Der Leidensweg eines Mannes


Der Leidensweg eines Mannes in Form einer Aufzählung, notiert von einem defätistischen Naturell während der Midlife-Crisis:

Ungefragt gezeugt – neun Monate Einzelhaft – zur Geburt gezwungen – geschockt vom Licht der Welt – die Flasche bekommen – geschrien wie am Spieß – früh gesessen, spät gesprochen – von der Schule Abwechslung erhofft – von der Schule und den Paukern bald frustriert – schüchtern, vor allem zu Mädchen – Pickelgesicht – mäßige Schulnoten – den Alkohol entdeckt – zurück zur Flasche – die erste Liebe, die zweite, dritte, vierte... - der erste Liebeskummer, der zweite, dritte, vierte... - die ersten Berufserfahrungen – Kneipenabende – keinen Plan – keinen Glauben – Wehrersatzdienst im Altenheim – geschockt fürs Leben aber dabeigeblieben – Alkoholproblem - Studium – Kneipen statt Vorlesungen besucht - Arbeit weg – Führerschein weg - Sozialhilfe – Alkoholtherapie – abgebrochen – zurück in die Altenpflege - halbwegs Fuß gefasst – das Internet für die Gedichte entdeckt – als Nachtwache gearbeitet – Frauen, Frauen, Frauen – vielleicht beziehungsunfähig – in die Jahre gekommen – noch immer keinen Plan – die Eltern gestorben – die Arbeit geschmissen – nach Berlin gezogen – noch mal verliebt – gefühlt ein Wrack...

Der Mann, inzwischen Anfang Fünfzig, saß am Schreibtisch in seiner Berliner Wohnung. Er bewunderte die Energie und den Optimismus seiner Partnerin. Immer wieder richtete sie ihn auf. Bestimmt hat sie mich bald satt, dachte er und schaute hinaus auf das regennasse Pflaster der Straße. Kaum aufgestanden, war er bereits wieder müde. Seine Glieder schmerzten vom Nichtstun. Er ging zum Kühlschrank und holte sich ein Bier. Er stierte auf den Bildschirm seines Computers. Früher fielen ihm die Gedichte leichter ein. Was gab es noch zu schreiben? Wo sollte das alles enden? Er hatte Glück gehabt mit dieser Frau, die hübsch anzusehen war, erst Mitte Dreißig. Es machte ihn traurig, dass er ihr so wenig genügen konnte. Sie hatte was besseres verdient.
Wenn sie nachher nach Hause kommt, sollte er sich zusammenreißen und sie anlächeln, - aufs Bett werfen und glücklich machen. Ja, verdammt! Er liebte sie! Der Mann schloss seine Augen, fuhr sich mit der Zunge über die spröden Lippen. Mit seiner defätistischen Einstellung versaute er sich am Ende noch die besten Tage...

SpezielesKänguru (Gast) - 01. Jun. 15, 14:50

warum das präteritum und plusquamperfekt?
ich bin sehr glücklich mit dir, du!!..
alles andere nachher - wenn ich nach hause komme.

bonanzaMARGOT - 01. Jun. 15, 14:56

der mann schaut auf sein leben..., als wäre alles schon vergangenheit. natürlich ist es das nicht. er will sich aus dieser sichtweise befreien... wenigstens für heute.

ich freue mich auf dich!
SpezeillesKänguru (Gast) - 01. Jun. 15, 15:05

ich liebe dich!

bonanzaMARGOT - 01. Jun. 15, 15:06

rrrrrrrrrrrrr!!
Lange-Weile - 01. Jun. 15, 15:14

Veränderungen

Hallo Bo.,

eine drastische Veränderung im Leben verändert nicht nur das Umfeld, sondern auch das Innenleben und damit auch die Gedanken, die nun andere Bahnen und manchmal kann man an alte Denkgewohnheiten nicht mehr anknüpfen.

Ich stelle jetzt eine Frage, die mich schon etwas länger beschäftigte, als in diesem Moment. "Warum verwehrst du dir die Freiheit, glücklich zu sein?"
Diese Frage stelle ich nicht nur dir, sondern auch mir des öfteren.

Manchmal machen wir Menschen uns das Leben schwer, weil wir die Leichtigkeit nicht zulassen können.

LG La We


SpeziellesKänguru (Gast) - 01. Jun. 15, 15:16

eben - da kann ich nur zustimmen!
bonanzaMARGOT - 01. Jun. 15, 15:29

eine gute frage, lawe. philosophisch wie speziell..., wobei sich bei mir das nicht einfach trennen lässt.
ich möchte keinen blödsinn reden...
persönliches glück ist keine sache des erfolgs oder des glücks in der liebe.
mein leben hätte unglücklicher verlaufen können. das ist mir bewusst. ich danke gott oder dem schicksal, dass ich bisher ganz gut davon kam.
besonders danke ich meiner gegenwärtigen liebe. ich weiß nicht, wer sie zu mir schickte. ja, manchmal hadere ich damit im sinne von segen oder fluch...
aber das sollte ich besser lassen, denn sie ist natürlich ein großer segen für mich!

es fällt mir schwer, mein glück zu akzeptieren, weil ich ein ungläubiger mensch bin. ich... ich würde gern glauben, aber ich kann nicht. ich sehe darum das leben oft einfach rational... bzw. im kontext der irrsinnigkeit; denn ist es nicht absolut irrsinnig, dass es überhaupt etwas, - dass es uns gibt?

ich bin ein relativ schwermütiger mensch. aber jetzt gleich treffe ich mich mit o., und wir gehen zusammen einkaufen - für heute abend...
ja, ich sollte glücklicher sein!!
Lange-Weile - 03. Jun. 15, 00:06

alter Trampelpfad

Hallo Bo,.,

gedanklich bist du noch einmal den alten vertauten Trampelpfad gelaufen, doch diesen wirst du mit Sicherheit immer seltener nutzen. Der Unterbau für den neuen Weg ist schon fertig und der neue Weg wird befestigt.
Schon allein, dass du deine alten Gewohnheiten nicht mehr nachgehen kannst, deine Freundin dir wenig Zeit für deine Schwermut lässt - sie sollte ja nicht ihre Rivalin sein - wird auch eine Umbau in der Gedankenwelt nach sich ziehen.

Ein Blick zurück oder noch einmal den alten Pfad entlang ist nicht verkehrt.. so kann man für sich immer noch einmal deutlich machen, dass man auf den richtigen Weg ist, den man grade eingeschlagen hast.Irgendwann wird der alte Pfad verwuchert sein.

Wie du weißt, glaube ich nicht an Zufälle, ja, vielleicht hat sogar deine Mutter vom Himmel herab dich auf den neuen Weg gebracht ;-) und dieser war nur mit einer Partnerin möglich. Mütter leiden immer etwas, wenn ihre Söhne nicht glücklich sind.

Lebt der Mensch allein, kultiviert er allzu gern seine Gewohnheiten, auch wenn sie nicht die besten sind, ihn sogar gefangen halten.

Gewohnheiten sind wie Seil, die den Menschen im Leben Halt geben, werden es zu viele und sie winden sich zu einem festen Strick, dann können die den Bewegungsrahmen des Menschen einschränken. ;-)

LG La We

bonanzaMARGOT - 03. Jun. 15, 11:33

ich wünsche mir, dass meine mutter im himmel mit nachsicht auf mich schaut...

ich stehe im großen und ganzen zu meinem leben. dann und wann hatte ich ein paar schutzengel. sicher hätte ich mehr leisten können - aber das ist nicht meine natur. ich bin eben ein fauler sack.

die pause von der altenpflege war überfällig - und der ortswechsel auch.
in wie weit die neuen lebensbedingungen nun mein leben insgesamt beeinflussen, bleibt abzuwarten.
mein bierchen werde ich sicher nach wie vor trinken.
Rettich (Gast) - 02. Jun. 15, 16:17

Ja, ich bin hier auch angelangt. Ich weiß, du hast mich nicht gerufen, trotzdem bin ich hier - weil mich jemand anderer zu dir gerufen hat.

Leidensweg eines Mannes. Lebensweg. Was zählt, ist das gelebte Leben. Und da steckt bei diesem Typ eine Menge Erfahrung darin. Hat er sich diese Schätze aus seiner Biografie schon bewusst gemacht ?
Was hat er gelernt vom Leben, als er in der Kneipe saß, statt in den Vorlesungen? Da steckt doch was drin, dass für den Typ (über)lebenswichtig war, denn sonst hätte er diese Erfahrung gar nicht gemacht. Was ist daraus gewachsen, dass er die Alkoholtherapie abgebrochen hat? Welche Erfahrung hat er daraus mitgenommen?

Ich habe den Eindruck, der Typ spürt, hört und sieht viel, das anderen Menschen nicht (mehr) auffällt. Und er leidet, wo andere längst abgestumpft oder abgestorben sind. Er fühlt es! Er erlebt es, was in dieser Gesellschaft schief läuft.
Er hält ihr den Spiegel vor.

bonanzaMARGOT - 03. Jun. 15, 11:37

hallo alter rettich, schön, dass du es so siehst.
darf ich fragen, wer der andere jemand ist, der dich zu mir rief?
KarenS - 02. Jun. 15, 16:31

ich hasse ratschläge, daher von mir nur ein kleiner tipp: du brauchst eine aufgabe!

ist zwar ganz nett, mal eine weile "auszuruhen" aber dann sollte wieder etwas getan werden.

ohne ziel, keinen weg, und ohne weg kein ziel.

alles gute.

Klugscheißer II. (Gast) - 02. Jun. 15, 21:33

sollte dieser ratSCHLAG als aufforderung zu erwerbsarbeit aufgefasst werden, ist er bullshit.
die aufgabe, die sich bomo stellt, ist offenbar schreiben.
und wer sagt, dass arbeit glücklich machen muss? dann dürfte es ja nur unglückliche pensionisten geben. ich kenne jedenfalls keinen einzigen ...
bonanzaMARGOT - 03. Jun. 15, 11:39

hm. aufgaben sind nicht so mein ding. ich weiß natürlich, was du meinst, karens.
bonanzaMARGOT - 03. Jun. 15, 11:44

hallo klugscheisser II.
stimmt, ich bin froh, dass ich eine zeitlang der tretmühle erwerbsarbeit entfliehen kann.
leider werde ich früher oder später wieder in den sauren apfel beißen müssen. die termine bei der agentur für arbeit und das dahinschmelzende geld auf dem konto erinnern mich daran.
iGing (Gast) - 02. Jun. 15, 21:23

Ich lese das als ein Stück Prosa, ohne den persönlichen Bezug allzusehr zu strapazieren. Und als solches finde ich es reichhaltig, nachdenkenswert, kurzum: gut.

bonanzaMARGOT - 03. Jun. 15, 11:47

danke iging. du hast recht - ausserdem schrieb ich den text mit einem zwinkernden auge, gewissermaßen ironisch.
KarenS - 02. Jun. 15, 22:00

Klugscheisser

du machst deinem Namen alle Ehre. Gratuliere *ggg

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