Sommerferien
Endlich wechselte ich den durchgerittenen Brooks Sattel mit einem Ersatzsattel. Als ich am Fahrrad herum hantiere, keimt in mir die Sehnsucht nach meinen Fahrradtouren auf. Seit ich in Berlin wohne, bewege ich das Fahrrad meist nur zum Einkaufen, weil Fahrradfahren O.s Sache nicht ist. Schade. Ich will sie nicht zu Fahrradausflügen drängen, - obwohl das Wetter jetzt im Sommer prima dazu wäre. Vielleicht würde es auch nicht gut klappen – ich bin es gewohnt, alleine durch die Gegend zu radeln – man weiß es nicht…, wie gut wir auf solchen Ausflügen harmonieren würden.
Egal. Es war nur das Aufflackern einer Sehnsucht, als ich den alten Sattel ersetzte. Nächste Woche fliegen O. und ich nach Kreta. Eine Woche an der Südküste in Matala, einem kleinen Fischerdorf, das in den Sechzigern die Hippies aus der ganzen Welt anzog. Was ich dazu im Internet las und an Bildern sah, weckt einige Vorfreude; aber sowieso ist alles anders, wenn man an Ort und Stelle ist.
In Berlin breitet sich heute eine große Schwüle über die Betonlandschaft. Sie kriecht in mich hinein und legt sich wie ein schmutziges weißes Tuch über meine Gedanken. Die Konzentration fällt schwer. Ich schwitze nicht. Aber ich fühle mich seltsam gelähmt. Vielleicht fühlen sich die drei Sonnenblumen ähnlich, die in der Vase auf dem Beistelltisch vor sich hin darben, denke ich bei mir. O. hat ein letztes Mal vor den Semesterferien ihr Seminar. Die Studenten erhalten die Scheine. Seit gestern haben die Schüler Ferien. Im Park am Gleisdreieck sitzen sie in Gruppen zusammen, feiern oder machen Sport… Ich komme mir vor wie ein Gespenst mit Körper – der ist unübersehbar - ; ich betrachte mir die Welt, immer und immer wieder, versuche mehr Klarheit zu gewinnen, aber ich pralle mit dem Kopf nur gegen eine Wand weich wie Watte (oder ein Kissen) und versinke in wirren Tagträumen.
Die Uhrzeiger schreiten unerbittlich voran, solange die Uhr aufgezogen ist oder von einer Batterie gespeist wird. Nachher treffe ich O. in Puschels Pub, einer Bierkneipe. Von dort werden wir zu Fuß eine Runde durchs Viertel drehen. Inzwischen kennen wir die Wege und Ecken, die uns gefallen.
Ich stemme mich gegen die innere Lähmung wie gegen eine schwere Schiebetür, bis ein Spalt auf ist, durch den ich mich zwänge und mich auf den Weg mache...
bonanzaMARGOT
- 17. Jul. 15, 15:49
- Berlin