Für die alte Säckin

Ausschnitt aus Romano Guardini "Vom Sinn der Schwermut":

"... Du freundlicher Geist, der du diese Stätte bewohnst, ich danke dir, dass du meine Stille allzeit umfriedigtest; ich danke dir für jene Stunden, die ich an meiner Erinnerung spinnend hier zubrachte; ich danke dir für dies Versteck, das ich mein eigen nenne! Da wächst die Stille, wie die Schatten des Nachmittags wachsen; da wird das Schweigen immer tiefer, wie unter einer beschwörenden Zauberformel. Gibt es etwas so berauschendes wie die Stille? So rasch der Trinker den Becher an die Lippen führt: der Wein berauscht ihn nicht so rasch wie mich die Stille, die mit jeder Sekunde wächst. Und dieser Becher Weins, ist er nicht wie ein Tropfen, verglichen mit dem unendlichen Meer des Schweigens, aus dem ich trinke? Und wiederum, was ist so flüchtig wie dieser süße Rausch? Ein Wort nur, und du fällst aus allen Himmeln: ein Erwachen schlimmer als das Erwachen des Trunkenen, wenn er ernüchtert ist. Du bist ganz versunken und hast die Sprache vergessen: da zerreißt einer den Zauber, und du stehst da und schämst dich der Laute, die du hervorbringst ..."
(1928)
schreiben wie atmen - 02. Okt. 07, 19:50

Danke

Ich bin aufs Angenehmste berührt.
"...und schämst dich der Laute die du hervorbringst..."
Ja. Wer vermag sich mit dem Vollkommenen zu messen? So vergeht unser Leben im Ungenügen. Trotzdem finden wir Momente der Heiterkeit, Sekunden der Bewußtheit und die kleinen Verstecke in denen wir im Abglanz des Vollkommenen uns selbst ganz nahe kommen. Eine Ahnung steigt auf, eine Ahnung davon, wie wir gemeint sind und wie sie aussieht, die vollkommene Form in die uns hineinzuentfalten unsere Aufgabe ist.

Ich grüße Dich bon.

bonanzaMARGOT - 02. Okt. 07, 22:37

Du sagst es.
schreiben wie atmen - 03. Okt. 07, 22:53

Jepp

bonanzaMARGOT - 04. Okt. 07, 14:35

Die Vollkommenheit

sehen wir überall. Es ist der Ausdruck schlechthin - das Leben, die sich gestaltende Form. Was die Menschen jeweils in ihren Kulturen für vollkommen erachten, in ihrem Gefühl von Ästhetik und Spiritualität, ist marginal.
Ich glaube an eine Kunst, die alle Zeiten überdauert, weil sie eben nicht künstlich ist sondern ein "Dazu" in der Welt schafft.
Die Bewußtheit ist die eigentliche Kunst, nicht das Produkt. Das Erzeugnis, das Werk ist nicht mehr als ein Fingerabdruck.
Der fernöstliche Philosoph redet vom Tao.
Du sagst: "Schreiben ist wie Atmen".

Yep.

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