Mittwoch, 24. September 2014

TV-Tipp:

"Cern" (Doku), 23 Uhr 20, ARTE

Mittwochs-Weisheit

So verrückt die Welt auch ist - sie funktioniert.

Dienstag, 23. September 2014

Mindestens indirekt


Gestern hatte ich meinen zweiten Termin beim Arbeitsamt. Ein junger Türke, vollkommen integriert, ist mein Arbeitsberater – ein sympathischer junger Mann und Familienvater. Ich blickte immer wieder auf das gerahmte Bild seiner kleinen Tochter, das auf seinem Schreibtisch stand.
Er befragte mich nochmal zu meinen beruflichen Fähigkeiten, ob ich über Grundkenntnisse oder Expertenwissen verfüge. Ein Aspekt lautete „indirekte Pflege“. „Noch nie gehört“, lachte ich, „indirekte Pflege? Was soll das sein?“ Er wisse es auch nicht, sagte er.
Wir besprachen die weitere Vorgehensweise. Ein Termin beim Amtsarzt wird das Nächste sein.
Eine Stunde saßen wir zusammen. Unter anderem ging es um meinen Urlaub, den ich für Oktober und November brauche, und die Krankenversicherung. Es ist noch nicht raus, ob ich eine dreimonatige Sperre kriege, aber es ist anzunehmen. Ich rechnete damit, erst mal ohne Arbeitslosengeld über die Runden zu kommen. Wichtig ist mir, dass mir das Arbeitsamt nicht zu sehr auf die Pelle rückt.

Das Arbeitszeugnis meines Arbeitgebers erhielt ich auch schon. Hier ein Ausschnitt:

„Herr Bonanzamargot hat die ihm übertragenen Arbeiten stets zuverlässig und verantwortungsbewusst erledigt. Mit seiner ruhigen und ausgeglichenen Art, mit Umsicht und Einfühlungsvermögen versorgte Herr Bonanzamargot die ihm anvertrauten Heimbewohner und Heimbewohnerinnen. Gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen sowie den Vorgesetzten verhielt er sich stets höflich, korrekt und zuvorkommend. Des Weiteren zeichnete er sich durch Pünktlichkeit, Engagement, durch Einsatzbereitschaft aus. Er war bei Mitarbeitern und Bewohnern beliebt.“

„Wenn dir was missfällt, streiche es an, und ich ändere es“, sagte der Pflegedienstleiter. Wer kennt sich mit diesen Formulierungen aus? Stecken darin versteckte Botschaften, die mich schlecht aussehen lassen? Oder soll ich meiner PDL vertrauen?
Scheiß drauf. Es wird schon stimmen. Mindestens indirekt.

Noch zwei Nachtwachen am folgenden Wochenende, und ich bin ein „freier Mann“. Nach 20 Jahren. Wenn man aus dem Knast kommt, muss es so ähnlich sein. Da ist keine echte Freude, obschon ich Erleichterung spüre. Das Altenheim wurde zu einer Art Zuhause in dieser langen Zeit. Die Gefühle sind zwiespältig. Ich erinnere mich an mein Abi, als ich der ungeliebten Schule ade sagte und mich trotzdem nicht wirklich freuen konnte. Wir soffen uns halt die Köppe zu. Das war`s. Abhaken. Den Paukern den blanken Arsch raus strecken.
- Und jetzt? Erstmal Urlaub machen. Den Kopf frei kriegen. Das Leben lieben, und die neue Freiheit genießen!

Samstag, 20. September 2014

Gedanken am Rande der Nacht


Letzte Nacht trat ich des öfteren auf die Terrasse des Altenheims und blickte in den Sternenhimmel. Die Mondsichel stand scharf im Osten. Ich schaute in die unendliche Anzahl leuchtender Punkte über mir. Die Vorstellung von der Größe des Universums überwältigte mich. Mein Verstand konnte es nicht fassen. Obwohl das Gefühl von der Winzigkeit des Menschen gegenüber der Größe des Weltalls bereits tausendmal beschrieben wurde, bleibt es ein Faszinosum – ich musste immer wieder hoch in den Nachthimmel schauen, der die Unbegreiflichkeit der Welt und des Lebens widerspiegelt. Vielleicht ist der ganze Raum auf eine merkwürdige Art gefaltet, dachte ich, so dass die riesigen Entfernungen nur eine Illusion unserer Sichtweise auf die Welt bedeuten …
Im Aufenthaltsraum flimmerte der Fernseher. Unwillkürlich lauschte ich nach verdächtigen Geräuschen, ob es irgendwo im Haus polterte oder ein Bewohner schrie. Manchmal schreckte ich durch den merkwürdigen Laut eines Tieres auf, den ich aber im ersten Moment für das Rufen eines Bewohners hielt. Das Dorf schlummerte sanft in der Dunkelheit, umgeben von bewaldeten Berghängen. Ein paar Nachtschwärmer störten die Ruhe ...
Die Sterne des Nachthimmels erschienen mir wie aus einer anderen Welt. Vielleicht wundern sich die Sterne über uns ebenso wie wir uns über sie.

TV-Tipp:

"B. B. King: The Life of Riley" (Doku), 22 Uhr 10, ARTE

Donnerstag, 18. September 2014

Nächtlicher Besuch


Die Tochter einer Bewohnerin ruft mich im Nachtdienst an. Sie fragt, warum ihre Mutter nicht ins Krankenhaus kam. Ich berichte ihr, was ich über den Vorfall weiß. Es ist meine erste Nacht. Vor drei Tagen stürzte die neunzigjährige Frau. Ein Schlaganfall war nicht auszuschließen. In Absprache mit den anderen Angehörigen – die alte Frau hat noch eine Tochter, welche die Betreuerin ist, und auch einen Sohn - ; also in Absprache mit diesen Angehörigen und dem Hausarzt wurde von einer Krankenhauseinweisung abgesehen. Ihre Mutter solle nicht noch gequält werden und in ihrer vertrauten Umgebung sterben, sagte die Tochter, ein Patiententestament würde bei unserem Heimleiter vorliegen. Nun bekomme ich diesen Anruf von ihrer Schwester, die Ärztin ist, und nach ihrer Mutter fragt, die es ungeheuerlich findet, dass ihre Mutter nicht ins Krankenhaus kam. Mir ist schnell klar, dass die Kommunikation zwischen den Schwestern schwer gestört sein muss. Ich kenne sie beide nicht. Ich sage, dass ihre Mutter schlafe, und dass es ihr den Umständen entsprechend gut gehe. Aus meiner Sicht gäbe es momentan keinen Handlungsbedarf.
Wenig später klingelt das Telefon, und ich habe die andere Tochter am Apparat. „Auf keinen Fall ins Krankenhaus!“ sagt sie mir. Ich höre mir geduldig ihre aufgeregten Ausführungen zu ihrer Schwester an, die sich jahrelang nicht kümmerte und sich jetzt plötzlich einmische. Ich bekunde mein Verständnis und beruhige sie, dass ich ihre Mutter nicht einfach ins Krankenhaus schicken werde. „Sie können mich jederzeit anrufen“, sagt sie.
Die alte Frau schläft indes wie ein Stein. Eine Kochsalzlösung läuft ein. Die Geschichte beschäftigt mich, aber nebenbei habe ich über vierzig andere Bewohner nächtlich zu betreuen und pflegen.
Es ist Mitternacht, als die Türglocke geht. Erstere Tochter und ihr Mann wollen die Mutter sehen. Ich führe sie zum Zimmer. „Es ist schwierig, hierher zu kommen“, sagen sie. „Ja“, meine ich, „das Altenheim liegt etwas abgelegen.“ Zu Dritt stehen wir am Bett der alten Frau. Die Tochter erwähnt wiederholt, dass sie und ihr Mann Ärzte seien. Ich bitte sie, ihre Mutter schlafen zu lassen. Der Mann hat einen Fotoapparat dabei. Ich rufe die andere Tochter an und informiere sie über den nächtlichen Krankenbesuch. „Wollen sie mit ihrer Schwester sprechen?“ Nach wenigen knappen Sätzen reicht sie mir das Telefon zurück.
Ich bin ziemlich genervt – lasse mir aber (hoffentlich) nichts anmerken. Ein paar Klingeln von Bewohnern lenken mich ab. Schließlich verlässt das alte Ärzteehepaar die Szene. Sie sehen ein, dass jetzt nichts zu machen ist. Ich wünsche ihnen einen guten Nachhauseweg.

Die Nacht geht in die zweite Runde. Business as usual: eine Bewohnerin, die sich mit Kot verschmiert, ein verpinkeltes Bett, ein Mann mit Chorea Huntington, der durch sein Zimmer poltert und gefüttert werden will, ein paar zu wechselnde Windeln ...

Mittwoch, 17. September 2014

Mittwochs-Weisheit

Die Spitze des Berges ist nur ein Umkehrpunkt.
Reinhold Messner

Dienstag, 16. September 2014

TV-Tipp:

"The Help", 0 Uhr 50, ZDF

Sonntag, 14. September 2014

TV-Tipp:

"Und dann der Regen - También la Lluvia", 23 Uhr 5, Tele 5

Leicht ist es aber nicht


Die Realität ist ein Traum, und wir nennen es Leben. Die Realität wiegt unendlich schwer. Man muss sich die Summe aller Scheiße vorstellen, die je geschissen wurde, dann kommt man auf das Gewicht der Realität.
„Packe den Stier bei seinen Eiern!“ sagt eine nackte Schöne, welche mir der Wind zuwehte.
„Aber ich finde sie nicht!“ rufe ich verzweifelt.

Der Tag liegt in meinem Bett und schnarcht. Er lässt mir keinen Platz. Ich schaue ihn mit gläsernen Augen an. Die Zimmerdecke verwandelt sich in den Himmel. Die Sonne versteckt sich im Obergeschoss.
Meine inneren Organe singen im Chor: „Kein schöner Land in dieser Zeit“. Es klingt noch ganz gut, nur die Leber sorgt für ein paar Misstöne.
Eigentlich hasse ich Volkslieder.

Ein paar wenige Sonnenstrahlen dringen durch die Decke, auch auf mein Bett mit dem schnarchenden Tag. Es ist mal wieder Sonntag. Wen wundert`s?
Ich erhebe mich und gehe ein paar Schritte. Ich gehe ein paar Schritte irgendwohin.
Zu einem Paar Augen irgendwo, zu einem schlagenden Herzen, zu den Sternen im schwerelosen Raum.
Ich male mir einen Stier und packe ihn bei seinen Eiern …
„Wer sagt`s denn – geht doch.“
„Jep. Leicht ist es aber nicht.“

Freitag, 12. September 2014

Treppenwitz der Evolution


Heute Morgen im Halbschlaf dachte ich, was für eine wunderliche Sache die Evolution doch ist, da sie den Menschen hervorbrachte, der nun über seine Existenz und die Evolution sinniert. Ist das nicht irre? Im TV liefen Dokus über die Dinosaurier und urzeitliche Monster-Wildscheine. Was wäre eigentlich, wenn wir keine Worte hätten, dies alles festzuhalten? Was ist ein Bewusstsein ohne Worte? Kann man sich an die Welt derart gewöhnen, dass man sich nicht mehr wundert – über gar nichts? Ich komme in meinem Leben gar nicht aus dem Wundern heraus. Nur zu funktionieren, ist mir viel zu profan. Manchmal habe ich wirklich das Gefühl, ich wäre ganz dicht dran und es würde mir wie Schuppen von den Augen fallen. Wie heute Morgen im Halbschlaf – und nun hat der Tag das Gefühl weggespült, wie der Sog des Meeres Strandgut wieder verschluckt. Nur ein wager Abdruck bleibt. Wo kommen wir Menschen her? Was treibt uns hier um? All die Anstrengungen … im Getriebe von Politik, Gesellschaft und Industrie, das ganze Hin und Her um einen Platz an der Sonne … unsere Freizeitaktivitäten, unsere Bedürfnisbefriedigungen … und dazu Mord und Totschlag, Irrsinn in Religionen und Ideologien … auf der einen Seite Hilfe und Menschenliebe und auf der anderen Demütigung und zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit …
Ich sehe Dokus über Alexander den Großen, über Napoleon, über Hitler, Stalin, Mao, Dschingis Khan oder darüber, wie das Sonnensystem entstand, über Schwarze Löcher, Asteroiden und Kometen und wie das Leben auf die Erde kam. Ich zappe von einem Programm zum nächsten. Umso mehr ich schaue und höre, desto rätselhafter erscheint mir die Welt. Was für eine wunderliche Sache ist doch die Evolution, dass sie dies alles hervorbrachte. Wie ist das möglich? Wozu?
Voller Inbrunst erklären wir die Welt – aber nichts ist in Wirklichkeit erklärt. Unsere Worte verschleiern. Wir lieben den Pesthauch unserer Worte. Wir konstruieren Welten. Wir ertrinken in der Süße unserer Falschheit. Welchen Sinn macht das alles? Ist es ein Segen oder Fluch, Mensch zu sein? Jedenfalls absurd.
Wer weiß, was die Evolution noch auf Lager hat. Als Geist, der über allem schwebt, würde ich alles ziemlich witzig finden.

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