Montag, 1. Juni 2015

Der Leidensweg eines Mannes


Der Leidensweg eines Mannes in Form einer Aufzählung, notiert von einem defätistischen Naturell während der Midlife-Crisis:

Ungefragt gezeugt – neun Monate Einzelhaft – zur Geburt gezwungen – geschockt vom Licht der Welt – die Flasche bekommen – geschrien wie am Spieß – früh gesessen, spät gesprochen – von der Schule Abwechslung erhofft – von der Schule und den Paukern bald frustriert – schüchtern, vor allem zu Mädchen – Pickelgesicht – mäßige Schulnoten – den Alkohol entdeckt – zurück zur Flasche – die erste Liebe, die zweite, dritte, vierte... - der erste Liebeskummer, der zweite, dritte, vierte... - die ersten Berufserfahrungen – Kneipenabende – keinen Plan – keinen Glauben – Wehrersatzdienst im Altenheim – geschockt fürs Leben aber dabeigeblieben – Alkoholproblem - Studium – Kneipen statt Vorlesungen besucht - Arbeit weg – Führerschein weg - Sozialhilfe – Alkoholtherapie – abgebrochen – zurück in die Altenpflege - halbwegs Fuß gefasst – das Internet für die Gedichte entdeckt – als Nachtwache gearbeitet – Frauen, Frauen, Frauen – vielleicht beziehungsunfähig – in die Jahre gekommen – noch immer keinen Plan – die Eltern gestorben – die Arbeit geschmissen – nach Berlin gezogen – noch mal verliebt – gefühlt ein Wrack...

Der Mann, inzwischen Anfang Fünfzig, saß am Schreibtisch in seiner Berliner Wohnung. Er bewunderte die Energie und den Optimismus seiner Partnerin. Immer wieder richtete sie ihn auf. Bestimmt hat sie mich bald satt, dachte er und schaute hinaus auf das regennasse Pflaster der Straße. Kaum aufgestanden, war er bereits wieder müde. Seine Glieder schmerzten vom Nichtstun. Er ging zum Kühlschrank und holte sich ein Bier. Er stierte auf den Bildschirm seines Computers. Früher fielen ihm die Gedichte leichter ein. Was gab es noch zu schreiben? Wo sollte das alles enden? Er hatte Glück gehabt mit dieser Frau, die hübsch anzusehen war, erst Mitte Dreißig. Es machte ihn traurig, dass er ihr so wenig genügen konnte. Sie hatte was besseres verdient.
Wenn sie nachher nach Hause kommt, sollte er sich zusammenreißen und sie anlächeln, - aufs Bett werfen und glücklich machen. Ja, verdammt! Er liebte sie! Der Mann schloss seine Augen, fuhr sich mit der Zunge über die spröden Lippen. Mit seiner defätistischen Einstellung versaute er sich am Ende noch die besten Tage...

ein literarisches Tagebuch

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