Basel


Schon mal eine Ameise beobachtet, wie sie hin und her krabbelt? Aber letztlich findet sie ihren Weg, ihre Richtung. So ähnlich funktioniert das gesamte Leben. Nur wir Menschen denken, wir seien eine Ausnahme. Jedenfalls denken wir das oft. Wir wollen uns nicht eingestehen, dass wir auch nur herumirren. Das gilt für den Einzelnen genauso wie für Nationen oder die gesamte Menschheit.
Ich erzähle der Taxifahrerin, dass ich mit dem Zug nach Basel fahre. „Kennen Sie dort jemanden?“ fragt sie. „Ja“, antworte ich. Der Morgen ist schön, der Himmel blau, wunderbares Reisewetter. Die Fahrt zum Bahnhof dauert etwa zwanzig Minuten. Wir sprechen über die vielen schönen Städte, die zu einem Tagesausflug einladen. Die Taxifahrerin meint, dass sie viel zu selten solche Ausflüge macht; schließlich könne man nicht wissen, wie lange man dazu noch in der Lage sei. Ich stimme ihr zu und nenne einige schöne Ausflugsziele, um ihr den Mund wässrig zu machen; aber ich merke schon, dass sie das wahrscheinlich nie in die Realität umsetzen wird. Es ist ein schöner Morgen zum Träumen. „Mein Mann ...“, sagt sie und seufzt. Tja.
Am Bahnhof sehe ich eine Menge Ameisen mit Reisegepäck hin und her laufen. Ich sitze auf dem Bahnhofsvorplatz in der Sonne, trinke ein Bier und warte auf meinen Zug.
Basel. Wie lange war ich nicht in Basel? Und warum? Ich weiß, warum. Weiß ich wirklich, warum?
Nein. Schon bin ich im Zug. Ich habe reserviert. Ich döse auf meinem Platz – Karlsruhe, Offenburg, Freiburg. Und plötzlich stehe ich auf dem Bahnsteig am Badischen Bahnhof, als wäre ich dorthin gezaubert worden.
Wir treffen uns am Rhein. Ich kann es nicht glauben. Wir sitzen am Ufer, wir gehen spazieren. Es gibt einiges zu erzählen. Die Zeit verstreicht. Wir sind zwei Ameisen, die nebeneinander durch die Stadt laufen. Erinnerungen, Wolken, Wasser … Vieles streift mich. Ich bin froh, dass wir uns in die Augen sehen. Zwischendurch fallen dicke Tropfen vom Himmel.
Das Leben ist ein unerklärlicher Traum. Kann man in einem Traum noch träumen? Die Tränen steigen mir oft in die Augen. Dann der Abschied. Wir hatten einen schönen Tag in Basel. Ihr geht es gut. Ihren Kindern geht es gut. Sie ist eine stolze Frau, eine gute Mutter. Mir fehlen die Worte. Ich werde auch nicht die richtigen Worte finden. Ich bin in der Tram. Mein Zug zurück geht halb Elf vom Badischen Bahnhof. Zwei Uhr bin ich zuhause.
Hier. Genau hier. Ist es wirklich mein Zuhause? Es ist meine kleine Ameisenhöhle. Ich grinse. Die Sonne scheint auch heute. Aber anders.




am Rhein




Spaziergang an der Wiese




Abschied

Meral (Gast) - 09. Jul. 13, 20:46

sehr schön geschrieben. und die schöne Stadt Basel.. :-)

bonanzaMARGOT - 10. Jul. 13, 07:06

danke meral

ja, eine schöne stadt mit guten menschen.
perlentaucherin - 10. Jul. 13, 09:33

schön. du bist eine mutige ameise...

bonanzaMARGOT - 10. Jul. 13, 13:14

mutig fühle ich mich nicht gerade.
diefrogg - 13. Jul. 13, 22:10

Sehr schöner Beitrag!

Mit grossem Genuss gelesen! Darf ich als Schweizer Ameise nur eins anmerken: Es heisst "das Tram", und also "im Tram". Sorry für die Pingeligkeit...

arboretum - 13. Jul. 13, 22:24

In der Schweiz mag das so sein, da verwendet man ja auch kein "ß". ;-)

In Deutschland heißt es jedoch eindeutig "die" Tram, als Kurzform von Trambahn.
bonanzaMARGOT - 14. Jul. 13, 08:46

das tram in der schweiz, und die tram in deutschland, uff!
da habe ich die qual der wahl.
vielleicht dann im nächsten beitrag "das tram".

freut mich, dass dir der beitrag gefiel, diefrogg.

danke arboretum für den hinweis.
diefrogg - 14. Jul. 13, 10:53

Ja, aber in Basel...

ist es dann doch eindeutig "das Tram" - wenn sich sogar "s'Drämmli"!
bonanzaMARGOT - 14. Jul. 13, 11:02

klar. kein widerspruch. aber muss ich das nun übernehmen?
hm. vielleicht wegen der authentizität? auf der anderen seite bin ich aber deutscher und sage "die tram". was ist da nun authentischer? wem oder was soll ich mehr gewicht geben: mir als deutschem oder der tatsache, dass ich in basel unterwegs war?
aus meinem blickwinkel ist es "die tram". möglicherweise würde ich nach einer weile in basel auf "das tram" umschwenken. und nach noch einer größeren weile würde ich vielleicht sogar "drämmli" sagen.
diefrogg - 14. Jul. 13, 13:01

Kluge Frage!

Ich kann dazu nur sagen: Als Schweizerin bin ich in diesem Zusammenhang heikel. Wir haben ja hierzulande viel Erfahrung mit Zuzügern aus dem Grossen Kanton (und der Kulturflaneur und ich konnten sie bei unserer Deutschlandreise eben vertiefen).

Deutsche betrachten die Schweiz oft etwas von oben herab. Sie finden unser Deutsch niedlich und schwanken dann zwischen freundlicher Herablassung und Anbiederung. Wenn sie sich anbiedern wollen, sagen sie zum Beispiel "Grützi" statt "grüezi". Wir mögen Herablassung UND Anbiederung nicht besonders, aber die misslungene Anbiederung mahne ich aus Prinzip an. Da ich davon ausging, dass "das Tram" in Deutschland in der Regel "die Strassenbahn" heisst, ging ich zunächst von einer misslungenen Anbiederung aus. Sorry. Natürlich können Sie ihre gerne Tram behalten ;) Sie müssen einfach wissen: Wenn Sie das im Zusammenhang mit Basel tun, wird das Leserin Frogg immer merkwürdig hereinkommen.
bonanzaMARGOT - 14. Jul. 13, 13:25

ich bin nicht besonders heimatbesessen, frau frogg. drum ist es mir eigentlich scheißegal, entschuldigung, ob es "das" oder "die" tram irgendwo heißt.
aber ich ging gern auf die anmerkung von ihnen/dir ein.
sprachen/dialekte fließen. auch kultur und regionen fließen. grenzen fließen. menschen kommen und gehen. darunter sind ausländer - in der schweiz wie in deutschland gleichermaßen.
wichtig ist nur, dass man sich verständigt und nicht aus einer maus einen elefanten macht.

als ich drei jahre regelmäßig nach basel kam, fühlte ich mich auch nicht gerade als deutscher von den einheimischen angenommen. ich konnte meine herkunft schlecht verstecken ...
und ich bin sicherlich nicht arrogant aufgetreten.

ich habe nichts gegen die schweizer(innen). im gegenteil.
diefrogg - 14. Jul. 13, 15:35

Bitte um Entschuldigung,

wollte Sie nicht attackieren - und schon gar nicht aus einer Maus einen Elefanten machen.

bonanzaMARGOT - 14. Jul. 13, 15:47

Ich fühle mich nicht attackiert. Da gehört mehr dazu.
Aber du neigst evtl. zur Herumzickerei?
diefrogg - 14. Jul. 13, 15:50

Ich weiss nicht, ob ich...

zur Herumzickerei neige. Ich habe um Entschuldigung gebeten. Reicht das nicht?
bonanzaMARGOT - 14. Jul. 13, 15:55

Ich kapiere nicht, was es von deiner Seite zu entschuldigen gäbe.
Meral (Gast) - 14. Jul. 13, 18:48

die oder das Tram. es ist egal. es gibt tausende unterschidliche Worete ziwschen DE und CH Deutsch..
Der Text ist sehr schön. Das ist das wichtigste meint eine andere Schweizerin.. (neulich).. :-)

bonanzaMARGOT - 14. Jul. 13, 18:57

Mir ist nur wichtig, dass wir ehrlich bleiben.
Ich liebe ehrliche Menschen.

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