Büro

Freitag, 3. Mai 2019

1. Mai


Der Mai beginnt kühl und pissig. Gestern nach dem Büro noch etwas Sonne abgeschöpft. Sie haben den Biergarten erweitert. Schön – ich mag es nicht beengt.
Im Büro läuft alles wie gehabt. Meine Kollegin ist aus ihrem Osterurlaub zurück. Sie machte ein paar Tage Wellness. Ich freute mich, dass sie wieder da war – trotzdem ging sie mir zwischenzeitlich gehörig auf den Sack. Sie hat ihre genauen Abläufe. Nichts darf dazwischenkommen. Überhaupt ist sie in allem sehr akribisch, was zumindest bei unserer Arbeit keine schlechte Eigenschaft ist, – nur stoße ich mich an der scheiß Penetranz des Ganzen! Jeden Tag dasselbe Prozedere, wenn sie ankommt. Bis sie sich an ihrem Arbeitsplatz eingerichtet hat, vergeht gut und gern eine halbe Stunde. Ich traue sie in dieser Phase nicht anzusprechen. Kaum ist das erledigt, geht sie in die Teeküche, um ihr mitgebrachtes Obst zu schälen und mundgerecht zu schnipseln. Frau darf nicht hungern. Zurück im Büro kaut sie mir was vor… Ich sehe, wie sie es genießt. Ohne das ginge es nicht. Mann! Mann! Mann! denke ich bei mir und fühle mich regelrecht angewidert. Wo isst sie diese Mengen hin? Meine Kollegin ist von zierlicher Gestalt. Sie wiegt kaum mehr als einen Zentner. Sie ist schon was Besonderes und nicht einfach in ein paar Sätzen zu beschreiben. Allerlei Ängste sitzen ihr im Nacken – ich fühle mich an meine Mutter erinnert, die einem ähnlich übertriebenem Ordnungssinn frönte. Zwänge entstehen und können den Alltag bestimmen. Meine Kollegin sagt, sie habe Angst, es könne im Alter schlimmer damit werden. Gut, dass sie ihre Macken wahrnimmt. So kann sie bewusst gegensteuern. Ich schätze aber, dass unsere Dämonen nicht so leicht zu besiegen sind…
Wenn man jahrelang ein und demselben Menschen im Büro gegenübersitzt, bekommt man Anwandlungen wie in einer Ehe/Partnerschaft: Der Mensch ist im Großen und Ganzen entzaubert – man entdeckt immer mehr Sachen an ihm, die einen abstoßen…* Dabei mag ich meine Kollegin. Ich hätte es schlechter erwischen können. Wie auch immer – die Kollegen/Kolleginnen kann man sich nicht aussuchen. Ich war diesbezüglich meist sehr anpassungsfähig. Wenn ich mir überlege, mit welchen Besen ich damals Nachtdienste (im Altenheim) schieben musste. Aber fast immer fand ich einen Draht zu ihnen, schloss sie sogar nach einer Weile ins Herz. Es war wie mit den schwierigen Alten, zu denen mich die Stationsleitung schickte, weil ihr der Draht fehlte… Privat würde ich mir freilich andere Leute aussuchen. Am liebsten sind mir Menschen, bei denen ich mich fallen lassen kann, in deren Anwesenheit ich mich ohne Maske bewegen kann – nicht ständig überlegen muss, ob ich dies oder jenes sagen kann. Heute Nacht träumte ich von einem alten Freund, wo ich genau diese Leichtigkeit empfand, wenn ich ihn besuchte. Jedenfalls eine Zeit lang. Ob er noch lebt? Er war starker Raucher und hatte damals schon Probleme mit der Lunge… Beim Dokumentieren von Bronchialkarzinomen kommt er mir oft in den Sinn… Mensch Armin, wo steckst du?
Die ersten Sonnenstrahlen durchbrechen die Trübnis. Ich unterbreche meinen morgendlichen Gedankenexkurs. Kann noch was werden aus dem Tag?



*Ich gerate dann in einen regelrechten Gewissenskonflikt: Ich darf solche Gefühle gegenüber meiner Kollegin nicht haben – und fühle mich mies deswegen.

Samstag, 6. April 2019

Geil


Kurz vorm Aufwachen träumte ich von einem Typen, dessen Frau ihm zu seinem Geburtstag einen runterholen wollte. Aber ständig störten ankommende Gäste. Auch war die Frau nicht richtig bei der Sache. Der Typ stand ziemlich frustriert da mit seinem Geburtstagsständer…

Gut, dass ich nicht Geburtstag habe und keine Frau, die`s nicht gebacken kriegt.
Yeah – Wochenende! Was steht sonst noch an? Soll hier in Berlin ganz goldig werden das Wetter. Die sogenannten Frühlingsgefühle kitzeln.
Gestern mit ein paar Kolleginnen und Kollegen beim Mexikaner gespachtelt. Eigentlich liegt mir solch nachfeierabendliches Zusammenklönen nicht. Aber ich befinde mich derzeit in einer Situation, wo ich besser Kontakte pflegen und/oder ausbauen sollte. Es war eine nette kleine Runde, und es uferte nicht aus. Ich trank gepflegte drei Bier während des Essens. Kein Vergleich mit den Betriebsfeiern damals im Altenheim, wo gesoffen wurde, bis das Licht ausging.
Wie viele Tage hocke ich eigentlich jedes Jahr im Büro? Kann man natürlich googeln… In Berlin sind es 251 Arbeitstage für 2019, minus 30 Tage Urlaub bleiben 221. Das heißt, ich muss rund 60% des Jahres malochen. Ich saß an meinem Schreibtisch bei der Dokumentation und dachte: FUCK – much too much! Ab und zu suche ich krampfhaft nach ein paar Themen, mit denen ich mich von der Tumorscheiße ablenken kann. Du wirst blöde im Kopf, wenn du stundenlang Diagnosen, Pathobefunde und Behandlungen ins Dokumentationssystem kloppst. Gut, dass meine Kollegin wieder aus dem Krankenstand zurück ist, und ich nicht mehr alleine im Zimmer sitze. Ein Wortwechsel und ein paar Lacheinheiten zwischendurch sind Gold wert.
Okay, aber jetzt ist erstmal Wochenende. Ich freue mich auf die Sonne und den Biergarten. Eine verrückte Idee wäre auch nicht schlecht. Irgendwas, wo ich sagen könnte: Wow! Das ist der Hammer! Das verändert alles! Warum ist mir das nicht schon früher eingefallen?!
Ich denke dabei an nichts bestimmtes. Es wäre sowas wie die Geburt von etwas grundlegend Neuem – eine Erleuchtung! Wenn ich mir überlege, wie viel Zeit ich mit Grübeln verbringe… Ein paar geile Gedanken sind immer mal wieder dabei, letztlich blieb es aber eine endlose Wichserei ohne durchschlagenden Orgasmus.

Sonntag, 25. November 2018

Wie viel Diskriminierung muss man hinnehmen?


Ich wartete gespannt, bis die Kollegin mit ihrem Anliegen herausplatzte. Sie schloss die Bürotür hinter sich. „Es muss nicht jeder mitkriegen…“, tat sie geheimnisvoll. Sie gehört zu jenen Hühnern, die gern mit anderen mauschelt. Wind um nichts machen ist eine Lieblingsbeschäftigung einiger Hühner. Aber so sind sie eben. Ich finde sie trotzdem fast alle auf ihre Weise prächtig und unterhaltsam…, solange sie mich nicht in ihre Geschichten hineinziehen. In dieser Hinsicht bin ein gebranntes Kind. Allzu gut erinnere ich mich an gewisse Geschehnisse aus meiner Altenpflegezeit, als ich zwischen die Hühner-Fronten geriet… Das war sehr, sehr unangenehm.
„Wusstest du, dass wir für die Rufbereitschaft unterschiedlich bezahlt werden?“ fuhr sie bedeutungsvoll fort. „Nein, da habe ich mir noch gar nicht den Kopp drüber gemacht“, erwiderte ich stirnrunzelnd. Und die Kollegin erläuterte mir, dass die Rufbereitschaft nicht für alle gleich, sondern proportional nach dem Gehalt, welches man verdiente, vergütet wurde. Somit erhielten unsere Chefin und bessergestellte Kollegen und Kolleginnen entsprechend mehr Geld für dieselbe Leistung. Zweifellos eine Ungerechtigkeit, stimmte ich der Kollegin zu. Da die Rufbereitschaft freiwillig ist, überlegen sich nun einige auszusteigen. „Soll doch die Chefin die Rufbereitschaft alleine machen…“, meinte die Kollegin hämisch. Mir gefiel der Tonfall nicht, in dem sie die Sache vortrug. Auch ich mag die Chefin nicht sonderlich – aber solange sie mir nicht zu nahe kommt… Sie ist zwar Nutznießerin dieser Ungerechtigkeit aber wie wir alle nur angestellt. „Mal sehen, was der Betriebsrat dazu sagt“, meinte ich. „Der wird auch nichts machen können…, also ich steige aus…“, und die Kollegin hob hervor, wie sehr sie sich den Arsch für den Betrieb aufreiße und bisher kein Entgegenkommen erhalten habe – nun sei eine Grenze erreicht. Ich schwieg. Die Kollegin hatte damals fast zeitgleich mit mir in dem Betrieb angefangen. Ich war verdammt froh, dass ich den Job kriegte. Inzwischen habe ich mich einigermaßen akklimatisiert. Im Großen und Ganzen kann ich mich über Bezahlung und Arbeitsbedingungen nicht beklagen. Auf Stress mit der Geschäftsleitung bin ich nicht aus. Aber natürlich solidarisiere ich mich mit den Hühnern, wenn es Sinn macht und verhältnismäßig ist…
In der Rufbereitschaft werden wir einfachen Angestellten gegenüber den besser positionierten eindeutig diskriminiert. Von wegen – gleicher Lohn für gleiche Leistung. Ich bin auf die Begründung der Geschäftsleitung gespannt – übrigens alles in Frauenhand. (Meine ja nur.)

Sonntag, 4. November 2018

Aber es war ja Halloween


Ach ja, da war noch was. Nicht gerade ein Highlight, aber immerhin ein Kratzer auf der ansonsten eintönig grauen Oberfläche. Es betraf den 31.10.2018, der in Brandenburg Feiertag war (Reformationstag), doofer Weise in Berlin nicht. Urg. Dies fanden die Berliner Mitarbeiter unseres Unternehmens (zu denen ich auch gehöre) zurecht als ungerecht. Man muss dazu wissen, dass der Firmensitz in Brandenburg ist. Unsere Oberchefin machte uns Berlinern darum ein Ausgleichs-Angebot: Wer wolle, könne am 31.10. (also letzten Mittwoch) ab 12 Uhr mittags an sogenannten teambildenden Maßnahmen teilnehmen. Was wir damit machten, überließ sie uns. Immerhin. Wir könnten z.B. in ein Café gehen…
Unsere regionale Chefin bestimmte dann allerdings, dass wir die „teambildenden Maßnahmen“ im Konferenzraum unserer Arbeitsstelle wahrnahmen. Fast alle waren dabei (einzige Ausnahme meine Bürokollegin). Der Nachmittag wurde mit Fresserei und Gesellschaftsspielen ausgefüllt. Ziemlich gruselig – für einen sensiblen Menschen wie mich (aber es war ja Halloween). Ich hielt durch. Was blieb mir anderes übrig? Ich klammerte mich an meine Kaffeetasse…
Gegen 15 Uhr 30 löste sich die gespenstische Veranstaltung auf. Unsere Chefin hätte nun Gnade vor Recht ergehen lassen und sagen können: „Ich wünsche Ihnen einen schönen Feierabend…“ Doch niente! Soviel Arsch hatte sie nicht in der Hose. Wir kehrten also zu unseren Arbeitsplätzen zurück… Aber kaum einer hatte Lust, nochmal seinen Computer hochzufahren. Fast alle gingen. Da wir Gleitzeit haben, ist das möglich. Einige von uns verzeichneten darum an diesem Tag ein Minus auf ihrem Arbeitszeitnachweis. Ich auch. Ätzend.
Verarschen kann ich mich selbst (aber es war ja Halloween).

Samstag, 20. Oktober 2018

Zwischenstaging


Mit den Büro-Hühnern komme ich zurzeit ganz gut klar. Ich würde sogar sagen, dass ich sie ins Herz geschlossen habe – ähnlich wie damals die Alten im Altenheim. Dass ich in ihrer Mitte angekommen bin und auch in Sachen Tumordokumentation einige Fortschritte machte, sehe ich an den Neuen, die sich wie ich damals durch einen dichten Wald von Fragezeichen zu kämpfen haben, während ich die Tumorfälle mit meiner erfahrenen Kollegin inzwischen auf Augenhöhe diskutiere. Nein, ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen – ganz durchsteigen werde ich in diesem Job wohl nie. Man muss nicht alles haarklein verstehen. Sowieso kommt ein gewisses Verständnis ganz von allein. Einfach am Ball bleiben… Das größte Wissen nutzt nichts, wenn man`s nicht kapiert und daraus keine Lehren ziehen kann. Ich halte unsere überbordende Wissensgesellschaft für äußerst verwirrend und belastend für den Einzelnen. Alles wird durcheinander geschmissen. Kein Schwein blickt mehr durch. Jeder hockt auf der Insel seines seeligen Spezialwissens und spricht in Sieben Siegeln. Überhaupt wird viel zu viel gequatscht (vor allem aneinander vorbei). Unglaublich dieser tagtägliche verbale Dünnschiss!
Was ich aber sagen wollte: Auch wenn ich weit davon entfernt bin, dass mir die Arbeit Spaß macht, habe ich mich doch unleugbar ein Stück weit akklimatisiert. Viel mehr muss gar nicht sein. Wenn ich mich dann noch privat von der Trennung erhole und ein paar nette Bekanntschaften mache, kann ich mich als rettungslos glücklichen Menschen betrachten.

Samstag, 15. September 2018

Rückfall


Die erste Woche nach dem Urlaub zurück im Büro überstanden. Alles befand sich noch an seinem Platz. Lediglich eine Pflanze sah merklich mitgenommen aus. Bei meiner Kollegin konnte ich nicht nachfragen, weil die ihren Sommerurlaub antrat, kurz bevor ich zurückkehrte. Das heißt, ich werde noch einige einsame Bürotage vor mir haben. Ab und zu besuchen mich zwar die Hühner, oder ich besuche sie an ihren Wirkungsstätten, aber das ist nicht dasselbe. Ich vermisse meine Kollegin.
Und sonst? Zwei neue Hühner im Sortiment, um die Flut der Tumormeldungen zu bewältigen. Die Panzerschränke sind nach wie vor gestopfte voll. Wir hinken rettungslos mit der Dokumentation hinterher. Aber davon lassen sich die Hühner weitgehend die Laune nicht verderben, und das finde ich gut! Nach meinen von Einsamkeit geprägten Urlaubstagen hörte ich sie gern gackern und lachen.
Die Rückkehr an meinen Arbeitsplatz verlief also ganz passabel.

Alles gut soweit. Aber dann hatte ich einen Liebesrückfall. Ich saß am Computer, fing gerade mit dem Dokumentieren an (Mamma- und Colon-Karzinome), da erwischte mich eine warme Welle Sehnsucht nach ihr. Und ich gab nach. Ich warf meine Bedenken über Bord und kontaktierte sie. Das erste Mal… seit Monaten. Ich glaube, ich schrieb: „Ich habe furchtbar sehr Sehnsucht nach dir.“ Nach ein paar Stunden antwortete sie: „Ich auch.“ Die Kommunikation verlief schleppend, aber schließlich keimte etwas Hoffnung bei mir auf. Vielleicht war es nicht falsch gewesen, der Sehnsucht nachzugeben. Meine Ratio hatte ich in diesem Moment weitgehend ausgeschaltet. Ich vertraute einfach meinen Gefühlen, so wie damals, als ich sie auf Mallorca kennenlernte. Warum auch nicht? Alle Probleme und Hindernisse können sich in der Liebe auflösen, als gäbe es sie nicht. Ich saß nach Feierabend im Biergarten und simste mit ihr, und hinterher fanden wir beide, dass es ein gutes Gespräch war.
Die Enttäuschung folgte auf dem Fuße. Wäre wohl auch zu schön gewesen – sowas wie eine Reunion. An mir lag`s nicht. Als ich nach einem baldigen Treffen fragte, kriegte ich gleich die erste Klatsche. Sie sei zurzeit total in die Arbeit eingespannt…, antwortete sie. Und bald darauf ließ sie durchblicken, dass das gut und wichtig für sie sei, vor allem finanziell, auch gesundheitlich, weil sie seitdem weniger Bier trinkt.
Sie schrieb: „Ich will nur Frieden.“
„Aber ich lasse dich doch in Frieden.“
„Ich meine den Frieden, den ich nur mit dir haben kann.“
Und da schafft sie es nicht, sich ein paar Stunden am Wochenende frei zu machen, um mich zu treffen!? Sie liebt mich nicht mehr…, alles ist ihr wichtiger als ich, sie braucht mich nur um des lieben Friedens willen. Rumms! Ich ging (innerlich) in die Knie. Die Tränen schossen mir in die Augen. Was hatte ich mir nur eingebildet? Wie dumm von mir, der Sehnsucht nachgegeben zu haben.
„Nein“, antwortete ich ihr, „es war ein Fehler, tut mir leid.“
Ich hatte die Deckung einen Moment lang aufgemacht, und schon hatte sich mein Herz eine blutige Nase geholt.

Mein Gedanke heute: Es hätte nie ein nach Mallorca für uns geben dürfen.

Samstag, 21. Juli 2018

Sommer...


Staffelei erstmal weggepackt, und das „Wohnzimmer“ erstrahlt wieder in voller Größe vor mir. Ich bin zufrieden mit den zwei Schmierereien aus den letzten Wochen/Monaten. Nun Leinwände und Acrylfarben nachkaufen. Ich stelle fest, dass ich ziemlich verschwenderisch mit den Farben umging. Platz an den Wohnungswänden habe ich für neue Werke kaum. Ich will nicht alles vollhängen. Also werde ich immer mal ein paar Bilder austauschen. Heute bin ich zu faul dazu. Kommt Zeit, kommt Wandlung. In den Schränken entdeckte ich immer noch Kram, der mich an „sie“ erinnert – also weg damit in den Abfallsack! Ich leide nach wie vor unter den Folgen des Trennungs-Schocks. Sieht so aus, als müsste ich einen verdammten Berg überwinden, um dann endlich auf der anderen Seite die Geschichte endgültig hinter mir lassen zu können.
Im Büro läuft inzwischen alles weiter wie gehabt. Frust und Lust halten sich gerade so die Waage. Jeden Tag ein Kampf hin zum Feierabend. Kaum aufbauende Momente, - immerhin eine gute Kollegin, die nur selbst ziemlich frustriert ist, und am liebsten die verbleibenden zwei Jahre bis zu ihrer Rente abkürzen würde. Sie erinnert sich an bessere Zeiten in der Tumordokumentation, als die Arbeit noch sinnträchtiger erschien. Ich kenne die alten Zeiten nicht, von denen sie redet, und bin bisher froh, dass sich der Leistungsdruck in Grenzen hält. Es gibt für das Gehalt, das wir bekommen, bei weitem schlimmere Jobs. Auch wenn ich zurzeit ganz schön in den Seilen hänge, will ich durchhalten. In ein paar Wochen wartet außerdem mein Jahresurlaub. Eine Fahrradreise ist geplant. Diesmal über Hamburg an die Nordseeküste.

Zwischen dem Sommer, der sich dieses Jahr wirklich ganz schön ins Zeug legt, und mir, steht eine riesige Mattscheibe. Ich komme nicht zu ihm durch…, schaffe es nicht, die Mattscheibe zu umgehen, um mich in seine Arme fallen zu lassen, um ungezwungen das schöne Wetter und die sommerliche Kulisse zu genießen. Ich packe es einfach nicht. Ich bin noch lange nicht über den Berg.

Sonntag, 17. Juni 2018

Rührei in der Mikrowelle


Man kann eine Menge machen im Leben, z.B. Rührei in der Mikrowelle. Da unser Büro unweit der Kaffeeküche liegt, kriege ich solcherlei Ereignisse am Rande mit. Der junge Kollege mit den strahlenden Augen erklärt das Rezept. Er ist ein großer schlaksiger Kerl, ein echter Sonnenschein mit tiefer sonorer Stimme. Regelmäßig veranlasst er die Hühner zu Lachtiraden. Alle mögen ihn. Er gehört zu den Menschen, denen man schwer was krummnehmen kann. Wenn er die nötige Kohle hätte, würde er ein Fitnessstudio aufmachen, erzählte er, das sei sein Traum. Wenigstens hat er einen Traum…, dachte ich bei mir, - beneidenswert. Was man nicht alles macht. Vor ein paar Jahren hatte ich null Ahnung von Tumordokumentation, und nun verbringe ich wöchentlich 40 Stunden damit. Hätte ich wie mein junger Kollege einen Traum, würde es mir vielleicht nicht so schwerfallen. Wirklich, ich kann mir keinen Traumjob vorstellen. Mein beruflicher Ehrgeiz hält sich somit stark in Grenzen. Immerhin mache ich mit der Tumordokumentation was halbwegs Sinnvolles. Oder? Meiner Kollegin und mir kommt es immer häufiger so vor, als ob wir ohne Sinn und Verstand die Daten ins Dokumentationssystem kloppen. Das zugrundeliegende Konzept erscheint mir verworren und unzureichend durchdacht. Politischer Aktionismus? Mehr Schein als Sein? Hat überhaupt jemand den Durchblick – Krankenkassen, Ärztekammer, Senat? Die Onkologischen Zentren? - Unglaublich, wie viele Organisationen und Parteien involviert sind. Man kann nur hoffen, dass in den Leitungsebenen sehr gescheite Köpfe sitzen. Unsere Arbeit wird schon von Nutzen sein, sonst würde doch nicht solch ein Aufwand betrieben werden…
Das Wochenende steht wie immer im Zeichen des Blues. Jetzt nicht mehr über den Job nachdenken. Morgen geht`s bereits wieder ran an die Buletten. Tausende Tumorfälle warten in den Stahlschränken.

Die Fußball WM lief an. Heute Deutschland gegen Mexiko. Der Fußball bedeutet etwas Ablenkung – von der Arbeit, vom Schwarzen Hund, von allem. Ich glaube, es geht nicht nur mir so. Die Kneipen und Pubs voller Leute. Und ich mittendrin. Mal sehen, - weil zu voll mag ich es nicht. Vielleicht besser im Biergarten. Dort bauten sie eine Leinwand auf. Das Wetter scheint auch zu passen. Nur kein Stress. Notfalls schaue ich mir das Drama zuhause auf der Couch an. Nach den jüngst abgelieferten Leistungen der Deutschen Mannschaft bei den zwei Testspielen, bin ich einigermaßen besorgt. Ein Tipp fällt mir schwer. Aber Löw wird schon wissen, was er tut. Oder? Wie stark ist Mexiko? Das Ballspiel hat dort eine lange Tradition… noch aus Zeiten der Mayas. Aber natürlich hat der moderne Fußball mit den damaligen Bräuchen gar nichts zu tun. Heute steht der Spaß im Vordergrund. Na ja, und das Geld. Bei solch internationalen Turnieren auch Völkerverständigung. Ein Spiel erobert für vier Wochen die Welt. Selbst der ein oder andere Fußballignorant wird von der Stimmung mitgerissen. Das rätselhafte Wesen Mensch findet sich affenmäßig zusammen, um auf einen Bildschirm zu glotzen, wo zwei Mannschaften auf einem Spielfeld 90 Minuten lang einem Ball nachjagen, welchen sie nach gewissen Regeln in den Kasten des Gegners befördern müssen. Oder so ähnlich. Was man nicht alles macht. Mehr oder weniger leidenschaftlich. Wie Rührei in der Mikrowelle…

Mittwoch, 9. Mai 2018

3. Tag


Ich könnte jeden Tag das Bett frisch beziehen. Dazu fehlt mir aber die nötige Energie. Auch heute Nacht wieder alles nass geschwitzt. Seit zwei Tagen will ich zur Apotheke und eine Kleinigkeit einkaufen, schaffe es aber nicht. Heute muss ich…, denn morgen ist Feiertag. Die Stunden verrinnen, egal ob man krank oder gesund ist, ob man arbeitet oder faulenzt. Der Malstrom der Zeit reißt einen unweigerlich mit sich… Zusammengekrümmt sitze ich am Computer. Matt lächelnd bescheinige ich mir, dass ich ganz schön am Arsch bin. Abgesehen vom Infekt nagt in mir nach wie vor der Trennungsschmerz in all seinen Facetten… Noch während sie mir ihre Liebe beteuerte, rammte sie mir hinterrücks ein Messer ins Herz. Sie zerstörte mit einem Schlag alles, was unsere wunderbare Liebesgeschichte ausgemacht hatte. Vier Jahre Glück fielen wie ein Kartenhaus zusammen. Sie entzog sich den Problemen, den gemeinsamen Aufgaben und einer gemeinsamen Zukunft. Ich verstehe die Motive, die sie mir darlegte, nicht, - war doch sie in unserer Zeit stets diejenige, die beschwichtigte und mich bei aufkommenden Zweifeln beruhigte. Und ich ließ mich hinhalten. Wenn eine Liebe wie ein Märchen anfängt, dann kann dies offenbar den Blick für die Realitäten nachhaltig verstellen.
Tagelang quasi ans Bett gefesselt, kam ich verstärkt ins Grübeln. Gegenwehr zwecklos. Alles wird tausendmal hin- und her gewälzt. Schweißgebadet wachte ich auf und fühlte mich endlos traurig und allein. Aber so ist das Leben eben. Ohne Rückschläge funktioniert es nicht. Es besteht aus Niederschlag und Wiederaufrappeln…
Nun erstmal unter die Dusche, damit ich es heute endlich vor die Tür schaffe.

Dienstag, 8. Mai 2018

2. Tag


Gestern nicht mehr hochgekommen.
Inzwischen verdichteten sich die Anzeichen, dass ich mit einem Infekt kämpfe, – könnte den Symptomen nach wieder ein Harnwegsinfekt sein wie letztes Jahr. In der Nacht ohne Ende geschwitzt. Fühle mich wie ein ausgewrungenes Handtuch. Nichtsdestotrotz bequemte ich mich kurz aus den Federn, um nicht noch depressiv zu werden. Zumal das Reservoir an Krimis und Dokus auf der Mediathek endlich ist. Alleine leben und krankwerden ist scheiße – keine Menschenseele, die einen zwischendurch bemuttert und in den Arm nimmt. Einsamkeit ist schon im gesunden Zustand kein Zuckerschlecken. Erstaunlich, was man alles aushalten kann…

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