Alles relativ
Ich habe das Gefühl zu wachsen, aber wenn ich mich unter den Türrahmen stelle, bin ich nicht größer als vorher. Vielleicht wird die Welt außerhalb (des Türrahmens) kleiner. Oder es liegt daran, dass die meiste Kleidung inzwischen in China hergestellt wird. L ist dort wahrscheinlich bereits XXL. Nein, es liegt wirklich nicht daran, dass ich breiter wurde. Etwas vielleicht. Aber wie lässt sich z.B. erklären, dass die Ärmellängen immer kürzer werden? Was ziehen – verdammt noch mal! - Leute an, die größer als ich sind, - also 1,90 m und mehr?
Eigentlich dachte ich immer, dass man im Alter schrumpft. Aber alles ist eben relativ, wie der geniale Einstein bereits vor zehntausend Jahren feststellte. Vater und Mutter schrumpfen wirklich. Das sehe ich, wenn ich sie alle hundert Jahre besuche. Mein Gott, sind die alt geworden!
Scheiße, ich sollte sie unbedingt mal wieder besuchen ...
Hoffentlich verzeihen sie mir. Ich habe eben nur bedingt Lust auf meine Mitmenschen. Gestern in der Post z.B. hielt eine alte Dame unsagbar lange den Schalterverkehr auf. Die Warteschlange ging bis hinaus auf den Gehsteig, und zog sich mittlerweile bestimmt einen halben Kilometer lang bis zum Ortsschild. Ich hatte das Glück, dass die Schlange, als ich ankam, erst bis zum Eingang der Post reichte. Die alte Dame interessierte es einen Kehricht, dass sie den ganzen Betrieb aufhielt. Sie erzählte dem netten Schalterbeamten inzwischen alle ihre Sorgen. Ich hörte es. Und außerdem weiß ich aus erster Hand, wie einem alte Menschen den letzten Nerv rauben können, indem sie bei jedem Problem ihre ganze Lebensgeschichte anfügen.
Ja, ich weiß, ich arbeite im Altenheim. Ich sollte doch viel geduldiger und verständnisvoller gegenüber den Alten sein. Ehrlich, bin ich auch, also meistens … im Altenheim, aber in der freien Wildbahn sozusagen – puh!
Die Post hatte ich nach geschätzten einigen Jahrzehnten schließlich hinter mir. Als ich hinaus auf die Straße trat, sah die Welt total verändert aus. Unbedingt musste ich eine aktuelle Zeitung lesen … Aber vorher war noch Einkaufen im kleinen städtischen Supermarkt angesagt. Ich kaufe nie viel ein. In meinem Einkaufswagen liegen höchstens fünf oder sechs verschiedene Produkte. Ich sage jetzt nicht welche. Nein, sage ich nicht!
Also, ich stand inzwischen in der Schlange vor der Kasse. Sie haben dort zwei Kassen. Ich stehe also da und überlege gerade, ob ich noch Fishermans Friends brauche, da ruft die Kassiererin: „Zweite Kasse öffnen!“ Beglückt gehe ich an die freie Kasse und lege schon mal mein Zeug auf das Laufband. Eine alte Dame, die sich vordrängeln wollte, schaute ich nur kurz an, und sie stellte sich brav hinten an. Ich muss wirklich furchterregend wirken. Manchmal jedenfalls. Und außerdem wachse ich ja noch …
Da ruft eine Supermarktaushilfskraft aus dem Hintergrund: „Geht im Moment leider nicht!“ Mir war sofort klar, dass dieser Hinweis der Aufforderung der Kassiererin gegolten hatte, die zweite Kasse zu öffnen. Nach ein wenig Bedenkzeit fragte ich: „Kommt hier noch jemand?“ „Nein, tut mir leid“, antwortete die Kassiererin. Also packte ich meine Sachen wieder in den Wagen und reihte mich brav zurück in der anderen Schlange ein. Ein paar der dort Anstehenden hatten natürlich alles mitverfolgt und lachten sich jetzt einen Ast. Einige hämische Bemerkungen konnten sie sich nicht verkneifen – wie: „Tja, wer keine Geduld hat.“ Ich machte gute Miene zum bösen Spiel und sagte: „Na ja, ich lasse mich ab und zu ganz gern verarschen.“ Inzwischen öffnete die zweite Kasse doch, und die Anstehenden vor mir meinten höhnisch: „Wollen Sie sich nicht wieder zurückstellen?“
Meine Kalaschnikow hatte ich dummerweise nicht mit, und so ging dieser Einkauf ohne größeres Blutvergießen aus. „Ein bisschen Humor muss man doch haben“, sagte eine ältere bei mir an der Kasse stehende Kundin. Ich grinste breit. Bewies ich nicht zur Genüge, dass ich den habe?
Die Sonne schien, als ich geschätzte zehntausend Jahre älter an die frische Luft trat. Das Kaffeehaus was nur einen Katzensprung weit weg. Viel konnte nicht mehr schief gehen. Obwohl.
2. Ärmel und Hosenbeine sind prinzipiell immer zu kurz. Irgendwann gründe ich eine Firma, die Ärmel und Hosenbeine für NORMAL gewachsene Menschen herstellt. Eine Anti - Pygmäen - Ärmel - Hosenbein - Firma sozusagen.
3. Ja, stimmt, zumindest anrufen solltest Du Deine Eltern mal wieder. Die freuen sich ! So einfach ist das. Glaub es mir ...
4. Ich bin mir sicher, dass die Warteschlange bis an den Neckar gereicht hat. Mindestens. Möglicherweise aber auch bis an den Rhein.
5. Ich weiß, was in Deinem Einkaufswagerl lag ! Ha !
6. Du hast tatsächlich einen furchterregeneden "Alte - Damen - Verscheuchungsblick". Vor allem am Morgen. (Bibber...)
7. Werde ich Dich nach diesem Alterungsprozess noch erkennen, wenn wir uns wiedersehen ? Immerhin handelt es sich nach meiner Kalkulation um mindestens 10 020 Jährchen !
8. Kuss
manche leute machen dann yoga ... vielleicht nicht das dümmste.
- ich muss lustig aussehen: denn die ärmel sind meist etwas zu kurz und die hosenbeine zu lang. wahrscheinlich habe ich die statur von einem affen ...
- meine eltern, ich weiß, sie warten auf einen anruf. mist.
- die warteschlange ging gefühlt um die ganze erde.
- du weißt ziemlich viel ...
- ich weiß, dass ich böse blicken kann. ich kann`s mir nur nicht vorstellen, ohne einen lachkrampf zu kriegen.
- keine ahnung, ob du mich noch erkennst. ich reise einfach mit einstein wieder in die vergangenheit, und dann passt`s wieder.
- danke für den kuss.
- kuss
Mein nächstes zeichnen/malen - Projekt könnte in etwa sein:
ein zusammengeschrumpeltes, böse dreinblickendes Menschlein , dem die Hosenbeine zu lang und die Ärmel zu kurz sind und das gerade einen schrecklichen Lachanfall hat.
ich habe nichts gegen affen. sowieso nichts gegen tiere.
ich bin ein tier. dass ich mich mensch nenne, ist eine dumme sprachliche und kulturelle angewohnheit. mitnichten hat das menschsein etwas mit hervorragender intelligenz oder sowas zu tun. eher im gegenteil, wenn man intelligenz unabhängig von menschlichen leistungsfähigkeiten definiert.