Dienstag, 1. September 2015

Der erste Schultag


Der erste Schultag. Allein unter sieben Frauen, die jüngste Vierzig, die Ältesten Mitte Fünfzig. Ich gehöre zu den älteren, aber komme mir jünger vor. Ob es den anderen auch so geht? Oder erscheint es mir so, weil die meisten verheiratet sind, zum Teil bereits erwachsene Kinder haben(?) - eine ist bereits Oma.
Die Klassengröße ist angenehm klein. Als einziger Mann fühle ich mich erstmal als Außenseiter. Die Frauen kommen schnell miteinander ins Plaudern. Ich halte mich mit der Kontaktaufnahme zurück.
Der Tag ist sehr warm und schwül. Nach dem Organisatorischen, was uns die Niederlassungsleiterin ausführlich vermittelt, spüre ich bereits, wie meine Konzentration nachlässt, dabei habe ich erst eine Stunde hinter mir. Ich spüre Unsicherheit in mir hochkommen, ob das wirklich das Richtige für mich ist. Ich schaue mir meine Mitschülerinnen an…, die mir noch fremd sind.
Nach der Einweisung durch die Schulleiterin übernimmt für den Rest des Tages (der Unterricht geht immerhin täglich bis 15 Uhr) eine Dozentin, die uns Schüler näher zusammenbringen soll. Sie ist Psychologin, denke ich. Ich vergaß, was sie bei ihrer Vorstellung sagte. Wenigstens finde ich ihre Ausstrahlung sympathisch. Ihre Hauptarbeit besteht darin, uns einfach reden zu lassen, über uns und warum wir hier sind…
Die meisten Mitschülerinnen kommen wie ich aus der Altenpflege – kaputt gearbeitet eben. Über das Thema Pflege wird darum sehr lange intensiv geredet. Jeder versucht seine Erfahrungen einzubringen. Langsam wird die Atmosphäre unter uns lockerer. Trotzdem bin ich froh, als endlich Mittagspause ist, eine halbe Stunde. Zügig marschiere ich zur Sonnenallee, um im Bierbaum ein Bier zu trinken.
Nach der Mittagspause hat niemand mehr richtig Lust. Wir stöhnen unter der schwülen Hitze. Alle haben jetzt Konzentrationsprobleme – außer der Dozentin. Sie schlägt uns für die letzten 90 Minuten ein Spiel vor: „Stadt, Land, Fluss“. Irgendwie muss die Zeit aufgefüllt werden. Immerhin kam es dabei zu ein paar lustigen Wortwechseln – und das sollte wohl auch das Ziel der Übung sein.
Morgen haben wir sie noch einmal, den ganzen Tag lang – ich bin gespannt, was sie dann mit uns vorhat. Der Fachunterricht beginnt erst übermorgen.

Resümee: Am Meisten machte mir das konzentrierte Zuhören und das stundenlange Sitzen Probleme. In der Kneipe zu sitzen ist eben was anderes.
Ich versuche möglichst lange durchzuhalten. Was ist schon ein Jahr?

Sonntag, 30. August 2015

Ende August


Bei der Rentenversicherung meldete sich kein Schwein. Ich versuchte den Reha-Fachberater ans Telefon zu kriegen. Die Schule benötigt noch sein Okay für die Kostenübernahme. Übermorgen geht`s los mit dem Unterricht.
O. ist zurück aus Russland. Ihre Arbeit beginnt bereits morgen. Wir genießen noch mal das Sommerwetter, fahren an den See. Unsere Freizeit wird merklich abnehmen. Vor allem für mich wird sich der Tagesablauf ändern. Vor der Schule selbst habe ich keine Angst, es erfüllt mich nur mit Sorge, wie O. und ich den neuen Alltag meistern, so dass wir noch Zeit für uns haben. O. zerstreut meine Bedenken. Sie hat in solchen Dingen eine wesentlich positivere Einstellung… Nun müssen wir es erst mal auf uns zukommen lassen. O. hat recht. Am Wichtigsten ist doch, dass sie Arbeit in Berlin fand, und es bei mir auch irgendwie beruflich weitergeht.

Nachdem wir gestern auf dem Schlachtensee Ruderboot fuhren, wollen wir heute zur Abwechslung wieder mal zum Wannsee-Bad fahren. Es ist ein wunderbarer Sonntag Ende August. Die Wespen schwirren herum wie verrückt. Die Tage werden merklich kürzer, und das Laub wird sich bald herbstlich bunt verfärben. Mein erster Sommer in Berlin nähert sich seinem Ende.

Samstag, 29. August 2015

TV-Tipp:

"Harold and Maude", 22 Uhr 10, ServusTV

Mittwoch, 26. August 2015

TV-Tipp:

"Mamarosh", 22 Uhr 45, ARD

Dienstag, 25. August 2015

Zeiten ändern sich




11. September 2001, New York




letztes Wochenende am Alexanderplatz

Montag, 24. August 2015

Mein Buch


Die Lebensuhr eines Menschen läuft unweigerlich ab. Sie ist ein Stundenglas, das nicht umgedreht oder neu aufgefüllt werden kann. Der Tod ist absurd. Er bedeutet absoluten Stillstand. Ein Universum hört auf zu ticken, während sich die Welt munter weiterdreht – Business as usual. Müsste nicht alles mit meinem Tod erlöschen? Wurden Welt und Wirklichkeit nicht erst durch meine Existenz zum Leben erweckt? Welche wahnsinnige Illusion von Bewusstsein spielt mir mein Gehirn vor?
Eine Stubenfliege hat sich zu mir ins Zimmer verirrt. Sie schwirrt kurz vor mir herum, als könne sie meine Gedanken lesen und würde sich darüber lustig machen. Ich lege die Fliegenklatsche griffbereit auf den Schreibtisch. Wer zuletzt lacht, lacht am Besten! Ich starre auf die gekalkte weiße Wand vor mir – die Wohnung ist schön hell. Auf der Wand entstehen Lichtspiele. Die Sonne kam hervor. Der Regen ist noch zu riechen. Als sich die Fliege auf den Schreibtisch setzt, schlage ich zu! (Schluss mit Lustig!) Ich entsorge die tote Fliege durch das gekippte Fenster.
Vielleicht bin ich in einem Buch, und ich lese meine eigene Geschichte. Unwillkürlich fällt mir das Bild einer Hand ein, die sich selbst zeichnet. Das Dasein ist verrückt! Die Liebe ist verrückt! Aber ich bin da, und ich liebe. In mir schlägt ein Herz und pumpt Blut durch meinen Körper, in die unmöglichsten Regionen. Wie konnte das alles entstehen? Und warum?
Ich denke an meine Eltern. Sie sind seit zwei Jahren tot. Sie hatten auch ihre Bücher, in denen sie lebten, und die nur sie wirklich kannten.
Ich denke an Gott, den es sicher gar nicht gibt. Und falls es ihn gäbe, wollte er, glaube ich, bestimmt nicht, dass ich an ihn glaube. Er kennt mich und mein Buch besser als ich selbst. Aber okay, er ist lediglich eine Schimäre.
Ich denke an O., meine Liebe, die wirklich da ist. Sie tauchte vor eineinhalb Jahren auf wundersame Weise in meinem Buch auf, und ein neues Kapitel nahm seinen Anfang. Ich kann es immer noch nicht fassen – ich meine, ich renne irgendwie meiner eigenen Wirklichkeit hinterher. Ich wollte, ich könnte O. jetzt umarmen…
Ich denke an mein Buch, das sicher keine große Literatur ist. Aber einige Sachen darin sind gar nicht so übel. Außerdem ist es noch lange nicht fertig (hoffe ich). Das Ende macht mir Angst.

Sonntag, 23. August 2015

TV-Tipp:

"Die durch die Hölle gehen", 20 Uhr 15, Arte

Samstag, 22. August 2015

Schlachtensee und zurück


Am zweiten Tag als Strohwitwer wagte ich einen Fahrradausflug zum Schlachtensee. Ich hatte wirklich etwas Bammel. Die Stadt erscheint in der Vorstellung wie ein riesiger Irrgarten mit tausend Tücken und Gefahrenstellen. Als Fußgänger kann man es gemächlich angehen lassen, aber als Radfahrer wird man vom Strom des Verkehrs mitgezogen und muss jede Sekunde höllisch aufpassen – auf die Autos, Busse, anderen Radfahrer, die Fußgänger, Baustellen, parkenden Autos, den Bordstein… Verkehrshindernisse jeglicher Art. Man ist ständig im Stress.
Die ersten Kilometer fuhr ich frei Schnauze - ich wusste schließlich die Richtung: bei der Urania links halten, vorbei an kleinen Plätzen und durch kleine Sträßchen bis ich früher oder später wieder an eine der Hauptverkehrsadern stieß, die eine weitere Orientierung zuließen. Ich querte die Lietzenburger Straße, korrigierte meine Richtung, kam auf den Kurfürstendamm – hinein in den brüllenden Verkehrsfluss – und bog in die ruhigere Paulsborner Strasse ab. Von da an ließ es sich ganz manierlich fahren, weil es einen Fahrradweg auf dem Bürgersteig gab. Ruck zuck war ich in Grunewald, kam auf den Hohenzollerndamm, der in die Clayallee mündete. Nun immer der Nase lang nach Zehlendorf, rechts in die Argentinische Allee abbiegen – und ich war schon fast da. Am Mexikoplatz genehmigte ich mir unter „Fossilien“ ein Pils. O. und ich nennen alte Menschen Fossilien, weil sie bereits etwas versteinert aussehen bzw. wirken. (Das ist freilich nicht abwertend gemeint!) Dieses Café am Mexikoplatz scheint jedenfalls ein Fossilien-Treffpunkt zu sein, wo man ganz gemütlich draußen sitzen kann. Ich schaute auf die Uhr und stellte erstaunt fest, dass ich bereits 90 Minuten unterwegs war. Auf der Karte sieht es viel näher aus, und bestimmt gibt es einen kürzeren Weg als den, den ich wählte. Unweit vom Mexikoplatz ist die U-Bahnstation Krumme Lanke, von wo die U3 zum Nollendorfplatz fährt. O. und ich nahmen bei unseren Ausflügen zum Schlachtensee oft diese Fahrmöglichkeit. Ich radelte allerdings nach den Wegweisern (es gibt sie, wenn auch selten) direkt zum Schlachtensee, das heißt, ich kam am S-Bahnhof Schlachtensee an. Den trennt nur eine Straße vom Ufer. Das Ziel war erreicht, und ich musste überlegen, wie ich den weiteren Nachmittag verbringen wollte. Man sitzt dort auf der Terrasse eines türkischen Imbisses auch nicht schlecht; - beim Bier betrachtete ich die vielen Badegäste, die von der S-Bahn zum See hinab strömten, und in mir reifte der Entschluss, mich nicht unter sie zu mischen... Das Bad im Schlachtensee fiel somit ins Wasser. Egal, ich war mit O. schon oft genug im See Baden. Menschenansammlungen schrecken mich einfach ab – vor allem wenn ich allein bin.
Wie also weiter? Ich schwang mich wieder auf meinen Bock, fuhr die Straße am See entlang und bog am Ende in die Spanische Allee ein. Nach der Spinnerbrücke über die AVUS liegt links ein Biker-Treff, wo O. und ich nach dem Bad im Wannseebad abschließend gern ein Bier tranken. Die S-Bahnstation Nikolassee ist gleich gegenüber. Was soll ich sagen: auch dort kann man schön im Freien sitzen, Motorräder und Leute betrachten… Der Gerstensaft ist ziemlich günstig: ein (gezapftes) Hefeweizen kostet gerade mal 3 Euro und ein Halber Pils 2 Euro 70! Ich setzte mich in die Sonne und betrachtete mir die Fossilien dort. Unglaublich, wie viele im Alter noch aufs Motorrad kommen. Man kann dazu einige Überlegungen anstellen, doch diese würden, befürchte ich, den Beitrag sprengen.
Das Schöne oder das Dumme an der Zeit, je nach Betrachtungsweise, ist, dass sie für sich ganz ohne Anstrengung vergeht, und man selbst mit ihr älter wird, ganz egal, was man macht oder tut. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir an, dass ich mich langsam auf den Rückweg machen sollte. Ich wollte einen anderen als den Hinweg wählen und konnte schlecht abschätzen, wie lange ich unterwegs sein würde. Am naheliegendsten erschien es mir, rechts in den Kronprinzessinnenweg abzubiegen. Weiter ging es auf der Havel Chaussee, wo ich dann doch noch einen schönen kleinen Strand entdeckte. Ich kühlte mich ab und genoss den Blick zum Wannsee, über den sich langsam die Sonne senkte.





Die Zeit saß mir im Nacken (und außerdem gab es da kein Bier), also radelte ich nach einer kurzen, sinnlichen Verweildauer an diesem wunderbaren Fleck weiter. Es ist eine schöne Strecke durch den Wald, die Havel links liegend, allerdings leicht hügelig, so dass ich zeitweise stramm in die Pedalen treten musste. Als ich die Heerstraße erreichte, öffnete sich vor mir der Schlund der Stadt. Die letzten Kilometer verliefen schnurstracks Richtung Mitte. Es war ein Gefühl, als befände ich mich auf einer langen, langen Zielgerade.
Trotz der Hektik und dem Verkehrschaos in der Potsdamerstraße genoss ich die Vertrautheit und die Nähe meines Zuhauses; - Ironie am Ende meiner Tour: Nachdem ich den Gefahren des Straßenverkehrs entkam und für mein Empfinden alles wunderbar meisterte, hätte mich fast ein halbwüchsiger Fahrradrowdy auf dem Gehsteig vorm Supermarkt über den Haufen gefahren...

ein literarisches Tagebuch

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