Sonntag, 2. September 2012

Hugo




er hat sonst niemanden

TV-Tipp:

"Leergut", 22 Uhr 45, BR

Gut bedient


Eigentlich lästere ich ungern über meine Mitmenschen, aber manchmal sind die Vorlagen einfach zu gut.
Im Kaffeehaus ist die Thekenzeit angebrochen. Nachdem ich monatelang fast ausschließlich im Biergarten saß, treibt mich nun die kühle Witterung hinein in die Gaststube.
Hinter der Theke bediente ein junger Mann, ein neues Gesicht. Er wurde noch eingelernt. Wie immer bestellte ich ein Hefeweizen. Diesmal ein helles.
„Ein normales?“, fragte die neue Servicekraft.
„Ein helles.“
Der junge Mann schaute betröppelt. „Wie?“
Ich zog die Stirn kraus und erklärte ihm: „Es gibt helle und dunkle Hefeweizen. Beide sind hoffentlich normal. Und ich will ein helles großes, kein Babyweizen, bitte.“
Er schaute noch nicht wirklich schlauer und meinte: „Ein normales also.“
Nachdem er kurz mit der Stammbedienung gesprochen hatte, ging er zu den Zapfhähnen. Ich bekam mein helles Hefeweizen. Bei der nächsten Bestellung würde ich sagen: „Noch ein normales, bitte.“
Mein Gott, dachte ich bei mir, das gehört doch zu den elementaren Grundkenntnissen beim Thekendienst, - wenn der in allem so unbewandert ist ...
In der Altenpflege ist es nicht anders: Ich beobachte seit Jahren in zunehmendem Maße, dass die jungen Leute ihren Hirnkasten bei der Arbeit nicht einschalten. Wenn denn da was zum Einschalten vorhanden ist. Okay, pauschal lässt sich so eine Beurteilung sowieso nicht abgeben. Es ist mehr eine Tendenz: eine zunehmende Verblödung durch den vielfältigen Medienkonsum, vermute ich. Damit einhergehen eine sprachliche und soziale Armut. Simple Gesten und Zeichen werden nicht wahrgenommen. Bei manchen Pflegekräften würden die Alten vor ihrem Essen verhungern, weil ihnen das Besteck fehlt, oder weil das Essen nicht mundgerecht ist.
Aber ich will gerecht sein: auch ich stellte mich am Anfang meiner Altenpflegekarriere ziemlich doof an. Wenn man die Dinge nicht richtig erklärt bekommt, ist das für einen jungen Menschen mit wenig Lebenserfahrung gar nicht einfach, plötzlich auf die Alten losgelassen zu werden.
So ähnlich wird es der neuen Servicekraft im Kaffeehaus gehen. Wahrscheinlich sagen die Bedienungen unter sich „normales Hefeweizen“, wenn sie die Bestellungen weitergeben. Jeder weiß, was gemeint ist. Natürlich konnte auch ich mir denken, dass ein „normales“ ein großes helles Hefeweizen sein dürfte. Ich wollte den Neuen nicht striezen. Lustig war`s schon. Irgendwie.
Schließlich bekam ich noch ein dunkles von der Stammbedienung spendiert, weil es angeblich übriggeblieben war. Am Ende war ich also gut bedient.

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