Montag, 31. Januar 2011

Ambivalenzen


Immer wieder muss ich mit ambivalenten Gefühlen kämpfen. Gerade was meine Beziehung zu Frauen angeht. Aber auch meine Arbeit im Altenheim betreffend. Und meinen Eltern gegenüber.

Fange ich mit Letzterem an: Meine Eltern, die auf die Achtzig zugehen, bei denen ich mich (zu) selten melde. Bald haben sie Geburtstag (sie haben kurz hintereinander) und mir graust ein Wenig vor den Anrufen. Doch warum sollte ich ein schlechtes Gewissen haben? Ich liebe sie, kein Zweifel, aber doch sind sie mir fremd in dem Leben, das ich führe. Fremd - und vertraut zugleich, weil sie zu mir gehören, weil sie mich groß zogen. Was gibt es auch immer zu erzählen? Meist sind es die ewig selben Fragen nach Gesundheit und Arbeit. Es geht nie tiefer. Unangenehme Themen will ich gar nicht mehr ansprechen. Ich bat sie vor zwei Jahren um ein Gespräch, wie sie sich ihren Lebensabend weiter vorstellen. Eine Arbeitskollegin durchlitt gerade die Problematik mit ihren Eltern, weil die Mutter immer pflegebedürftiger wurde, und der Vater damit überfordert war ... Auf dieses Gespräch, welches ich anregte, warte ich noch heute. Gott sei Dank sind meine Eltern nach wie vor rüstig für ihr Alter. Aber es war schon immer so, wenn ich zurück denke, dass ich seelische Probleme mit ihnen nicht besprechen konnte. Immer erst, wenn es sich nicht mehr vermeiden ließ ... Mein Vater verdrängt als Rationalist wunderbar alle Gefühlsäußerungen, und meine Mutter ist ewig nervlich angeschlagen.
So weit, so gut.

Dann meine Arbeit im Altenheim: Seit nunmehr 25 Jahren maloche ich als „Arschwischmaschine“ - das meine ich nicht so negativ, wie es klingt. Ich liebe die Arbeit mit alten Menschen. Es ist ein gutes Gefühl, wenn ich helfen kann, wenn sich die Alten freuen. Doch mit der Zeit laugt es aus. Der Altenheimbetrieb ist eine Tretmühle, wo man sich sisyphosmäßig tagtäglich physisch und psychisch abmüht im Angesicht von Sterben und Leid. Trotz der vielen öffentlichen Diskussionen über den Pflegenotstand besserte sich nichts an der knappen Personalsituation in dem Vierteljahrhundert, seit ich in der Pflege arbeite. Nur die Bürokratie sowie die Anforderungen wuchsen ... Wie lange halte ich diesem Druck noch stand? Ich spüre, dass ich nicht mehr so belastbar bin wie mit Mitte Zwanzig.
Und was soll ich sonst tun?? Es ist bereits mein zweiter Beruf. Ich weiß nicht.
Heute Abend werde ich wieder wie eine „Maschine“ funktionieren ... und einfach weitermachen.

Schließlich Ersteres: Meine Beziehung zu Frauen: Irgendwie bringe ich meine Sehnsucht nach romantischer Liebe und meine sexuellen Bedürfnisse nicht unter einen Hut. Nein, ich habe keine besonderen oder exotischen Sexwünsche. Das ist es nicht. Aber der Gedanke, immer mit ein und derselben Frau zu schlafen ... Nach einigen Monaten, wenn die erste große Verliebtheit verraucht ist, läßt auch meine sexuelle Begierde der Frau gegenüber nach - und mein Schwanz beginnt sich anderweitig umzuschauen. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, dass ich untreu werde. Aber das ist noch nicht alles: Ich verliebe mich viel zu schnell neu.
Die letzte Liebe lief am Ende auf ein hauptsächlich sexuelles Verhältnis hinaus. Wenn es mir also nur um den Sex ginge, dann hätte ich eine prima Zeit haben können. Nein, ich wollte richtig geliebt werden ... Am Ende bleibt eine maßlose Verwirrung, gepaart mit einer Mischung aus Liebessehnsucht und Geilheit.
Wahrscheinlich sollte ich mich besser im Griff haben, aber das ist leichter gesagt als getan.

ein literarisches Tagebuch

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