Sonntag, 13. Juli 2014

TV-Tipp:

Anstatt Endspiel poetischen Realismus: "Der Loulou", 21 Uhr 45, ARTE

Wir werden verlieren!


Gerade erwischte mich der erste Sonnenstrahl durch das geöffnete Fenster gleichermaßen als Erleuchtung hinsichtlich des abendlichen geschichtsträchtigen Spiels zweier großer Fußballnationen gegeneinander. Wie betäubt taumelte ich an meinen Schreibtisch und kann nun nicht an mich halten, meine prophetische Erkenntnis auf mein Blog zu bannen – wie einst Lew Kopelew seinen berühmten Roman titelte „Aufbewahren für alle Zeit“! Ja, man muss manche Dinge unbedingt niederschreiben und für die zukünftigen Generationen konservieren. Wie soll sich der Mensch sonst weiterentwickeln? Und sowieso der Deutsche Fußball? Ich glaube, dass der Fußball gar nicht weiß, wie mächtig er tatsächlich ist, wie viel er den Menschen bedeutet – gerade den Deutschen, die vor einigen Jahrzehnten unter dem Trainer Hitler auszogen, die Welt zu erobern … Und heute in dem geschichtsträchtigen Jahr 2014, nachdem die Welt mehrmals nicht unterging, kann das Unglaubliche passieren: Deutschland erobert die Welt mit dem Fußball! Es ist ja so was von überfällig! Hinterher wird man von Grönland bis Australien einheitlich ausrufen: „Wir sind Deutschland!“
Allein ich glaube es nicht. Nein, ich glaube es nicht. Tut mir leid. Nein, nein, wirklich nicht. Da war diese Fuck-Erleuchtung vorhin, und die flüsterte mir was anderes. Ich will nun wirklich niemandes Vaterlandsstolz verletzen. Gott bewahre! Es ist, wie es ist. Die Erde dreht sich nun mal um die Sonne und nicht umgekehrt – auch wenn es anders aussieht. Auf das Spiel heute Abend übertragen meine ich: Die Deutschen werden eine ähnliche Klatsche erhalten wie die Brasilianer im Halbfinale. Der Druck auf den Spielern wiegt einfach zu schwer, auch wenn sie ihn gerne als Konzentriertheit oder Fokussierung kleinreden. Ich kenne die Deutsche Seele wie meine Westentasche. Sie hat ein großes Maul, und im entscheidenden Moment knickt sie kläglich ein. (Genaugenommen gilt das für alle Nationen.) Deutschland verschoss sein Pulver im Halbfinale. Argentinien kann beruhigt die Deutschen kommen lassen, um sie mit ihrem fulminanten Messi gnadenlos auszukontern.
So wird`s geschehen, der messianische Sonnenstrahl an diesem düsteren Tag gab es mir ein.
Na ja, der Spätzle-Esser Jogi Löw wird trotzdem Bundestrainer bleiben – das mal zum Trost.

Mal sehen, wer wen nass macht


Nun ist er da, der Tag der Tage, an dem die deutsche Fußballequipe zum vierten Weltmeistertitel aufspielen kann. Just als ich diese Worte schreibe, wird es finster draußen, und ich höre ein tiefes, bedrohliches Donnergrummeln. Kurz darauf öffnen sich die Schleusen des Himmels, und Regen macht nass, was schon seit Tagen nass ist.
Ich will keine Prognose wagen. Seit Tagen verfolge ich die Reden der Fußballspezialisten. Deutschland sollte gewinnen. Aber natürlich dürfen wir die argentinische Mannschaft nicht unterschätzen, und außerdem haben die doch den Messi.
Wir? Also, ich spiele nicht mit. Gott sei Dank. Ich kann mich noch gut erinnern, wie uns die Altenpflegelehrer das „Wir“ ausreden wollten. Und sie hatten ja recht. Wir gehen nicht ins Bett oder aufs Klo. Es ist nur der Bewohner, dem ich dabei helfe. Trotzdem verfällt man verdammt leicht in dieses „Wir“, als würde es die Sache irgendwie erleichtern. Ich weiß nicht. Genauso doof finde ich Schlagzeilen wie „Wir sind Papst“ oder „Wir sind Weltmeister“. Einen Teufel sind wir! Natürlich wünsche ich der deutschen Mannschaft für heute Abend alles Gute. Ich bin Deutscher ohne Wenn und Aber. Ich freue mich für sie, wenn sie ein Tor schießen, und ärgere mich mit ihnen, wenn sie eins kassieren. Doch dieses affige Wir-Getue geht mir auf den Geist, ebenso das Fahnengeschwenke und überbordende Gejohle.
Gern werde ich mir das Spiel in Gesellschaft anschauen, aber ungern stehe oder sitze ich inmitten einer Herde von Halbaffen, die ständig skandieren: „Wir werden Weltmeister!“

Nach wie vor schüttet es wie aus Eimern. Es ist ein Naturschauspiel. Ich öffne das Fenster und rufe hinaus: „Wir regnen!“ Ein krachender Donner übertönt mich.

ein literarisches Tagebuch

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