Sonntag, 5. August 2018

Brasko und die geklauten Minuten


II


„Kennen Sie den größten Schatz zwischen Himmel und Erde?“
„Gesundheit und ein langes Leben, schätze ich…“
„Freilich, Mr. Brasko, fraglos. Ich meine aber etwas anderes, was wir gemeinhin vollkommen verkennen.“
Brasko genehmigt sich einen großen Schluck Bier. Der Sandmann und er sitzen im Halbschatten unter einer großen Pergola. Der Biergarten liegt am Rande einer größeren Parkanlage der Großstadt. Vis-à-vis eine Hochbahntrasse, auf der zitronengelbe Züge in aller Regelmäßigkeit vorbeirattern, um schließlich im Häusermeer zu verschwinden. Gewöhnlich tummeln sich viele junge Menschen und Familien auf dem Parkgelände, nehmen ein Sonnenbad, üben sich in Akrobatik oder spielen ausgelassen Frisbee, Basketball… Bei der aktuellen Hitzewelle ist der Bewegungstrieb allerdings gemindert, die Menschen suchen den Schatten und die Erfrischung. Brasko genießt den Augenschmaus, der sich ihm darbietet. Er liebt die schönen Körper und frischen Gesichter. Er liebt die Vielfalt der menschlichen Erscheinung. Er liebt interessante Menschen.
„Ist Ihnen klar, wie einzigartig jede Minute unserer Existenz ist?“ fährt der Sandmann in seiner Rede fort, „und wie kostbar – wie ungeheuer kostbar?! Denken Sie an die schönsten Momente Ihres Lebens, wie schnell sie unwiederbringlich vorbei sind. Es bleiben nur Fotos und Videos - immer blasser werdende Erinnerungen. Alles verschwindet auf Nimmerwiedersehen im großen Schlund der Vergangenheit. Wie nun, wenn man das ein oder andere konservieren oder zurückholen könnte, nicht nur als Bild- oder Videodatei, sondern 1:1 durch ein Wundermittel wiedererlebbar - vollkommen authentisch? Wäre es nicht fantastisch gerade in schlechten Zeiten, sich zu den besten Minuten seines Lebens quasi zurückzu…beamen, zurück zu den glücklichsten Momenten in der Liebe, zurück zu seinen größten Erfolgen…?“
Brasko starrt in Gedanken versunken auf eine Frau, die am Getränkestand ansteht. Eine interessante Erscheinung. Sie hat die richtige Mischung aus Natürlichkeit und Ästhetik, leicht verdorben in ihrer Haltung, aber ohne vulgär zu wirken.
„Ja, Fantastisch!“
„Nicht wahr?! Und nun halten Sie sich fest, dieses Wundermittel existiert! Keine Alchemie, alles wissenschaftlich fundiert. Ich weiß, es ist schwer zu glauben. Aber ich habe es probiert! … Mr. Brasko?“
„Ja. Äh, entschuldigen Sie, Mr. Sandmann. Es klingt wirklich unglaublich, was Sie mir da berichten. Eine Essenz, die uns längst Vergangenes vollkommen authentisch wiedererleben lässt – habe ich Sie da richtig verstanden?“
„Absolut, absolut. Aber können Sie sich auch vorstellen, was das bedeutet?“
Brasko registriert, dass die Frau seines Interesses zwei Bier zu einem wartenden männlichen Gast trägt. Sie stellt die Bier ab und küsst den Mann. Brasko wäre gern an seiner Stelle.
„Na ja, ich denke, falls zutrifft, was Sie sagen, dann wird daraus ein Riesengeschäft.“
„Sehen Sie, und das ist der springende Punkt. Man klaute mir 10 Minuten! Die wichtigsten Minuten meines Lebens! Unglaublich kostbar in meinen Augen, und außerdem blätterte ich ein kleines Vermögen dafür hin. Mr. Brasko, Sie sind meine letzte Hoffnung. Bringen Sie mir diesen Schatz zurück! Ich bitte Sie eindringlich…“
Brasko fasst die Sache für sich gedanklich zusammen: Irgendjemand braut in geheimen Labors ein Wundermittel, das einem Vergangenes angeblich wieder 1:1 erleben lässt und verscheuert diese Tinktur an leichtgläubige Superreiche zu einem horrenden Preis.
„Okay, Mr. Sandmann, ich bin Ihr Mann, aber vorher liefern Sie mir bitte einen Beweis, dass dieses Wundermittel auch wirklich funktioniert.“
„Kein Problem – ich organisiere das. Überlegen Sie sich in der Zwischenzeit, an welcher Minute Ihres Lebens Sie es testen wollen. Sie werden überrascht sein.“

Samstag, 4. August 2018

TV-Tipp

"James Dean - Ein Leben auf der Überholspur", 20 Uhr 15, Servus TV

Brasko und die geklauten Minuten


I


Er erlebt den heißesten Sommer, an den er sich erinnern kann. Früher hätte er sich den noch gewünscht, einen Sommer, wie gemacht für die Liebe, einen Sommer, wo man jeden Tag raus an den See fuhr und erst spät abends zurückkehrte. Am Ende war man brutzel-braun gebraten und schlank vom vielen Schwimmen und Herumtoben im Freien…
Brasko schlappt gebeugt in die Küche und reißt das Fenster auf. Noch ist die Lufttemperatur morgendlich lau, das heißt, sie liegt (erst) bei 23° Celsius, 6 Uhr in der Früh. Er füllt in eine Schüssel kaltes Wasser und trägt sie an seinen Schreibtischplatz. Ein bisschen schwappt über den Rand, und er brummelt sowas in seinen Bart wie: „Warum muss man verflucht noch mal alt werden?“
Er fährt den Computer hoch und stellt seine Füße in die Schüssel. Sofort fällt sein Blick auf eine Mail, die als „Wichtig“ gekennzeichnet ist. In der Betreffzeile steht: „Ein Auftrag! Dringend!“ Die Mail war bereits am Abend hereingeflattert, aber da lag Brasko bereits schwitzend in der Heia und träumte von vergangenen Zeiten…
Natürlich kann er wegen der Kohle einen Auftrag gut brauchen. Auf der anderen Seite fühlt er sich so gar nicht nach Arbeit. Ihm ist nach… gar nichts. Genau, Brasko grinst in sich rein und paddelt ein wenig mit den Füßen im kalten Wasser – „Gar nichts, grunz. Trotzdem mal lesen, was da an mich herangetragen wird, haha.“

Sehr geehrter Mr. Brasko,

Sie wurden mir vom Weihnachtsmann empfohlen. Er meinte, Sie seien von den Fußspitzen bis zum Scheitel diskret und hätten ein Faible für ungewöhnliche Fälle. Bitte lassen Sie mich nicht hängen, ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden soll. Am Besten melden Sie sich bei mir, um zeitnah ein Treffen zu vereinbaren. Ich kann Ihnen die Problematik unmöglich per Mail erläutern. Nur so viel: Mir wurden Dinge gestohlen, die mir sehr teuer sind. Verstehen Sie?! Sehr teuer! Es soll ihr Schaden nicht sein, wenn Sie den Auftrag annehmen.

Herzlichst
Sandmann


Brasko ist solche Anfragen von leicht irren aber zahlungskräftigen Kunden gewohnt. Meist kommt er am Ende dabei gut weg. Wenn es nur nicht so heiß wäre. „Scheiß Klimawandel! scheiß Entropie!“ Er stapft mit der Wanne zurück in die Küche und entleert sie über dem Ausguss. Anstatt kaltes Wasser nachzufüllen, greift er sich ein Bier aus dem Kühlschrank.

Donnerstag, 2. August 2018

Welterschöpfungstag


Gestern, am 1. August, war übrigens Welterschöpfungstag.
Mir reicht`s auch. Zeit, dass ich in Urlaub gehe – oder besser noch in Rente.

Mini-Aufheller: „Twoday goes to Antville“. Was auch immer das genau bedeutet. Jedenfalls bleiben die Blogs erstmal wie gehabt bestehen. Irgendwann sollten dann irgendwelche Anpassungen bzw. Modifikationen geschehen. Wir restlichen Twodayler fanden uns längst mit dem Ende der Twoday-Ära ab und packten unsere Koffer. Wir können uns also ganz entspannt zurücklehnen und der Dinge harren, die da kommen.

Ein kurzer Schauer geht nieder. O Wunder! Ich stand gerade in der Küche und traute meinen Ohren nicht. Das hört sich nach Regen an, fuhr es mir durch den Kopf. Oder habe ich eine Erschöpfungs-Halluzination? Tatsächlich, mein Blick auf den Hof verifizierte einen mit nassen Flecken übersäten Boden. Ich reiße das Fenster auf, um etwas von der Frische zu ergattern. Doch schwappt mir lediglich ein schwülwarmer Lufthauch entgegen.

Gestern war also Welterschöpfungstag. Ich empfinde echtes Mitgefühl mit der Welt.

Mittwoch, 1. August 2018

Mittwochs-Zitat


Das wirkliche Leben, meint er, sei ja so anders... Jedenfalls das seine, denkt er: da erkennt man keinen klaren Ablauf und keinen roten Faden, da zerrinnt es einfach, ohne Abschnitt und ohne Tat, die Leidenschaft zerrinnt in eine Stimmung, und auch die Entschlüsse sind wie Sand, der leise durch die Finger rinnt, immer wieder nimmt man eine neue Handvoll, und wenn man sie aufmacht, ist wieder nichts darin geblieben, man ist verzweifelt, und auch das zerrinnt, wie die Hoffnung und der Jubel und der Schmerz und alles, wie das ganze Leben.

(Max Frisch)

Montag, 30. Juli 2018

Parallelwelten




Sonntag, 29. Juli 2018

Abkühlung


Als ich heute Morgen das Fenster aufreiße, strömt eine kühle Brise an mir vorbei in die Wohnung. Wow! … Gleich mal ein paar Kilo Luft saufen. Aber von Luft allein kann man nicht leben nicht. Ich mixe mir also wie gewöhnlich einen Drink und fahre den Computer hoch. Zuerst die Mails: Nichts Neues. Dann die Nachrichten: Ich lese, dass sich die Welt weiterdreht. Viele Artikel klicke ich erst gar nicht an… Ein Asteroid auf Kollisionskurs mit der Erde. Gähn! Einschlag erst übermorgen. Auch sonst nichts Aufregendes. Das Übliche. Menschen sterben. Mal mehr und mal weniger tragisch… Politik und Wirtschaft lasse ich gleich außen vor. Wen interessiert der Scheiß? Dann diese elenden Diskussionen um Özil und seinem Rückzug aus der Nationalelf. Mamma-mia! Soll ich dazu kurz meine Meinung sagen? … Scheiß Fruchtfliegen! Diese versoffenen Biester machen sich an meinen Drink ran! Haut ab! … Wo war ich stehengeblieben? Özil – also ich vermisse ihn nicht. Klar sind wir alle Rassisten. Na ja, außer diesem Präsidenten in der Türkei. Der ist absolut immun gegen… alles, sowieso gegen Faschismus und Rassismus. Ich würde mich auch gern mit dem fotografieren lassen. Wann hat man schon mal die Gelegenheit, sich mit einem solchen Krösus zu zeigen? Apropos: Wohin hat sich eigentlich der Dalai-Lama verpisst? Lebt der noch? Ich fand ihn mindestens so sympathisch wie Erdogan, Putin, Trump, Merkel und Papst Franziskus zusammen. Fast würde ich sagen, er fehlt mir. Ich mochte sein verschmitztes Lachen. Ein echter Teufelskerl, der Dalai-Lama…
Nun haben diese kleinen Biester doch glatt meinen Drink ausgesoffen! Obwohl ich ihn mit einem Bierdeckel abdeckte – wie machten die das? Benutzen die Mini-Strohhalme? Ich muss besser aufpassen und vor allem schneller trinken.

Samstag, 28. Juli 2018

Surfer



Geh nach Hause, egal, wo dein Zuhause ist.
Bleibe hier, egal, wo hier ist.
Viel Glück und Sonnenschein auf all deinen Wegen!
Die Liebe liegt auf der Straße, man muss sie nur aufheben.
Dein Schatten-Lachen wird dir helfen.
Den Teufeln weicht man aus, indem man selbst zum Teufel wird.
Das Leben ist schön.
Man sollte es sich nicht vermiesen lassen.
All das musstest du nicht begreifen,
weil es deine Natur ist.

Geh nach Hause…

Ich denke an die Kraft, die alles zusammenhält.
Und ich denke an die Kraft, die unwiederbringlich
alles auseinanderdriften lässt.
Wie gut balanciert es sich auf einer Kegelspitze?
Wie lange hält die Illusion der Liebe?
Kaum ein Surfer erwischt die perfekte Welle,
die für ihn perfekte Welle,
aber sie bleibt seine Hoffnung.
Eine Zeit lang dachte ich, ich sei nah dran.
Nun von der Brandung an den Strand geworfen,
lecke ich meine Wunden.
Wie kam es dazu?

Geh nach Hause…
aber ich weiß nicht, wo mein Zuhause ist.
Dann bleibe hier…
aber ich weiß nicht, wo „hier“ ist.



(26./27.7.17)

Mehr geht heute nicht


"dont-zink-äbaut-ziss-weiff-änniemohr!"

Mittwoch, 25. Juli 2018

Mittwochs-Ächzen

"Hitzefrei!" ...

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