Ein wonniger Donnerstag

Ich sehe immer noch bescheuert aus. Spätestens beim rasieren komme ich um den Blick in den Spiegel nicht herum. Manchmal frage ich mich, wie es die anderen Menschen aushalten, bis an ihr Lebensende ihr Spiegelbild zu ertragen. Einige können sich gar nicht satt daran sehen. Mit meinen Unterarmen und Händen bin ich ganz zufrieden - gut so - denn die habe ich beim Tippen ständig vor Augen.
Aber dann gibt`s da mein Gesicht, aus dem ich rausgucke. Okay, alle Menschen tragen Gesichter, das relativiert es wieder ein wenig. Was denkt zb. die Fleischereifachverkäuferin, wenn sie mir die Buletten über die Theke reicht? Denkt sie: "Die Buletten passen gut zu seinem Gesicht"? Oder denkt sie: "Was für ein adretter, junger Mann"?
Nein, ich habe keinen Minderwertigkeitskomplex. Den verbietet mir mein Verstand. Aus den Reaktionen meiner Mitmenschen lese ich ab, dass ich nicht so häßlich sein kann, wie ich mich manchmal fühle. Wahrscheinlich habe ich einfach zu hohe Ansprüche.
Ihr wollt mein Gesicht sehen?
Ich bin doch nicht plemplem! Eure Reaktionen wären doch jetzt verfälscht. Es ist äußerst unklug den Publikumsjoker zu nehmen, nachdem man eine Einschätzung äußerte. Mein Gott, ich stelle mir vor, ich säße Günther Jauch bei "Wer wird Millionär" gegenüber; und Millionen von Menschen würden im TV mein Gesicht sehen ... . Ich würde sterben!
Ehrlich. Selbst der Umstand, dass Günther Jauch auch bescheuert aussieht, könnte mich nicht davon abhalten.
Spätestens bei der 500 Euro Frage kippte ich vom Stuhl - und Jauch würde ständig sagen: "Was hat er denn? Was hat er denn? Mein Gott, was hat er denn?! ..."

Um`s rasieren werde ich nicht rumkommen, denn ich verlasse nie unrasiert das Haus. Eigentlich ein wonniger Donnerstag heute. Es wäre schade, wenn ich ihn bei Jefferson Airplane zuhause verschlonze. Die sind schon gut, die Jefferson Airplane. Also, den ganzen Mut zusammennehmen, und mich das eine Mal am Tag dem Spiegel stellen ...
Freni - 11. Okt. 07, 20:32

Spiegelbild

Der dich im Spiegel anschaut ist nicht der selbe, der so gute und schöne Geschichten schreibt. Du identifizierst dich über das schreiben. Wozu dann der Blick in den Spiegel. Und außerdem heißt es ja nicht umsonst SpiegelBILD. Es sind nur die äußeren Merkmale, die am Ende völlig unwichtig sind. Oder?

Nun ja und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Menschen dich nur wegen deiner Geschichten mögen.

Bis dann!

bonanzaMARGOT - 12. Okt. 07, 12:02

Freni,

ich nehme mich mit dem Text ein wenig selbst auf die Schippe mit meiner Scheu und Selbstablehnung.
Noch schlimmer ist es, wenn es um Photos von mir geht.

F.
AmarettazuBlaue - 11. Okt. 07, 20:56

Unrasiert

Ich kenne solche Tage auch, möchte zwar sehen aber nicht gesehen werden.Verschleiern ist zu auffällig, doch Sonnenbrille optimal.
Gruß
Amaretta

bonanzaMARGOT - 12. Okt. 07, 12:04

Sonnenbrille,

gute Idee, Amaretta, eine mit ganz großen, dunklen Gläsern. Wenn ich nicht so eine Abneigung gegen Bärte hätte, würde ich mir einen Vollbart wachsen lassen. Sonnenbrille und Vollbart - perfekt!

F.
virago - 11. Okt. 07, 21:34

Das ist

bestimmt das Lästigste daran, ein Mann zu sein. Rasieren geht ja wohl nicht ohne Spiegel.
Ich glaube, ich würde mir einen Dreitagebart wachsen lassen, wenn ich miesepetrig drauf wäre. Mindestens. Ungefähr so wie Columbo.
Und dann würde ich in den Spiegel gucken und fragen: He, was macht dieser zerknautschte Typ da in meiner Wohung? Was denn, rasieren soll ich den auch noch? Kommt nicht in Frage!

bonanzaMARGOT - 12. Okt. 07, 12:06

Rasieren geht schon

ohne Spiegel. Aber das ist lästig und unsauber. Wenn ich mich aufs Rasieren konzentriere, ist der Blick in den Spiegel nicht gar so schlimm.

F.
schreiben wie atmen - 12. Okt. 07, 13:01

Was soll ich sagen?

Bei uns auf dem Land geht der Spruch:
"Schönheit vergeht, die Hektar bleiben"
Doch, doch, ich lebe gerne in dieser noch immer hier und da bäuerlich geprägten Gesellschaft.
In deinem besonderen Fall, cher Felix, muß es vielleicht heißen: "Schönheit vergeht, Geschriebenes bleibt"
Das führt uns natürlich ganz zwanglos zur Schönheitsdiskussion die schon auf einem anderen Blog geführt wird.
Trotzdem hier nochmal:
Die Schönheit liegt im Auge der Betrachterin/ des Betrachters.
Spiegel und die überall anzutreffende Normierung von egal was ist ohnehin eine Erfindung mitten aus der heißesten Haupthölle.

Die alte Saeckin

bonanzaMARGOT - 12. Okt. 07, 13:13

Danke,

deine Worte sind honigsüßer Trost in meinen Ohren.
"Schönheit ist vergänglich, die Hektar bleiben" - ich würde sogar sagen: "Schönheit ist vergänglich, die Kubikhektar nehmen zu!"

Die wahre Schönheit ist sowieso die des Herzens. Also wenn ich das als Altenpfleger nicht weiß, dann ...

Gruß
F.

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