Auf dem Strohballenfest
Berlin ist ein riesiger Zirkus mit den absonderlichsten Erscheinungen. Täglich sehe ich Superlativen der unterschiedlichsten Prädikate. Am Sonntag auf dem Buckower Strohballenfest war es zwischenzeitlich ein regelrechter Augenschmaus - Karikaturen, wie sie keinem Zeichner besser (und vor allem originaler) aus der Feder fließen können, - wir stupsten uns immer wieder an und sagten: „Schau mal dort! Siehst du den oder die? Das ist dein Traummann! Das ist deine Traumfrau!“
Die Sonne drehte in den Mittagsstunden ganz schön auf und erzeugte über dem großen Acker des Bauern Mette eine Gluthitze. Die Menschen verliefen sich auf dem Terrain. Mir war das sehr lieb. Alles blieb überschaubar.
Ja, ich weiß, man sollte nicht über seine Mitmenschen lästern, aber man kann es sich in Berlin wirklich schwer verkneifen – zu groß ist die Schwemme der unterschiedlichsten Typen. Die einen wirken skurril bis komisch, andere einfach abstoßend bis widerwärtig - unglaublich, wie viele fette und schlecht angezogene Menschen es gibt! Relativierend meine ich zu O. : „Ist halt Geschmackssache.“ Oder: „Ich bin auch nicht gerade der Schönste.“ O. ist da ehrlicher im Ausdrücken ihrer Einschätzung, was schon mal zu peinlichen Situationen führen kann. Ich denke dann, dass die anderen vielleicht bemerken, wie missbilligend O. sie betrachtet. Natürlich leugnet sie die „Wertung“ in ihren Äußerungen, wenn wir über das Thema diskutieren. Mehr als das Äußere sollten eigentlich innere Werte zählen. Das ist doch ganz klar! Nach vielen Jahren Altenpflege weiß ich, wie wir Menschen durch Krankheit und Alter degenerieren können. Vieles ist abstoßend, manches auch komisch. Ich schaue meist darüber hinweg, aber manchmal erwische ich mich dabei, wie ich doch hinstarre; und wenn O. und ich in der Stadt unterwegs sind, können wir gar nicht anders, als uns über diverse Gestalten zu mokieren. Wir sind sicher nicht die einzigen, die sich auf diese Art und Weise unterhalten (lassen) – und ich überlege mir, was wir wohl für ein Bild als Pärchen nach Außen hin abgeben. Solange es nicht wirklich bösartig und menschenverachtend gemeint ist, darf man sich schon mal über seine Mitmenschen lustig machen. Allerdings hat alles Grenzen - ich habe nicht immer ein gutes Gefühl dabei. Das versuchte ich auch O. zu erklären…
Wir hatten also einigen Spaß auf dem Strohballenfest. Die Sonne und das Bier taten ihr Übriges. Auf einer kleinen Bühne wurde erst mongolische Folklore und später am Nachmittag Rock gespielt. Die Schwüle wuchs, und erste Gewitterwolken zeigten sich bedrohlich am Himmel, als wir uns sattgesehen und -gehört auf den Heimweg machten.
bonanzaMARGOT
- 18. Aug. 15, 10:18
- Berlin