Multitasking
Dass im Pflegealltag vieles drunter und drüber läuft, liegt (mitunter) darin begründet, dass man als verantwortliche Schichtleitung das Gefühl hat, gleichzeitig an vielen Stellen sein zu müssen: Da muss der Dienst umorganisiert werden, weil ein Mitarbeiter kurzfristig krank wurde; eine Aufnahme schneit unerwartet herein; Angehörige von Heimbewohnern wollen etwas per Telefon erfragen; wichtige Medikamente müssen bestellt werden; Behandlungspflegen sorgfältig ausgeführt werden; nebenher muss man die Mitarbeiter motivieren und ihnen ab und zu auch auf die Finger schauen; ein Bewohner braucht besondere Fürsorge, weil er krank oder depressiv ist; und die Pflegedienstleitung oder Heimleitung liegt einem auch noch mit Irgendwas in den Ohren. Passiert dann ein Fehler, dann bist du derjenige, der sich den Anschiss abholt, denn du, so sagt die PDL, hast dich gefälligst darum zu kümmern.
In letzter Zeit höre ich oft den Begriff "Multitasking" und finde (nachdem ich nachschlug, was er bedeutet), dass er haargenau auf die Arbeitssituation einer Schichtleitung im Pflegeheim zutrifft. Man weiß manchmal nicht, wo einem der Kopf steht. Am liebsten wäre man an allen Stellen gleichzeitig, würde das Denken noch für die Anderen übernehmen, steigert sich regelrecht in einen Rausch hinein - es kommt einem vor, als wäre man die wichtigste Person auf dem Planeten - die Station wird zur zweiten Haut - scheint es - dabei merkt man gar nicht, dass man einen Tunnelblick kriegt und die Kontrolle verliert, weil es einem schlicht nicht erlaubt ist, die Kontrolle zu verlieren. Es ist zwangsläufig, dass Fehler und Nachlässigkeiten passieren. Manche Sachen macht man nur halb, um Zeit und Kraft zu sparen. Von Problemen wendet man einfach den Blick ab - nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Man eiert so durch den Stationsalltag und redet sich ein, dass es gar nicht anders geht. Die Kollegen und Kolleginnen eiern schließlich genauso herum. Der Dreck wird unter den Tisch gekehrt, was gut geht, solange niemand genauer hinsieht. Kommt dann die Heimaufsicht und hat dies und jenes zu bemäkeln, ist die Aufregung groß. Die PDL hält danach wieder einen ihrer Vorträge und droht mit Abmahnungen, wenn wir in Zukunft nicht pflichtbewusster arbeiten. Wir ducken uns und kriegen rote Birnen, weil wir genau wissen, wo der Hase im Pfeffer liegt: Wir sind mit dem Scheiß Multitasking überfordert: Man hat einfach zu viel um die Ohren, um alles richtig zu machen. Und die Anforderungen wachsen noch. Die Pflegedokumentation, der Pflegeprozess und die Qualitätssicherung nehmen immer mehr Zeit in Anspruch, so dass die Schere zwischen erfüllbarer Praxis und theoretischer Anforderung immer größer wird. Arbeitsethisch fährt man mit einer solchen Einstellung den Karren unweigerlich an die Wand. Aber wir haben ja unseren Pflegeleitfaden aushängen. Darin kann man unerfüllbare Ziele nachlesen. Den Alten, den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen können unsere Probleme freilich egal sein. Sie dürfen erwarten, was im Pflegeleitfaden großspurig versprochen wird.
Als ich diesen Gewissenskonflikt und die Notlügen gegenüber z.B. den Angehörigen und den Heimbewohnern satt hatte, ging ich in die Nacht. Wobei mir egal ist, ob manche Kollegen/Kolleginnen und die Chefin meinen, wir hätten nichts zu schaffen in der Nacht. Sollen sie ...
Artikel zu Multitasking:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,491334,00.html
In letzter Zeit höre ich oft den Begriff "Multitasking" und finde (nachdem ich nachschlug, was er bedeutet), dass er haargenau auf die Arbeitssituation einer Schichtleitung im Pflegeheim zutrifft. Man weiß manchmal nicht, wo einem der Kopf steht. Am liebsten wäre man an allen Stellen gleichzeitig, würde das Denken noch für die Anderen übernehmen, steigert sich regelrecht in einen Rausch hinein - es kommt einem vor, als wäre man die wichtigste Person auf dem Planeten - die Station wird zur zweiten Haut - scheint es - dabei merkt man gar nicht, dass man einen Tunnelblick kriegt und die Kontrolle verliert, weil es einem schlicht nicht erlaubt ist, die Kontrolle zu verlieren. Es ist zwangsläufig, dass Fehler und Nachlässigkeiten passieren. Manche Sachen macht man nur halb, um Zeit und Kraft zu sparen. Von Problemen wendet man einfach den Blick ab - nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Man eiert so durch den Stationsalltag und redet sich ein, dass es gar nicht anders geht. Die Kollegen und Kolleginnen eiern schließlich genauso herum. Der Dreck wird unter den Tisch gekehrt, was gut geht, solange niemand genauer hinsieht. Kommt dann die Heimaufsicht und hat dies und jenes zu bemäkeln, ist die Aufregung groß. Die PDL hält danach wieder einen ihrer Vorträge und droht mit Abmahnungen, wenn wir in Zukunft nicht pflichtbewusster arbeiten. Wir ducken uns und kriegen rote Birnen, weil wir genau wissen, wo der Hase im Pfeffer liegt: Wir sind mit dem Scheiß Multitasking überfordert: Man hat einfach zu viel um die Ohren, um alles richtig zu machen. Und die Anforderungen wachsen noch. Die Pflegedokumentation, der Pflegeprozess und die Qualitätssicherung nehmen immer mehr Zeit in Anspruch, so dass die Schere zwischen erfüllbarer Praxis und theoretischer Anforderung immer größer wird. Arbeitsethisch fährt man mit einer solchen Einstellung den Karren unweigerlich an die Wand. Aber wir haben ja unseren Pflegeleitfaden aushängen. Darin kann man unerfüllbare Ziele nachlesen. Den Alten, den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen können unsere Probleme freilich egal sein. Sie dürfen erwarten, was im Pflegeleitfaden großspurig versprochen wird.
Als ich diesen Gewissenskonflikt und die Notlügen gegenüber z.B. den Angehörigen und den Heimbewohnern satt hatte, ging ich in die Nacht. Wobei mir egal ist, ob manche Kollegen/Kolleginnen und die Chefin meinen, wir hätten nichts zu schaffen in der Nacht. Sollen sie ...
Artikel zu Multitasking:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,491334,00.html
bonanzaMARGOT
- 11. Dez. 08, 12:00
- Nach der Nachtwache ist vor der Nachtwache