Der Neuzugang (1)
Neuzugänge werden oft bei uns abgeliefert wie ein lebendiges Paket. Ein Paket Mensch, das nirgendwo mehr hingehört. Zuhause verwahrlosten sie, stürzten oder hatten einen schweren Schlaganfall. Die ganze Krankenhaus- und Rehabilitationsprozedur haben sie dann schon hinter sich - sie sind entweder zu alt oder zu krank, oder sie sperrten sich gegen jegliche Therapie und Hilfe. Als "schwierige Fälle" landen sie schließlich bei uns. Außer dem Krankenhausbericht wissen wir oft nichts von ihnen.
Gestern hatten wir wieder ganz überraschend einen Neuzugang. Mein Kollege sagte mir aufgeregt, dass er am Abend bereits zweimal in seinem Zimmer auf dem Boden lag. Der Mann könne nicht ohne Hilfe aufstehen und laufen, versuchte es aber dennoch immer wieder; er sei ziemlich eigenwillig. "Das wird eine schöne Nacht werden", sagte mein Kollege. Ich meinte zu ihm, wir sollten erstmal abwarten. Der Mann war erst seit ein paar Stunden in unserer Einrichtung. Ich kannte die Schwierigkeiten der Eingewöhnung. Die Neuzugänge kamen und wurden in einer für sie völlig fremden Umgebung einfach abgestellt, ohne dass sich jemand dazu berufen fühlte, sich mit ihnen etwas länger zu beschäftigen; was auch sehr schwierig ist, da das Personal genug um die Ohren hat, wenn sie abends zu dritt 40 Bewohner ins Bett bringen müssen.
Ich wollte mir erstmal ein Bild von dem neuen Bewohner machen, bevor ich mir die Nacht in den schrecklichsten Farben ausmalte. Natürlich hatte auch ich keine Lust auf Notarzt und Tamtam.
Sicher war, dass es sich "nur" um einen Menschen handelte, der verwirrt und verunsichert war.
Aufregung hilft da in keinem Falle weiter.
Als ich Herrn L. in seinem Zimmer aufsuchte, um nach ihm zu sehen, war er glücklicherweise überhaupt nicht widerspenstig. Ich versuche den Menschen durch mein freundliches Auftreten die Angst zu nehmen. Die Wundermittel, um mit den Bewohnern klarzukommen, sind ganz schlicht: Freundlichkeit, Ruhe, Selbstsicherheit, Aufmerksamkeit und Behutsamkeit. Der Bewohner registriert sofort, wenn man in Eile ist oder sich ihm nur beiläufig widmet.
Herr L. hatte Stuhlgang. Es sah ganz danach aus, als wäre er schon tagelang nicht mehr gewaschen worden. Haut und Schmutz bildeten eine scheckige Schicht, wie es der Fall ist, wenn man einen Gips trägt. Aus dem Krankenhaus brachte er einen Blasenkatheter mit. Der Urin war beinahe schwarz. Ein Arzt wurde noch vom Spätdienst telefonisch herbeigerufen, um sich den Bewohner anzuschauen und die Medikamente aufzuschreiben - wer nicht kam, war der Arzt.
Ich hoffe stark, dass heute eine ärztliche Betreuung stattfand, und dass Herr L. gebadet wurde.
Wie sagt man lakonisch: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Herr L. blieb den Rest der Nacht in seinem Bett. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass er schon länger nicht mehr menschlich behandelt wurde. Aber das war nur so ein Gefühl.
Gestern hatten wir wieder ganz überraschend einen Neuzugang. Mein Kollege sagte mir aufgeregt, dass er am Abend bereits zweimal in seinem Zimmer auf dem Boden lag. Der Mann könne nicht ohne Hilfe aufstehen und laufen, versuchte es aber dennoch immer wieder; er sei ziemlich eigenwillig. "Das wird eine schöne Nacht werden", sagte mein Kollege. Ich meinte zu ihm, wir sollten erstmal abwarten. Der Mann war erst seit ein paar Stunden in unserer Einrichtung. Ich kannte die Schwierigkeiten der Eingewöhnung. Die Neuzugänge kamen und wurden in einer für sie völlig fremden Umgebung einfach abgestellt, ohne dass sich jemand dazu berufen fühlte, sich mit ihnen etwas länger zu beschäftigen; was auch sehr schwierig ist, da das Personal genug um die Ohren hat, wenn sie abends zu dritt 40 Bewohner ins Bett bringen müssen.
Ich wollte mir erstmal ein Bild von dem neuen Bewohner machen, bevor ich mir die Nacht in den schrecklichsten Farben ausmalte. Natürlich hatte auch ich keine Lust auf Notarzt und Tamtam.
Sicher war, dass es sich "nur" um einen Menschen handelte, der verwirrt und verunsichert war.
Aufregung hilft da in keinem Falle weiter.
Als ich Herrn L. in seinem Zimmer aufsuchte, um nach ihm zu sehen, war er glücklicherweise überhaupt nicht widerspenstig. Ich versuche den Menschen durch mein freundliches Auftreten die Angst zu nehmen. Die Wundermittel, um mit den Bewohnern klarzukommen, sind ganz schlicht: Freundlichkeit, Ruhe, Selbstsicherheit, Aufmerksamkeit und Behutsamkeit. Der Bewohner registriert sofort, wenn man in Eile ist oder sich ihm nur beiläufig widmet.
Herr L. hatte Stuhlgang. Es sah ganz danach aus, als wäre er schon tagelang nicht mehr gewaschen worden. Haut und Schmutz bildeten eine scheckige Schicht, wie es der Fall ist, wenn man einen Gips trägt. Aus dem Krankenhaus brachte er einen Blasenkatheter mit. Der Urin war beinahe schwarz. Ein Arzt wurde noch vom Spätdienst telefonisch herbeigerufen, um sich den Bewohner anzuschauen und die Medikamente aufzuschreiben - wer nicht kam, war der Arzt.
Ich hoffe stark, dass heute eine ärztliche Betreuung stattfand, und dass Herr L. gebadet wurde.
Wie sagt man lakonisch: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Herr L. blieb den Rest der Nacht in seinem Bett. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass er schon länger nicht mehr menschlich behandelt wurde. Aber das war nur so ein Gefühl.
bonanzaMARGOT
- 21. Sep. 07, 18:14
- Nach der Nachtwache ist vor der Nachtwache