Der Franzose
Er setzte sich neben mich an die Bar im Café Petit Paris. Es waren außer uns nur wenige Gäste zugegen. Er unterhielt sich mit der Bedienung, und als ich eine Bemerkung machte, wandte er sich mir zu. Er hatte einen französischen Akzent, sprach aber einwandfrei deutsch. Wie ich im Laufe des Abends erfuhr, war er Franzose, hatte Deutsch studiert und arbeitete als Dolmetscher. Erst redeten wir über Mietverhältnisse und die Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden. Die Bedienung suchte gerade für sich und seine Familie eine Wohnung in Heidelberg. Der Franzose mochte um die Fünfzig sein, glattrasiert, schick gekleidet, die Haare zurück gekämmt und zu einem Mini-Dutt geknotet. Das sah lustig aus und verlieh ihm den Flair eines Künstlers. Ich weiß nicht mehr, wie wir das Thema wechselten. Irgendwann sprach ich jedenfalls die Unruhen in den Banlieues französischer Großstädte an, woraufhin mir der Franzose die gesamte französische Kolonialgeschichte herunter betete, - vor allem die von Algerien, um mir das Verhältnis der Franzosen zu den eingebürgerten Nordafrikanern zu erklären. Es war ein bisschen viel Info auf einmal für mich, aber ich hörte interessiert zu und versuchte zwischendurch immer mal wieder einen Bezug zur Gegenwart zu finden. Der Franzose war gebildet – wahrscheinlich hatte er auch Geschichte studiert. Als dieses Thema abgehandelt war, erzählte er mir von seiner Scheidung und dem neuen Glück, das er gefunden hatte. Er zog ein Foto seiner neuen Liebe aus der Tasche und zeigte es mir. Ich sah eine sehr hübsche Frau mit intelligenten Gesichtszügen und verstand sein Glück. So hatten wir fast zwei Stunden verplaudert. Währenddessen hatte der Franzose ein Bananenweizen getrunken. Ich trank wie immer dunkles Hefeweizen. Keine Ahnung, wie oft ich nachbestellte. Ich wollte ihn zum Abschied noch nach seinem Namen fragen, doch dann ließ ich es. Wir reichten uns die Hand und bekundeten unsere gegenseitige Hochachtung. Die meisten Deutschen seien, sagte er, politisch ziemlich uninteressiert, und deswegen fand er es erfreulich, auf einen Menschen wie mich gestoßen zu sein. Dieses Lob schwächte ich natürlich gleich ab, indem ich meinte, dass meine politische Bildung gemessen an seiner ziemlich bescheiden ausfiele. Beinahe eröffneten wir noch einen Diskurs über Bildung und Intelligenz.
Ich blieb alleine zurück an der Bar und bezahlte gleich darauf. Die letzten Einkäufer eilten durch die dunkle Fußgängerzone. Es war kurz vor Acht. Bei Mc Donalds holte ich zwei Cheeseburger zum Mitnehmen und hastete zum Taxistand. Es war scheiß kalt. Der Taxifahrer freute sich über die Fahrt. Ich schätze, er war einer dieser Akademiker, bereits in die Jahre gekommen, der keine Anstellung auf seinem Fachgebiet gefunden hatte. Wir kamen leicht ins Gespräch.
bonanzaMARGOT
- 07. Feb. 12, 11:32
- Die Arschwischmaschine hat frei
ja, ich mag die franzosen auch. also, die meisten. ich muss solche aussagen immer relativieren, weil es sicher auch genug arschlöcher unter den franzosen gibt. aber es sind ihre mentalität und ihr erfrischendes temperament, was meiner deutschen seele ab und zu gut tun. land und leute prägen eben schon. ich unterhalte mich gern mit interessanten menschen. es ist mir erstmal völlig wurscht, woher sie kommen.