Donnerstag, 27. September 2012

Brasko und das Geheimnis des gelben Hummers

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Manchmal vergingen die Tage wie im Fluge, und hinterher fragte man sich, ob man alles nur geträumt hatte. Es wurde Herbst, und Brasko musste zum ersten Mal den Elektro-Konvektor aus der Rumpelkammer holen, wenn er zuhause keinen kalten Arsch kriegen wollte. Er erinnerte sich an Jahre, als er die Herbststimmung genossen hatte. Diesmal war er sich nicht so sicher. Wenn er nur nicht so müde wäre.
Es half nichts. Schließlich traf er auf den Besitzer des gelben Hummers, Mohammed, einen jungen arabisch stämmigen Diskothekenbesitzer.
„Hey Alter, was willst Du?!?“
„Mein Name ist Brasko. Gehört Ihnen der gelbe Hummer?“
„Ja, Mann, und warum interessiert Dich das?“
„Oh, immer wenn ich hier vorbeikomme, denke ich: geile Karre – würde ich gern mal mit spazieren fahren.“
„Bist Du blöd, oder was?! Könnte ja jeder kommen! Und sowieso lasse ich keine Ungläubigen in mein Baby!“
„Regen Sie sich nicht auf, Mohammed, ich will Ihnen Ihr Baby nicht wegnehmen. Kennen Sie Sarah Wiener?“
Mohammed stand plötzlich da wie vom Donner gerührt. Aber er fasste sich gleich wieder und wetterte: „Ich kenne nur junge Fotzen! Sarah Wiener ist `ne Oma! Die kannst Du ficken, alter Mann Brasko! Mohammed fickt nur Jungfrauen!“
„Aber Sie kennen Sarah Wiener?“
„Was geht Dich das an?!?“
Brasko hatte den wunden Punkt erwischt und sagte ruhig, beinahe zischend: „Na ja, Mohammed, es geht mich nichts an, wie Sie zu Sarah Wiener stehen, ich möchte nur mit ihrer geilen, gelben Bumskarre eine Runde drehen. Wollen Sie mir diesen Wunsch wirklich abschlagen?“
Man merkte, wie Mohammeds graue Zellen ein gutes Weilchen hinter seiner Stirn rotierten. Am liebsten wäre er Brasko an die Kehle gesprungen, aber schließlich lächelte er gewitzt – ähnlich wie Wicki der Wikinger bei seinen Erleuchtungen in den Kindersendungen. Er holte Luft und setzte zu einer längeren Rede an:
„Brasko, Du bist mutig, kommst hierher und fragst Mohammed, ob Du Dir sein Baby ausleihen darfst. Ich mag Menschen, die beweisen, dass sie einen Schwanz in der Hose haben, - für einen Ungläubigen sehr ungewöhnlich. Und darum werden bald auch alle Ungläubigen von der Erde verschwunden sein. Verstehst Du? Wir brauchen Euch nicht mal weg zu bomben, weil Ihr aussterben werdet! Weil Ihr keinen Schwanz in der Hose habt!“ Mohammed japste vor Lachen und fuhr fort: „Bald sind wir alle Kinder des Propheten! Wir werden Euch von der Erde ficken!“
Brasko hörte geduldig den Ausschweifungen zu. Sollte Mohammed noch ein bisschen von der islamischen Weltrevolution reden, letztendlich würde er klein beigeben.
„ …, Brasko, hast Du überhaupt einen Führerschein?“
„Klaro“, log Brasko lächelnd.

TV-Tipp:

"Im Labyrinth des Lebens", 22 Uhr 25, 3sat

Grabengeschichten, Grabengedanken


Wider Erwarten tauchte Socke, die Graben-Katze, wieder auf. Die Kinder hatten sich schon damit abgefunden, dass sie verschwunden war. Socke wuchs über den Sommer zum jungen Kater heran. Nun war die Freude groß, dass er zurückgefunden hatte, - er belagerte sofort wieder das kleine Graben-Haus und schwarwenzelte zwischen unseren Haxen umher. Am Abend von Olivias Geburtstag war er plötzlich wieder da … mit einer Gefährtin im Schlepptau.

Zurück im Graben – nach einem sonntäglichen Familienausflug zum Schloss von Straßburg – entwischte dem Tierarzt ein argentinisches Höckerrind aus seiner Herde. Die Kinder entdeckten den jungen Stier, wie er arglos auf einem Nachbargrundstück stand. Mit Stöcken bewaffnet waren wir Erwachsenen zugange, ihn zurück in eine Koppel zu treiben. Der Stier zeigte sich gar nicht begeistert. Doch nach einigem Hin und Her klappte es doch. Ich war noch nie bei einem Stiertreiben dabei gewesen. Beinahe kam ich mir vor wie in einer von Astrid Lindgrens Geschichten „Wir Kinder aus Bullerbü“. Die Kinder tobten noch bis zum Abendessen durch den Graben.

Kuhglocken und dann und wann Motorsägen sind mir lieber als städtischer Verkehrslärm. Das Leben auf dem Land hat zwei Gesichter: zum Einen noch urig gewachsene Gemütlichkeit, Ruhe und einfaches Leben, zum Anderen kulturelle Trotzigkeit und das Gefühl, vom Leben abgeschnitten zu sein. Am liebsten wohne ich zwischen Stadt und Land, um beides vor der Tür zu haben. Es fällt mir schwer, mich für eine Lebenswelt zu entscheiden. Schnell fühle ich mich eingeengt. Man muss mich einfangen, bzw. wie den Stier vom Graben in eine Koppel treiben. Von selbst rühre ich mich kaum, gucke in die Luft und verträume die Tage.

Letztendlich bin ich es, der sich entscheiden muss. Will ich wohin gehören, oder will ich alleine bleiben?

Wie einsam bin ich? Wie einsam war ich in meinem Leben? Oft wählte ich das Alleinsein ganz bewusst. Ich drückte die Welt wie eine Geliebte fest an mich. Niemand kann mir wehtun, wenn ich alleine bin.

Wir fuhren nach Klagenfurt. Die Kinder sind alt genug, dass man sie ein paar Stunden sich selbst überlassen kann. Im Kino lief „Das Schwein von Gaza“ - ein satirischer und herzbewegender Film über die unmögliche, absurde Situation zwischen Israelis und Palästinensern in der Grenzregion. Das Schwein, welches einem armen palästinensischem Fischer ins Netz ging, wurde zum Gegenstand verzweifelter und komischer menschlicher Begegnungen. Ich empfand den Film als skurriles modernes Märchen, in dem schließlich die simple Menschlichkeit über politische und religiöse Widerstände und Dogmen siegte. Am Filmende kullerten Olivia und mir Tränen über die Wangen. Außer einem Pärchen in der letzten Reihe waren wir die einzigen Besucher der Kinovorstellung.
Draußen schüttete es. Wir machten uns gleich auf den Nachhauseweg. Der Regen passte zu der im besten Sinne melancholischen Stimmung, die der Film hinterließ.

Bereits müde im Graben-Bett liegend sollten wir hinsichtlich unserer eigenen Streitkultur auf die Probe gestellt werden. Ich weiß nicht, warum wir uns das antaten. Ein Wort ergab das andere, und wir wiesen uns gegenseitig die Hauptschuld an dem Streit zu. Jeder fühlte sich durch die Reaktion des anderen verletzt. Gefangen in Gegenwelten schliefen wir unglücklich ein. Wer würde den ersten Schritt über den Graben hin zum anderen wagen?

Das Ende ist offen.

ein literarisches Tagebuch

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