Die Bewohnerin, die wir waschen, hustet zähen Schleim ab. Sie liegt schon seit Jahren wie eine dicke Heuschrecke im Bett und wird künstlich ernährt. Kein Wort kommt mehr über ihre Lippen. Sie hustet und ächzt. Manchmal zuckt sie unwillkürlich und verdreht die Augen, als hätte sie einen Stromschlag bekommen. Der Sabber läuft aus ihrem Mundwinkel und schäumt. Sie würgt. Meine Kollegin cremt sie von Kopf bis Fuß ein wie ein Baby.
Wir ziehen ihr ein neues Nachthemd an, lagern sie, und ich schließe sie wieder an die Ernährungspumpe an. Die Pumpe surrt monoton.
Ich schaue auf die Uhr. Mein Bus kommt in wenigen Minuten. Sonntags hat er andere Fahrzeiten. Ich verabschiede mich von meiner fleißigen Kollegin. Sie bedankt sich für meine Hilfe. Wir kennen uns schon lange und kennen uns nicht.
Es ist noch dunkel. Die Straßen menschenleer. Die Menschen schlafen sich aus. Sie träumen. Ich stehe an der Bushaltestelle und blicke zum Himmel. Die Erde fliegt mit uns durchs Weltall. Wir merken es gar nicht. Es ist still. Ganz still. Ab und zu ein Auto.
Ich glaube, ich spüre etwas ... wie Liebe.

Donnerstag, 28. November 2013

Up to date


Eine meiner ersten Amtshandlungen im Nachtdienst ist das Abreißen der Tage vom Abreißkalender. Wir haben jeweils einen auf jedem Stockwerk hängen. Drei also.
Was wollte ich schreiben? Ach ja, die Dinger sind riesig, und es steht auf ihnen jeden Tag in großer Schrift, so dass sogar Blinde sie lesen können, ein dämlicher Spruch, oft ein christlicher oder eine Binsenweisheit. Den Kalenderspruch vom Dienstag notierte ich mir: „Genießt ein Jüngling ein Vergnügen, so sei er dankbar und verschwiegen.“ (Von einem gewissen Friedrich von Hagedorn.) Ich lese den Spruch kurz durch, reiße das Kalenderblatt ab, das etwa DIN A 2 Format hat, zerknülle es und werfe es in den nächsten Papierkorb. (Es fällt natürlich daneben.) Worauf wollte ich eigentlich hinaus? Mal überlegen …
Ach ja, mit solchen Blödheiten beginnt mein Nachtdienst. Keine Ahnung, ob die Sprüche außer mir noch jemand liest. Ich kann`s mir kaum vorstellen.
„Und was gilt für die Vergnügungen von alten Säcken?“ frage ich mich. Egal.
Es ist gefühlte 200 Jahre her, als ich einmal vergaß, eines der Kalenderblätter abzureißen. Meine Chefin polterte deswegen am Morgen los: „Leben wir im Gestern?!“ … „Seid ihr zu dumm zum Abreißen von Kalenderblättern?!“ (Damals waren wir noch zu zweit in der Nachtwache.)
Was ich damit sagen will … Ja, was?
Ach so, Stirnklatsch! Ich bin seit diesem morgendlichen Anschiss meiner Chefin traumatisiert. Niemals wieder vergaß ich seitdem das Abreißen der Kalenderblätter. Eher würde ich alle anderen Arbeiten vergessen. Sogar meinen Kopf. Es kam vor, dass ich im letzten Moment, bevor meine Chefin die Station betrat, zum Abreißkalender hechtete (olympiareif), das Kalenderblatt abriss, zusammenknüllte und in meinen Mund schob, weil die Zeit nicht mehr reichte, es anderswo verschwinden zu lassen. Uff!
„Genießt ein Jüngling ein Vergnügen, so sei er dankbar und verschwiegen.“ Was soll einem dazu in einem Altenheim einfallen? Meine Gehirnwindungen kriegen beim Lesen eine spastische Lähmung. Wenigstens konnte ich den Spruch noch notieren. Und darum wisst ihr jetzt davon.

Sonntag, 24. November 2013

So oder so


Wie oft habe ich mir schon überlegt, meinem Chef die Meinung zu geigen und dabei meinen Job zur Disposition zu stellen. Sogar an der Wortwahl feilte ich in Gedanken. Gestern klingelte das Telefon, und ich nahm nicht ab. Heute Morgen wieder, und diesmal griff ich zum Hörer, wohl wissend, worum es gehen wird. Ich sollte einspringen. Eine Kollegin ist krank. Nach kurzem Zögern sagte ich zu. Ich hatte zwar eine ganze Nacht Zeit, um mir eine Ausrede zurecht zu legen, warum es mir unmöglich sei, heute Abend einen Nachtdienst zu schieben …, aber so was liegt mir einfach nicht. Ich hätte ein schlechtes Gewissen gegenüber meinen Kollegen gehabt und den freien Tag nicht wirklich genießen können. In der Nacht träumte ich vom Altenheim, und es war nicht angenehm. Jetzt fluche ich an diesem sonnigen Totensonntag leise vor mich hin: Scheiße! Bereits das zweite Mal innerhalb einer Woche springe ich ein. Der Tag ist futsch! Das Hin und Her geht mir gehörig auf den Geist! Die Nachtdienste sind anstrengend und nervenaufreibend. Ich brauche jeden verdammten Tag, um mich von ihnen zu erholen. Darum arbeite ich bewusst nur 70%.
Ich warte auf den Tag, an dem aus mir herausplatzt, was ich mir oft im Geiste zurecht lege – wie ich den Job hinschmeiße und gegenüber meinem Chef ordentlich Druck ablasse. Etwa so, wie ich es vorgestern bei der Dame hinter Schalter 2 des Reisezentrums machte. (Badamm! Mitten zwischen die Augen!)
Warum hänge ich so sehr an dieser Arbeitsstelle? Als Altenpfleger wäre ich sicher nicht allzu lange arbeitslos; und ich könnte mir zur Zeit die drei Monate finanziell leisten, bis ich Arbeitslosengeld bekomme. Ich könnte mir sogar ein ganzes Jahr Auszeit gönnen. Wovor habe ich Angst? Wäre es nicht eine Erlösung? Außerdem geht es um meine Gesundheit. Offensichtlich ist das Altenheim, obwohl ich mich häufig über die Arbeitsbedingungen aufrege, so was wie ein Haltepunkt in meinem Leben, der mir Sicherheit, Wertschätzung und soziale Kontakte gibt. Ich müsste andere Wege einschlagen und auf diesen Wegen erst das Gehen lernen. Wichtig wäre auch, überhaupt eine andere Perspektive zu haben!
Die Sonne scheint in meine Bude, doch in meinem Kopf bleibt es düster. Ich grübele vor mich hin, als könnte ich eine Lösung herbei denken. Heute Abend werde ich wieder funktionieren, und morgen früh wird man mir danken, dass ich einsprang; und ich werde froh sein, weil ich Feierabend habe und wieder einen Nachtdienst schaffte. Hinterher überwiegen die Erleichterung … und die Müdigkeit. Ich werde die Morgenluft einsaugen und den Mond suchen, hinunter zur Bushaltestelle schreiten und mich bei den Wartenden einreihen, die zur Schule und zur Arbeit fahren. Ich werde wie immer im Bus neben der Lehrerin sitzen, die in einer Behindertenschule arbeitet, und sie wird mich fragen: „Ich habe Sie erst Dienstag erwartet?“ Und ich werde antworten: „Ich hatte es im Gefühl, dass ich einspringen muss.“ Und sie wird sagen: „Ja, das sagten Sie das letzte Mal.“ Und ich werde sie nach ihrem Wochenende fragen, und dann werden wir wie so oft über die beschissenen Arbeitsbedingungen in unseren Berufen reden.

Sonntag, 17. November 2013

Am Morgen


In der Bahnhofshalle installierten sie eine Ausstellung über den roten Nachbarplaneten Mars. Gegenüber das Reisezentrum. Neu im Angebot: Der Sonderzug zum Mars. Schräg. Die ganze Welt ist schräg, aber es fällt nur ein paar Philosophen und Verrückten auf.

Das Raumschiff Erde flitzt mit sieben Milliarden Seelen um die Sonne. Den Mond im Schlepptau. Meinen Mond. Diese geliebte Arschbacke am Nachthimmel.

Was wollte ich eigentlich schreiben? Ach ja, es war mir egal. Meine müden Augen liegen wie ein Doppelgestirn unter meiner Stirn. Müde von den Milliarden Jahren. Ich schlafe ein und wache an der Brust meiner Mutter auf. Meine Mutter ist tot. Sie ist jetzt auf dem Mars. Warum nicht.

Ein Penner liegt auf einer Bank und schnarcht. Die Reisenden laufen an ihm vorbei. Züge werden ausgerufen. Ich giere nach Monden in Hosen. Zu gern würde ich mal wieder einen küssen.

Vor dem Bahnhof steht ein riesiger Vogelbaum. Eine andere Welt. Das Geschrei von Millionen Vögeln übertönt sogar den Verkehr. Der Baum ist schwarz und kahl, jetzt im November.

Warum schaue ich auf das Pflaster und meine Schuhe? Die Erde reißt auf. Der Riss geht quer durch den Bahnhof. Er ist wie ein Grinsen aus der Hölle.

Ich nehme ein Taxi nach Hause.







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