Die Rückreise


Das polnische Bier hatte ich in besserer Erinnerung. Auf der Rückfahrt saß ich die meiste Zeit im Restaurantwagen und ließ mich von den günstigen Preisen dazu verleiten, ein tellergroßes Schnitzel zu essen. Ganz gegen meine Gewohnheiten schon am Nachmittag. Ich glotzte aus dem Zugfenster auf die vorbeihuschende Landschaft und hatte nebenbei einen lustigen Wortwechsel mit Nadine auf ihrem Blog. Die Zugfahrt verging wie bei der Hinreise relativ zügig. Nur war ich viel zu früh am Posener Hauptbahnhof gewesen und musste mich dort stundenlang rumdrücken. Irrigerweise hatte ich angenommen, dass ich am Bahnhof ein paar Dosen Bier kaufen könne – trotz Ostersonntag. Aber alles war verrammelt außer Mc Donalds und einem Café, wo es keinen Alk gab. Ich musste darben, bis mein Zug kam. Die Polen sind überhaupt ziemlich rigide in Sachen Trinken in der Öffentlichkeit. Als ich am Marktplatz an einem Brunnen sitzend eine Dose Bier süffelte, wurde ich sofort von einem Ordnungshüter ermahnt. Saufen war nur in den Lokalen und Biergärten erlaubt. Kein Wunder, dass bei diesen Zuständen so viele polnische Penner nach Berlin kommen.
Was für ein wunderbares Osterwetter! Ich erhaschte einen Blick auf die gigantische Christus-Statue bei Schwiebus. Jesses Maria, dachte ich bei mir, die spinnen doch die Polen. Was soll das!? Genauso gut kann man das freilich von anderen Völkern sagen. Nehmen wir z.B. die Reaktion der Franzosen beim Brand ihrer geliebten Notre Dame. Was für Heulsusen! Diese Ergriffenheit gegenüber einem irrwitzigen Monument kirchlicher Machtgeilheit…
Das Schnitzel machte mich mehr als satt. Träge schlappte ich zurück zu meinem Abteil, in dem inzwischen die Reisenden gewechselt hatten. Ein Großvater mit seinem etwa 12-jährigen Enkel saßen mir gegenüber. (Könnte aber auch der Onkel oder gar der Vater gewesen sein.) Sympathischer Typ. Er erzählte dem Jungen von seiner Odyssee ohne Geld nach Sizilien und zurück, als er mit smarten Fünfzehn von Zuhause ausgerissen war. Er sprach leise, aber ich kriegte doch ziemlich viel mit und wurde so auch zum gespannten Zuhörer. Vor meinem geistigen Auge sah ich die Abenteuer, die er zu bestehen hatte, die Menschen, denen er begegnete, gute Zeitgenossen, die ihm eine Wegstrecke lang zur Seite standen, aber auch miese Typen, die ihn ausnutzten und verfolgten… Beinahe schade fand ich es, als der EC den Ostbahnhof erreichte. Ich hätte gern weiter seinen Erzählungen gelauscht. Der Zug sollte noch bis Hauptbahnhof fahren, musste aber längere Zeit warten, bis ein Gleis frei würde. Meine Mitreisenden stiegen aus, weil sie fürchteten, ihren Anschlusszug nicht mehr zu kriegen. Ich war bereits am Ziel. Jedenfalls so gut wie. Schließlich hielt es mich auch nicht mehr im Abteil, und ich wechselte in eine S-Bahn. Ein süffiges Berliner Pils am Alex musste sein.

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