Berlin

Mittwoch, 23. Dezember 2015

Treffpunkte




Großstadt

Montag, 21. Dezember 2015

Berlin, wie es leibt und lebt


Sicher ist, dass ich noch in keiner Stadt war, in welcher ich mehr Menschen mit Bierflaschen herumlaufen sah. Von mir aus, ich habe nichts dagegen. Selbst lebenslang Biertrinker, empfinde ich eine gewisse Solidarität. Solange alles zünftig abgeht. Ohne eine gewisse Dröhnung ist das Leben schwer auszuhalten. Berlin ist sowieso eine besondere Herausforderung bei der täglichen Flut an Eindrücken, Verrücktheiten und dem ganzen Konsumschwachsinn…
Neulich in der U7 auf dem Heimweg von der Schule saß ich neben einem Türken (schätze ich), in meinem Alter oder etwas älter, uns gegenüber drei Handwerker, Verputzer, in ihren von der Arbeit verschmutzen Klamotten, die ihr Feierabendbier schon in der U-Bahn genießen wollten. Es dauerte nicht lange, dass der Türke sie in gebrochenem Deutsch ansprach, sie sollten sich schämen, derart schmutzig und Bier trinkend in der U-Bahn zu sitzen. Die Umstehenden blickten wie ich nur verwundert, denn der Türke ließ nicht locker, die Drei zu provozieren. Er sei schon lange in Deutschland, meinte er, und sie seien bestimmt keine Deutschen, denn die täten sowas nicht. Er trüge eine Hose, die tausend Euro kostete und wolle sich nicht in den Dreck setzen, den sie hinterließen… Ich spürte, wie den Dreien langsam die Galle hochkroch. Schließlich sagte der Eine, dass er sich das nach acht Stunden auf dem Baugerüst nicht länger anhören wolle, - dass er ihn aus der Bahn werfe, wenn er nicht bald seine Klappe halte! Doch der Türke motzte munter weiter: Sie hätten überhaupt keine Kultur! Mein Gott, dachte ich bei mir, ein Verrückter! Ich atmete auf, als die drei Handwerker am Mehringdamm ausstiegen.
Solcherlei Szenen sind in Berlin an der Tagesordnung. Man weiß nicht, was man davon halten soll.
Gut, dass ich nicht nationalistisch eingestellt bin - Idioten sind eben Idioten, ganz egal, wo sie herkommen. (Prost!)

Samstag, 19. Dezember 2015

Der letzte Schultag


Gestern erst fiel mir auf, dass der Einbrecher auch das Sparschwein voller Kupfergeld mitnahm. Es muss ihm wie ein Goldschatz vorgekommen sein, so schwer wie es wog. Es war meine Reserve für ganz-ganz schlechte Zeiten… Soll der Schurke glücklich damit werden.
Den letzten Schultag mit "Excel" verbracht. EDV ist mein Lieblingsunterricht. Im Normalfall komme ich ganz gut mit und habe bei den Übungen ein Erfolgserlebnis.
Wie immer besuchte ich vorher auf ein Bier den „Bierbaum“. Durch die gläserne Eingangstür konnte ich sehen, dass ganz schön Betrieb war. Freitags ist es am vollsten. Das Wochenende wird von vielen schon Donnerstagabend eingeläutet, und Freitagmorgen sitzen dann die Durchmacher im Bierbaum. Als ich eintrat, stolperte ich fast über ein schwules Pärchen, das sich abseits von den anderen abknutschte. Musik dröhnte mir entgegen. Die Theke war voll besetzt. Ich nahm von Cria, der Thai-Bedienung, das Bier entgegen und setzte mich an einen der Stehtische. Ich betrachtete das skurrile Sammelsurium von Kneipengästen: neben den (inzwischen) bekannten Gesichtern ein paar Studenten und abgerissene Figuren – alle mehr oder weniger betrunken. Der Raum war rauchverhangen, die dicke Jeanette schmiss Geld in einen der Spielautomaten und grüßte mich, als sie mich sah. Ich verstand kein Wort, von dem, was im Raum gesprochen wurde. Das Lachen und Gerede ging in der lauten Musik unter. Janis Joplin sang…, ein Stammgast klatschte dazu in die Hände.
Ich schaute durch die großen Scheiben hinaus ins Morgengrauen. Es regnete. Passanten huschten vorbei. Die meisten Türken. In Berlin gewöhnt man sich besser daran, dass man sich als Deutscher in manchen Vierteln fremd vorkommt. Immer wieder wird das Thema „Flüchtlinge“ thematisiert – auch im Bierbaum. Tenor der meisten Gespräche lautet sinngemäß „Das Boot ist voll“.
Die Uhr zeigte mir an, dass ich aufbrechen musste. Gerne wäre ich noch ein Weilchen geblieben, um dazusitzen und mein Bier zu trinken. Eine Frau an der Theke erinnerte mich von ihrem Aussehen an Marael Johnson "Eine Verrückte legt los"… In der letzten Zeit komme ich viel zu wenig zum Lesen.
Ich duckte mich unter dem Regen. Eltern brachten ihre Kinder zur Schule. Der Verkehr strömte endlos durch die Sonnenallee. Eigentlich schien die Welt im Großen und Ganzen in Ordnung zu sein.

Dienstag, 15. Dezember 2015

Dezemberdepression


Berlin hat einen bestimmten Geruch. Ich bin mir sicher. Egal, wo ich bin. Der Geruch meiner Heimat war anders. Ich durchlebe Tage, in denen die Vergangenheit wie Treibgut immer wieder auftaucht. Wenn ich stundenlang in der Schule sitze, bleibt mir genügend Zeit, mich Tagträumereien hinzugeben. Die Hühner (meine Mitschülerinnen) fragen mich manchmal etwas, und ich antworte, als ob ich aufwachen würde: „Was?“ Sie lachen: „Was meinst Du denn dazu?“ …
Sie haben sich damit abgefunden, dass ich oft einfach nur versunken in mich selbst im Klassenzimmer sitze, dabei kriege ich noch mehr mit, als sie glauben. Als Klasse wären wir sehr inhomogen, meinte eine Lehrerin. Manchmal, während ich so rumsitze, recherchiere ich Namen von alten Freunden und Bekannten im Internet. Vor kurzem wurde ich sogar bei einer Person fündig. Aber macht eine Kontaktaufnahme Sinn? Ich bin unsicher. Man muss nicht unbedingt die Geister des Gestern und Vorgestern beschwören…, sonst geht es mir noch wie Mr. Scrooge aus Charles Dickens Weihnachtsgeschichte. Wer will schon vorgeführt bekommen, wie er ehemals (wirklich) war? Ich habe schon in der Jetztzeit Angst in den Spiegel zu schauen. Am besten gehe ich mit meinen Mitmenschen um, ohne darüber nachzudenken, wie ich auf sie wirke. Angeblich soll es gar nicht so schlimm sein…
Morgen veranstaltet die Schule eine Weihnachtsfeier – dafür fällt der Unterricht aus, Anwesenheitspflicht ist trotzdem. Solche Feiern waren mir schon immer ein Gräuel (von dem religiösen Hintergrund ganz abgesehen). Ich hoffe, dass ich mich frühzeitig abseilen kann. Kann mir irgendjemand erklären, wie man an solchen Veranstaltungen Spaß haben kann? Dieser konventionelle Druck ist einfach ätzend. Unser EDV-Lehrer sagte zu dem Thema, Demokratie sei eben die Diktatur der Mehrheit. Ich mag ihn. Er macht klare Ansagen, und er hat die Hühner im Griff…; außerdem habe ich bei ihm wirklich das Gefühl, etwas zu lernen.
Ich mache mir sehr viele Gedanken über die Zeit, konkret die Lebenszeit. Ist das alles nicht irrsinnig? Gut Fünf Jahrzehnte habe ich auf dem Buckel und hörte nie auf, das Dasein zu hinterfragen. Wenn ich dann den ganzen Weihnachtsschwachsinn sehe, fühle ich mich verhöhnt. Am Ende des Kalenderjahres scheint sich der Schwachsinn der Menschen zu verdichten: Weihnachten und kurz dahinter Silvester… Zufällig habe ich im Dezember auch noch Geburtstag.
Dazu kommt die Winterzeit mit den kurzen Tagen und der Kälte. Eine Mitschülerin fliegt in den Weihnachtsferien nach Gran Canaria. Letztes Jahr gönnte ich mir auch diesen Ausritt ans Meer und in die Sonne. Ich lieh ihr meinen Reiseführer. Ich bleibe in Berlin.

Dienstag, 8. Dezember 2015

Like A Rolling Stone


Gestern war ich mega-müde. Ich hatte während des Tages das Gefühl, gar nicht richtig wach zu werden. Ich will kein Aufhebens darum machen – in meiner Nachtwachen-Zeit waren solche halb somnolenten Zustände völlig normal, z.B. während der Umstellung vom Nacht- zurück auf den Tagrhythmus. Außerdem lebte ich alleine und machte alles mit mir selbst aus, das heißt, ich war im Großen und Ganzen der einzig Leidtragende. Ich hatte kaum soziale Kontakte außerhalb des Altenheims. Wenn ich mir zu sehr auf den Keks ging, schaltete ich die Glotze ein und döste in den Tag hinein. Wenn mir die Glieder schwer wie Blei wurden, legte ich mich ins Bett; wenn ich eine Fressattacke hatte, überlegte ich nicht lange, und schaufelte z.B. eine Dose Ravioli in mich hinein. (Komisch, dass die Müdigkeit einen nicht vom Fressen abhält – eher im Gegenteil.)
Nun lebe ich seit einem halben Jahr mit einer vitalen jungen Frau zusammen. Das ist schon mal ein Wahnsinn – für meine Verhältnisse. Echt! In Partnerschaften tat ich mich bisher immer mit dem Zusammenleben schwer. Hinzu kommt eine gewisse Abneigung gegen alles Familiäre. Wann das seinen Anfang nahm, weiß ich nicht genau… Ein Eigenbrötler bin ich sowieso. Die mich kennen, wissen das (haha). Trotzdem, ich bin weit davon entfernt, ein Soziopath oder "Höhlenmensch" zu sein. Ich würde mein Verhältnis zu anderen Lebewesen mit dem Begriff „Reserviertheit“ beschreiben. Früher sagte man, ich sei schüchtern. Ich gehörte nie zu denen, die mit dem Mundwerk vorneweg waren. Vielleicht ist darum das Schreiben für mich die bessere Methode zu kommunizieren, vor allem wenn mir die Menschen noch fremd sind. Dabei wirke ich gar nicht so schüchtern auf andere – ich höre oft, dass ich eben ein Ruhiger sei. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie ich wirklich auf andere wirke. Ich mag darum auch keine Fotos von mir. Wer mich ärgern will, muss nur die Kamera auf mich richten; oder mir eine Stilberatung aufdrücken (wir vor ein paar Wochen in der Schule geschehen); oder mich zur Teilnahme an einer Weihnachtsfeier zwingen; oder… (es gäbe noch einiges aufzuzählen). Wie gesagt, das Zusammenleben mit mir ist nicht leicht. Dass meine Partnerin mich liebt, macht mich sehr glücklich! Sie hält mich gewissermaßen bereits eine gute Zeit lang aus. Bei Menschen, die mir nahestehen, würde ich manchmal schon wissen, wie sie mich so sehen. Sie müssen ja nicht ins Detail gehen. „Wie siehst Du mich, Schatz?“ „Ich liebe Dich…“ „Ach so.“ „Und wie findest du das, was ich in den Blogs schreibe?“ „Hirschig.“ Ehrlich gesagt hatte ich etwas Angst, als ich sie kennenlernte, ihr meine schriftlichen Zeugnisse (im Internet) zu zeigen.
Also, gestern war ich jedenfalls ungeheuer müde… Heute versuche ich die Zeit, bis sie von der Arbeit kommt (nach 21 Uhr), mit Schreiben totzuschlagen. Wir wollen gemeinsam zu Abend essen, bevor es in die Heia geht.
Unglaublich, wie sehr das stundenlange Herumsitzen in der Schule ermüdet… vielleicht auch dem Kunstlicht geschuldet… dem wenigen Tageslicht im Winter… keine Ahnung, ob ich mich so lange wachhalten kann… bin halt nicht mehr der Jüngste… Bob Dylan singt: „like a rolling stone“…
(Gute Nacht!)

Samstag, 21. November 2015

Gelegenheit macht Diebe


„Wurde hier eingebrochen?“ rief eine Stimme von der Straße. „Ja“, sagte der Kripobeamte, der gerade die Spuren am Fenster sicherte, „haben Sie etwas gesehen?“ „Nein, aber das waren bestimmt die Zigeuner, die sich hier rumtreiben.“ Das könne man nicht sagen, entgegnete der Beamte und fuhr mit seiner Arbeit fort…
Es ist nun ein Monat seit dem Einbruch vergangen. Wir hatten Glück im Unglück: der Dieb entwendete die Notebooks und ein altes Handy und machte sich sogleich wieder aus dem Staub. Flüchtig hatte er noch ein paar Aufbewahrungsdosen und Schachteln geöffnet, in denen sich aber nur Krimskrams befand. Alles andere ließ er unberührt – ich denke, dass er es sehr eilig hatte. Wirklich scheußlich wäre es gewesen, wenn er in der Wohnung randaliert hätte.
Natürlich waren wir geschockt, als wir von unserem Hamburg-Trip zurückkehrten. Wir freuten uns auf einen gemütlichen Abend, und nun das! Mir war sogleich klar, wie der Einbrecher in die Wohnung kam. Ich hatte fahrlässig ein Fenster in Kippstellung gelassen. Der Ärger über mich selbst wog schwerer als der erlittene Schaden und die Wut auf diesen Schurken. Gelegenheit macht Diebe – vor allem in einer Großstadt wie Berlin. Nun haben wir Neu-Berliner also auch diese Erfahrung gemacht.
Bald schon nach dem Ereignis witzelten wir darüber. Das ist auch eine Art, solch eine Sache zu verdauen. In Zukunft werden wir vorsichtiger sein. Die Freude an unserer schönen, kleinen Wohnung und dem Leben in Berlin wurde dadurch nicht getrübt. Die Gefahren im Dschungel der Großstadt sind vielfältig. Nichts für ängstliche Naturen. Am besten lebt es sich mit einer fatalistischen Einstellung: was passiert, das passiert.

Sonntag, 15. November 2015

November-Blues


Schmutziger November. Blatthaufen am Straßenrand. Es regnet die ganze Zeit. Jogger in Regenkleidung. Kalt ist es nicht. Sonntag. Wir beschließen, ins Aquarium zu gehen. Die feuchten Hausfassaden und die graue Wolkendecke – vereinzelt segeln Blätter vorbei. In der Wohnung läuft Blues Musik aus dem Radio. O. schreibt an einem Fachbeitrag. Ich genieße einfach die Gemütlichkeit bei relativer Kopfleere. Zwischendurch stehe ich vom Schreibtisch auf, gehe durch die Wohnung, wische da und dort Staub…, greife mir ein kaltes Bier aus dem Kühlschrank, stelle mich zu O., die am Computer arbeitet, und küsse sie…
In einem der Fenster der gegenüberliegenden Häuserreihe spiegelt sich flüchtig ein Vogelschwarm. Es ist Mittag und gleichbleibend düster. Das Halblicht umfließt weich die Gegenstände und Möbel. Die Sekunden, Minuten tröpfeln vor sich hin…

Montag, 9. November 2015

Sag mir, wo die Blumen sind...


Berlin ist in manchen Straßen und auf manchen Plätzen zum Bersten voll. Die Menschen, die an mir vorüber eilen, denen ich automatisch ausweiche, verlieren ihre Konturen - sie verflüssigen sich und gehen ein in einen riesigen Menschenstrom, der sich in viele Muster und Richtungen ergießt. Ein Anhalten für ein paar Momente Besinnung ist kaum möglich. Ich wundere mich darüber, dass viele in diesem Durcheinander telefonieren, Unterhaltungen führen, essen können... Körper streifen mich im Vorbeigehen. In der U-Bahn drücken sich die Leiber eng zusammen. "Gleisdreieck" steige ich aus – doch kein Grund zum Aufatmen. Sofort finde ich mich inmitten von kreuz und quer eilenden Menschen wieder. Jeden Moment kommen neue hinzu. Die vielen Eindrücke schlagen wie Wellen über mir zusammen. Wo ich mich auch befinde, habe ich das Gefühl, irgendwem im Weg zu stehen. Meine Sinne sind aufs Äußerste angespannt…

Als ich von der Schule auf dem Heimweg war, dachte ich, wie schön es wäre, unterwegs eine ruhige Kneipe zu finden mit halbwegs normalen und netten Gästen, die beim Plausch zusammensäßen. Ich würde ein Bier trinken und zum Barkeeper sagen: „Hach, das tut gut! Dieser Ort ist eine Oase…“
Es gab Zeiten, die Siebziger und Achtziger, als es solche Kneipen noch gab. Heute trifft man meist nur noch auf Spelunken mit der entsprechend abgerissenen Kundschaft. Meine Füße tragen mich also direkt nach Hause, wo ich erstmal durchatme.

Gemütliche Kneipen sind nicht das Einzige, was ich vermisse. Zur Ankunft meiner Partnerin am Sonntag wollte ich die Wohnung mit einem schönen Strauß Blumen schmücken. Ich dachte, dass ich beim Wochenendeinkauf bestimmt was finden sollte und landete in der „Mall Of Berlin“ am Leipziger Platz, einem der vielen Einkaufszentren Berlins, - wahrscheinlich das größte. Ich fuhr erstmal in die dritte Etage, wo die Kunden durchgefüttert werden. Ich trank ein Bier (mehr will ich gar nicht) und betrachtete die Szene: die abgehetzten Bedienungen hinter der Theke und die Unzahl der Menschen, die das ganze Zeug in sich hineinschlangen. Wahnsinn, dachte ich, ich wollte in einer solchen Umgebung nichts essen. Aber so sind wir Menschen – wir haben verschiedene Geschmäcker und Vorlieben. Nach einem Bier hatte ich genug Feldstudie betrieben und begab mich zum Supermarkt im Untergeschoss. Sekt und einige Lebensmittel, die auf meinem Einkaufszettel standen, fand ich relativ schnell, Blumen hingegen nicht.
An einem der Infostände fragte ich nach und bekam die spröde Auskunft, dass es in der gesamten „Mall Of Berlin“ keine Blumen gibt. „Das ist aber schlecht… sehr schlecht!“ sagte ich und suchte den Ausgang.

Montag, 12. Oktober 2015

Oktoberfest (?)


Binnen weniger Tage fielen die Temperaturen drastisch. Gestern besuchten wir das Oktoberfest auf dem zentralen Berliner Festplatz. Die Sonne schien, aber es war eisig kalt. Wir suchten einen geschützten Platz, setzten uns und lauschten einem Solisten, der Country-Rock vortrug. Die Kälte kroch mir trotzdem schnell in die Glieder. Statt Lederjoppe hätte ich besser den Wintermantel angezogen. Am Wochenende zuvor auf dem Teltower Stadtfest konnte man noch hemdsärmelig draußen hocken.
Was sich in Berlin Oktoberfest nennt, ist nur ein armseliger Abklatsch vom Original. Nun ja, ich bin kein Fan von Rummel oder Kirmes – ich mag es lieber beschaulich. Das Teltower Stadtfest war gerade groß genug. Gestern auf dem zentralen Berliner Festplatz hatten wir in wenigen Minuten unsere Runde vorbei an den Buden und Schaugeschäften gedreht. Man kann sich fragen, ob da die Bezeichnung „Oktoberfest“ nicht etwas irreführend ist. Aber egal, wir fanden ein Plätzchen, wo wir unser Bier trinken und eine Wurst essen konnten. Der „Alleinunterhalter“ spielte recht manierlich die Songs runter und zeigte Humor. Er imitierte den Beifall nach den Musikstücken durch das hektische Drücken irgendeiner Gerätetaste. Es gab nicht all zu viele Zuhörer – außerdem die meisten (noch) zu nüchtern.
Am späten Nachmittag verließen wir die Szene, nicht zuletzt, weil mein Hinterteil kalt geworden war - Zeit, die Wintersachen auszupacken.


Wir fuhren Riesenrad auf dem Teltower Stadtfest:







Wir lauschten dem "Alleinunterhalter" auf dem Oktoberfest:



Sonntag, 11. Oktober 2015

Steine find` ich gut, aber Menschen sind scheiße!


Zehn nach Sieben gehe ich aus dem Haus. Beim Queren des Parks zur U-Bahnstation spekuliere ich darüber, ob mir die U-Bahn vor der Nase wegfährt und ich auf die nächste warten muss. Es ist noch morgendliches Dämmerlicht, mir begegnen Jogger und andere Frühaufsteher. Einige Gesichter kenne ich schon. Ich lege einen Zahn zu – dabei ist es absolute Glückssache, ob ich rechtzeitig auf dem Bahnsteig bin. So kann ich mir aber wenigstens nicht vorwerfen, getrödelt zu haben. Ein kaltes Lüftchen weht. Inzwischen trage ich Halbschuhe und Socken. Noch vor Kurzem zog mich eine Mitschülerin damit auf, dass ich barfuß und mit Birkenstocks unterwegs war. Ich brauche gut fünf Minuten durch den Park und habe Glück: Auf der Anzeige lese ich, dass meine Bahn in einer Minute fährt. Ich haste die letzten Stufen hoch. Die Untergrundbahn ist eine Strecke lang als Hochbahn unterwegs. Wie ein gelber, metallener Wurm rauscht sie in den Bahnhof ein…
Die Fahrgäste sind in der Hauptsache Schüler und Berufstätige. Mein Blick huscht über ihre Gesichter, und ich stelle Vermutungen an. Die Vielfalt an unterschiedlichen Figuren ist riesengroß. Ich bin derart in Gedanken verloren, dass ich aufpassen muss, nicht zu weit mitzufahren. Außerdem bin ich noch tranig von der Nacht. Die meisten Fahrgäste sitzen (oder stehen) stumm auf ihren Plätzen. Viele tragen Kopfhörer oder spielen mit dem Smartphone.
Der Zugwind erwischt mich, als ich zur Rolltreppe gehe, die mich zurück ans Tageslicht transportiert. Der Verkehr auf der Karl-Marx-Straße ist bereits kräftig am Rollen. Bis zur Schule sind es etwa zehn Minuten Fußweg. Ich marschiere Richtung Sonnenallee, vorbei an einer Obdachlosen, die ihr Nachtlager in einer Mauernische hatte und nun gebückt auf dem Gehsteig steht, eine Zigarette rauchend. Ich schaue auf die Uhr und stelle beruhigt fest, dass ich genügend Zeit habe. An der Ecke zur Sonnenallee verschwinde ich unauffällig in einer Kiezkneipe für ein schnelles Bier. Sie hat rund um die Uhr offen. Manchmal ist dort morgens noch (oder schon – je nach Betrachtungsweise) Halligalli. Aber diesmal bin ich, von einer Gruppe junger Ausländer abgesehen, der einzige Gast – was mir ganz recht ist. Jeanette, die Bedienung, steht gelangweilt hinter der Theke. Sie reicht mir die kalte Flasche, ohne dass ich etwas sagen muss. Die Gruppe von Ausländern ist offensichtlich übernächtigt. Jeanette ermahnt sie mit ihrer Berliner Schnauze, dass sie schlafende Kundschaft nicht duldet. Die Ausländer räumen das Feld. Als sie weg sind, meint sie zu ihrer Kollegin, die die ganze Zeit stoisch an einem Spielautomaten saß: „Ich hasse die Menschen – Steine find` ich gut, aber Menschen sind scheiße!“ Ich trinke die Flasche aus und lege ein Zweieuro-Stück auf die Theke. „Tschüss!“ „Tschüss, mein Süßer!“ ruft mir Jeanette hinterher. Da stehe ich schon auf der Sonnenallee und warte auf eine Lücke im Verkehr, um über die Fahrbahn zu kommen. Es ist kurz vor Acht. Vier Doppelstunden EDV stehen mir bevor – von dem Hühnerstall ganz abgesehen...

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