Mittwoch, 18. März 2009

Allein in der Nacht

Die Nächte sind gezählt, dass wir unsere nächtlichen Runden zu Zweit machen.
Vor mir liegen vier Nachtdienste, wo ich das letzte Mal die Gesellschaft meiner lieben Kolleginnen genießen darf. Danach habe ich Urlaub, und wenn ich zurückkehre, werden wir nächtlich Soloplayer im Altenheim sein. Jedenfalls ist es so geplant. Wie das Kaninchen vor der Schlange harren wir der Tatsachen, der da sind. Solange die Nächte ohne besondere Vorfälle laufen, mag es vorstellbar sein, die Arbeit alleine zu leisten. Aber wenn ich mir Notfall-Situationen vorstelle oder Sterbefälle oder einfach eine betriebsame Nacht, kommt mir das Grausen. Ich stelle mir die Frage, ob ich dann noch guten Gewissens die Bewohner in der Nacht pflegen und betreuen, ihnen die notwendige Sicherheit bieten kann.
Sie machen es an der Bewohnerzahl fest. Wenn es unter fünfzig sind, kann mit einer Nachtwache der Dienst abgedeckt werden. Ich finde es vollkommen irrational, dass es unter Umständen an einem Bewohner hängt, ob man alleine oder zu Zweit die Nachtarbeit leistet. Man reduziert doch auch den Tagdienst nicht um die Hälfte. Außerdem wandern sowieso eher die leichten und weniger aufwendigen Pflegefälle ab, während die schweren "Brocken" bleiben. Es ist also völlig absurd zu denken, dass wir mit knapp fünfzig Bewohnern weniger Arbeit haben werden als mit gut fünfzig.
Hinzu kommt die psychische Belastung, die man nachts haben wird. Auf zwei Schultern verteilt sich die Verantwortung doch leichter als auf einer. Dann gibt es Bewohner, die in ihrer penetranten Art furchtbar nervig sein können. Bisher konnten wir sagen: "Komm geh du mal zu Frau M.. Ich kann sie nicht mehr ertragen!" In Zukunft werden wir diese schwierigen Belastungen ganz alleine schultern müssen. Aber bekommen wir deswegen mehr Gehalt? Pustekuchen! Ich bin nur mal gespannt, ob sie uns dann immer noch eine dreiviertel Stunde Pause abziehen, wie bisher.
Es ist gerade so, als müssten wir ab 1. April einfach die doppelte Arbeit leisten. Aber es geht nicht darum, dass irgendein Fließband halt doppelt so schnell läuft, und sich dadurch ein höherer Ausschuss an toter Materie ergäbe; sondern wir pflegen und betreuen Menschen - wir gießen auch nicht Pflanzen oder füttern Tiere - es geht um Menschen, die ein Recht auf eine bestmögliche Versorgung, eine größtmögliche Sicherheit und eine würdevolle Behandlung haben. Die Bewohner, die wir pflegen, das könnten wir selbst sein!
Ich verstehe nicht, wie ein kirchlicher Träger einen solchen Einschnitt in die Versorgung der Alten und Hilfebedürftigen machen kann. Es ist schon jetzt schwer genug, im Sinne der Nächstenliebe die belastende Arbeit der Altenpflege zu leisten. Ich weiß, dass die Sache bereits abgemacht ist. Nächsten Montag werden sie uns in einer Besprechung vor vollendete Tatsachen stellen. Sie werden uns vor die Wahl stellen. Viele von uns sind von ihrem Arbeitsplatz abhängig. Ich habe einen unbefristeten Arbeitsvertrag, den ich ungern aufs Spiel setzen würde. Die psychische Daumenschraube ist längst angelegt. Meine Bedenken werde ich vortragen, im Sinne meiner Kollegen und Kolleginnen und im Sinne der Alten. Wie oft wurde uns doch von denselben, die diesen markanten Einschnitt vornehmen, gepredigt, dass es allein um die Bedürfnisse der Alten geht?! Die Bedürfnisse des alten Menschen stehen unbedingt im Vordergrund ...
Einmal mehr werde ich in meiner Meinung bestätigt, dass wir nicht in Deutschland sondern in "Heuchelland" leben.

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