Donnerstag, 27. Januar 2011

Bonanza - heute


Das waren noch Zeiten: Bonanza lief sonntags im Vorabendprogramm. Wir Kinder fletzten uns mit einer Nascherei auf den beigen Berberteppich und ritten mit den Cartwrights durch die Prärie. Mein Lieblingsheld war Little Jo. Das Happy End war vorprogrammiert - die Welt noch in Ordnung. Jedenfalls in unserer Phantasie. Die Amis landeten auf dem Mond, und Cassius Clay gewann seine Boxkämpfe. Kein Schimmer von Globalisierung, Klimakatastrophe und Amerikakritik. Außer den Beatles, dem Wunsch nach langen Haaren, Hosen mit Schlag und Turnschuhen schwappte von den 68ern nichts in unser Wohnzimmer. Vietnam und Watergate waren weit weg. Unsere Eltern hatten andere Sorgen. Nur als Kennedy ermordet wurde, erlebte ich Betroffenheit. Meine Mutter weinte in der Küche. Es mußte etwas Schlimmes passiert sein. Als ich in die Pubertät kam und in mir langsam ein Geschichtsbewußtsein reifte, tanzte bereits John Travolta in Saturday Night Fever. Der Revoluzzergeist verblasste schon wieder, als in mir die Auflehnung gegen die „heile Welt“, die Eltern, Lehrer und den kapitalistischen Lebensstil keimte. Währenddessen führten die RAF noch einen irren, unrealistischen Kampf. Sie entführten und ermordeten Schleyer. Ich verstand nicht, was sie mit diesen brutalen Aktionen bezweckten. Wahrscheinlich war ich zu sehr von der „Bonanza-Moral“ geprägt. Little Jo hätte niemals solche heimtückischen Anschläge ausgeführt. Er behandelte sogar die Banditen fair - falls sie das Revolverduell überlebten.
Ich war (und bin) eben ein hoffnungsloser Romantiker.

Vierzig Jahre nach Bonanza sehe ich die Welt wesentlich ungeschminkter. Ich mache mir keine Illusionen mehr von einer besseren und gerechteren Welt. Aber träumen tu ich manchmal - wie von der großen Liebe. Ich sehne mich nach einem Happy End. Es gibt viele tapfere Menschen, die gewaltlos aber mit großem menschlichen Einsatz ihren Mann und ihre Frau stehen: gegen Krieg, Folter, Willkür, Vorurteile, Ungerechtigkeit, Ausbeutung ...
Sie lösten Little Jo ab und sind meine realen Helden und Vorbilder. Ihre Geschichten rühren mich. Sie sind „die Oasen in der Wüste“. Die Hoffnung auf das Gute im Menschen darf nicht sterben.
Auch wenn ich selbst niemals ein Held sein werde, so kann ich wenigstens in mir gegen Großmannssucht, Gier, Haß, Sadismus und Vorurteile ankämpfen. Und ich kann davon schreiben.






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