david ramirer - 24. Jul. 14, 16:21

da alles in ständiger veränderung ist (der betrachter eingeschlossen) kann ein "in- und auswendiges" (oder auch nur "sehr gutes") kennen einer sache immer nur eine momentaufnahme sein, wohlgemerkt ist aber auch dieser moment eventuell sehr lange, jahrelang.

das in- und auswendige kennen einer sache findet man sehr oft in der kunst, weil künstler naturgemäß ihre werke sehr gut kennen müssen, über jedes detail rechenschaft abgeben können, und dennoch oft zu ihren werken eine innige beziehung haben, die mitunter mit der liebe zu einem kinde vergleichbar ist.
und dennoch: auch kunstwerke verändern sich gegenüber ihren künstlern, führen ein eigenleben, entfernen sich, nähern sich, werden fremd - oder mit den jahren noch besser bekannt.

ich denke, dass es mit allen anderen dingen ganz ähnlich ist.

bonanzaMARGOT - 24. Jul. 14, 16:31

die summe ist mehr als die anzahl seiner teile. so sehe ich z.b. bei einem kunstwerk oder bei jedem hergestellten objekt. der künstler, macher oder konstrukteur kennt das objekt naturgemäß sehr gut, aber das fertige ding ist eben etwas ganz eigenes.
etwas "eigenes" spannt für sich eine neue welt auf ...
selbstverständlich verändert man sich als betrachter und liest z.b. ein buch anders im abstand von mehreren jahren. wir stehen psychologisch in einer sich wandelnden beziehung zur welt.
wenn ich etwas zu gut zu kennen meine, verliert es an reiz. ich stelle mir z.b. einen menschen vor, mit dem ich tag für tag viele stunden verbringe - da kann schon so etwas wie ein sich gegenseitig anöden geschehen.
david ramirer - 24. Jul. 14, 16:39

ich verstehe sehr gut, was du meinst. gerade bei menschen, die man sehr gut kennt bzw. zu kennen meint, sind es meineserachtens gerade diese veränderungen, die oft nur ganz unmerkliche kleine veränderungen sind, über welche man dann hinweggeht, die aber gerade wesentlich sind, wenn man das anöden nicht geschehen lassen will.
das bild wandelt sich - ständig; von selbst, aber auch durch den blick, den man ihm schenkt.
das selbe gilt für menschen.
bonanzaMARGOT - 24. Jul. 14, 16:43

die frage ist auch: verändert sich etwas nur oberflächlich oder auch in seinem wesen. oder: wann werden veränderungen wirklich wesentlich? auf sich selbst bezogen: bin ich heute noch der, der ich vor 20 jahren war? bzw.: was an mir ist noch "ich"? oder wurde ich ganz ein anderer, und nur die erinnerung verbindet mich mit dem früher?
david ramirer - 24. Jul. 14, 16:49

ich frage mich das auch oft.
es scheint einen wesenskern zu geben, der sich nicht verändert, der quasi das "zentrum" unseres selbst bildet, und rund um diesen wesenskern haben wir unsere eigenschaften angeordnet, unsere irrtümer, unsere spiegel, unsere fenster, unseren glauben. durch bestimmte ereignisse (und eigene entscheidungen & erkenntnisse!) können diese teile unseres selbst verändert werden, teilweise sehr radikal, oder umgruppiert. unser "tiefes innere" wird davon nur periphär verändert. für außenstehende können solche veränderungen enorm sein, wir selbst sehen ja immer noch uns selbst und beziehen alles auf dieses "tiefe innere", das immer weitergeht.

je näher man einem anderen menschen kommt, desto mehr erahnt man dieses "tiefe innere" des selbst, und das ist gar nicht einfach, weil die außenliegenden anteile oft den blick verstellen, vernebeln.

erkennen braucht zeit - das gilt für sich selbst, aber auch für andere.
bonanzaMARGOT - 24. Jul. 14, 16:58

ich denke, dass der "bauplan" die identität ausmacht. bei lebewesen ist es der genetische code. ich bin ich, weil ich damals wie heute dieselben gene habe.
wer den bauplan kennt, hat den tiefsten einblick in eine sache.
selbst die veränderungen wie z.b. der alterungsprozess sind bereits im bauplan enthalten. wir können uns auch charakterlich oder psychologisch nur im rahmen unseres genetischen codes entwickeln. es bleibt dennoch allerhand spielraum - sonst wäre das leben ja todlangweilig - womit wir wieder bei den anfangsfragen wären. würde uns das leben noch gefallen, wenn wir alles von uns wüßten - unter umständen sogar die zukunft?
bonanzaMARGOT - 24. Jul. 14, 17:22

ich weiß nicht, inwieweit das mit der tiefe eine vorspiegelung ist. wenn ich so in der welt umschaue, entdecke ich nicht sehr viel tiefe, bzw. tiefsinn. dafür entdecke ich viel oberlächlichkeit, manipulation und lüge.
die meisten menschen sind sich ihres eigenen handelns nur eingeschränkt bewusst. ich begegne mehr einer "eingebildetheit" von allem möglichen. und in dieser tun sich die menschen in gruppen zusammen und fechten dumme glaubenskriege aus.
aber nun, das sind allgemeine betrachtungen.
in der beziehung zu einem menschen muss ich mir auch die frage stellen: will ich ihn näher oder tiefer kennenlernen? muss ich mich zu tode langweilen?
david ramirer - 24. Jul. 14, 21:52

das mit der tiefe ist ja auch nur ein bild - ich habe nicht von "untiefen" gesprochen, sondern von einem kern, der eben "tiefer" liegt als das oben liegende, das außen seiende.
wie tief das innere ist: keine ahnung.

wie fühlst du selbst diesbezüglich?
gibt es dieses innere in dir?
bonanzaMARGOT - 25. Jul. 14, 14:48

ich würde sagen, dass es einen psychischen körper gibt - wir können die inneren organe nicht sehen, und wir spüren sie nur bei krankheit, aber sie funktionieren ... sie produzieren gefühle, kreativität, gedanken ...
ich weiß nicht, ob es einen kern gibt. oder nennen wir es seele. ich weiß es nicht.
dieses gefühl, ein "ich" zu haben, sich selbst zu identifizieren, ist eine absurde spiegelung.
"tiefer" komme ich nicht.

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