Der ARD-Talk im Gasometer (Günther Jauch als Moderator) hatte zum Thema „Mein Tod gehört mir! Gibt es ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben?“. Heute Morgen konnte ich der Diskussion auf Phoenix lauschen. Es lief die Wiederholung vom Vorabend. Zufällig schaltete ich rechtzeitig um ( – vor den Kochsendungen auf ZDFneo). Es ist eines jener Themen, die nie an Aktualität verlieren. Grob gesagt spaltet es die Nation in zwei Fraktionen: Die Einen plädieren für die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe, und die Anderen halten die derzeitigen Möglichkeiten der passiven Sterbehilfe und der Palliativmedizin für ausreichend. In der Sendung wurden insofern Argumente für und wider eines selbstbestimmten Sterbens ausgetauscht; respektive Udo Reiter, ehemaliger Intendant des MDR, contra Franz Müntefering, ehemaliger SPD Vorsitzender. Udo Reiter skandierte „Mein Tod gehört mir“, während Franz Müntefering darin eine „gefährliche Melodie“ sah, welche das Leben zu einer Kosten-Nutzen-Rechnung degradiere. Anders gesagt: Müntefering wünscht sich eine Gesellschaft, in welcher die Quote der Selbsttötungen durch ein menschliches Klima und Hilfsangeboten möglichst gering gehalten wird, indes Reiter für die Akzeptanz des Freitodes durch eine aktive Sterbehilfe wirbt. Beide Haltungen kann ich nachvollziehen, denn es gibt für die eine wie die andere gute Gründe. Beide Seiten konnten Beispiele anführen, welche ihre Stellungnahme unterstrichen. Ich respektiere die Entscheidung von Menschen, die aufgrund einer unheilbaren Erkrankung, welche ihre Lebensqualität subjektiv auf ein unerträgliches Maß reduziert, vorzeitig aus dem Leben scheiden wollen. Ebenso respektiere ich Menschen, die die Umstände ihres Ablebens sozusagen in Gottes Hand legen, für die eine aktive Sterbehilfe nicht in Frage kommt.
Als Altenpfleger gerate ich nicht selten in eine Situation, wo ich mich frage, ob jenes Leben, welches ich wasche, füttere, dem ich die Windeln wechsele, noch lebenswert ist. Ich sehe Menschen leiden, die nicht sterben können, weil sie künstlich ernährt werden. Ich sehe Menschen, die an ihrem Lebensende durch die Gabe von Antibiotika und Herzmedikamenten unendlich lange dahinsiechen. Ich sehe Menschen, deren Demenz derart fortgeschritten ist - die alle ihre kognitiven Fähigkeiten verloren - , so dass sie unfähig sind, die einfachsten alltäglichen Verrichtungen selbstständig auszuführen. Nein, ich spreche diesen Menschen nicht ihren Lebenswert ab, aber ich finde es völlig legitim, wenn man dies für sich selbst nicht wünscht. Es wäre schön, wenn wir im Altenheim so viel Personal hätten, um nach Münteferings Vorstellung, die uns anvertrauten Menschen nicht nur pflegerisch zu versorgen sondern auch ihren menschlichen Bedürfnissen nach Kommunikation und Zuwendung gerecht zu werden. Ich sage ganz ehrlich, dass ich unter den derzeitigen Arbeitsbedingungen, wie sie in den allermeisten Altenheimen und Pflegeeinrichtungen bestehen, völlig überfordert bin – menschlich gesehen. Eine kapitalistische Gesellschaft wie die unsere macht automatisch eine Kosten-Nutzen-Rechnung auf. Das ist die traurige Realität. Und es ist keine Besserung der Verhältnisse in Sicht.
Darum ist eine solche Diskussion nicht allein eine Sache der Ethik. Es stellt sich vielmehr die Frage, wie viel wir von unserer hochgepriesenen Ethik in der Praxis umsetzen können. Und zwar, ohne zu heucheln.
Mein Fazit vorerst: Ich fühle mich mit Udo Reiter konform. Ich weiß nur nicht, ob ich
rechtzeitig den Mut aufbringe. Eigentlich bin ich ein Mensch, der die Dinge nicht plant sondern auf sich zukommen lässt. Vielleicht bin ich auch schon etwas abgestumpft durch die jahrelange Arbeit im Altenheim.
Ich müsste sonst verrückt werden, bei all dem, was ich in meinen Diensten sehe und erlebe.
Zu sensibel sollte man nicht sein.