Der Vorhang fällt


Also von mir aus kann die Welt schon heute untergehen. Ich habe die menschliche Tragödie, dieses Drama, ziemlich satt. Die Regie ist zum kotzen. Und dann die unzähligen Laienschauspieler, die öden Kulissen und die schlechten Dialoge. Vom Drehbuch will ich gar nicht sprechen. Dabei ist meine Rolle nicht die schlechteste. Ich stehe sowieso nicht gern im Vordergrund. Ich liebe meine Ruhe. Blöd ist nur, dass ich mir nebenbei alles anschauen muss. Und dann muss es einfach mal raus – dass ich dies und das zum kotzen finde. Oder einfach alles! Die Sicherungen brennen durch, und ich mache mich zum Affen. Scheiße. Plötzlich stehe ich im Scheinwerferlicht und würde am liebsten im Erdboden versinken. Dabei brach aus mir bloß mal raus, was ich denke. Ja. So ist das. Und wenn ich dann in die verblüfften, irritierten Gesichter schaue, verkrieche ich mich wieder. Ist nicht mein Ding, liebe Leute. Ist einfach nicht mein Ding. Diese Schmach! Ich will doch keiner von denen werden, die ich verabscheue – die mit der großen Klappe, die den ganzen Tag lang Scheißdreck reden und in den Pausen blöde lachen. Aber einige von ihnen stehen ganz oben. Fast oben auf dem Olymp … in Sichtnähe zu den Göttern. Wenn sie mit dem Finger schnippen, gehen tausende in den Gulag oder werden gemeuchelt. Oder sie entlassen tausende braver Arbeitnehmer …, oder sie zetteln einen Krieg an, der Millionen Menschen Tod und Verderben bringt. Ich hasse dieses Theater! Ich sage das nicht nur so. Ich habe es gründlich satt. Von mir aus kann die Welt schon heute untergehen. Dabei geht`s mir nicht schlecht. Ich habe alles. Nur diese menschliche Tragödie kotzt mich an! Von Generation zu Generation dasselbe Affentheater. Inzwischen bin ich alt genug, um es ein wenig beurteilen zu können. Die Menschheit hat es verdient unterzugehen. Schade freilich, dass auch die mit in den Abgrund gerissen werden, die es eigentlich nicht verdient haben. Die waren zu gut für die Welt. Und ich? Klar, ich hänge am Leben. Aber scheiß drauf! Macht endlich Schluss! Kein retardierendes Moment mehr. Es erübrigt sich. Das Publikum langweilt sich bereits – fast zu Tode.

tom-ate - 26. Nov. 11, 12:26

Hm, ein kleiner Widerspruch regt sich noch... *hüstel*. Ein retardierendes Moment würd ich nämlich allzu gern in Anspruch nehmen. Die Langeweile hat was Ambivalentes. Mitunter knistert das Verhängnis so doll, dass etwas weniger Handlungsdramatik dem Stück gut tun würde.

Mann, wo bleibt die Hoffnung auf ... Utopia?

bonanzaMARGOT - 26. Nov. 11, 14:11

ich weiß es schlicht nicht, tom-ate.
hoffnungen tauchen manchmal ganz unerwartet auf.
so, wie die menschheit zur zeit drauf ist, sehe ich allerdings nicht den kleinsten funken hoffnung.
es ist nur eine frage der zeit, wann das drama seinen abschluss findet.
ein asteroid sollte es nicht sein ...
der würde die menschheit ja wieder aus der verantwortung nehmen.
mir wäre es am liebsten, wenn die menschen den untgergang selbst herbeiführten.
das kann sich freilich noch eine lange weile ziehen.
und in der zwischenzeit dürfen wir uns über uns selbst ärgern.
steppenhund - 26. Nov. 11, 15:11

Ich hoffe, dass die Stimmung heute wieder besser es. Ich kann solche Ausbrüche sehr gut verstehen. Ich würde etwas anders formulieren aber das gleiche Ergebnis vorschlagen.
Der Begriff, den ich hier gerne verwende, ist "Channel Choke", zu deutsch Kanalverstopfung. Ich verwende ihn, wenn ich zu viel Arbeit habe und ich nicht weiß, wo ich anfangen soll. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Arbeiten an sich freudvoll sind.
Die Situation in der Welt im Allgemeinen ist aber so, dass man sich fragen muss, wie es überhaupt angehen kann, dass niemand kapieren will, dass es so nicht weiter geht. Meine Schlussfolgerung ist, dass die Menschen zu dumm sind, um ohne Krieg oder Naturkatastrophen aus zu kommen. Nachdem Krieg aber eher schmutzig und unangenehm ist, hoffe ich, dass der nächste schnell und terminierend ist.
Das retardierende Moment stellen natürlich die Naturkatastrophen dar. Da werden dann für immer kürzer währende Momente die Menschen erinnert, dass es noch etwas anders gibt als Talkshows und Konsum.
Meine Philosophie setzt ja die Kraft des Lebens und Überlebens voraus. Aber ich sage nicht, dass hier der Mensch mit eingeschlossen sein muss. Wir sind einfach zuuu deppppart!

bonanzaMARGOT - 26. Nov. 11, 16:22

gegen die naturkatastrophen können wir erstmal nicht viel mehr machen, als schutz zu suchen. oder redest du von den von menschen verursachten naturkatastrophen? da wäre natürlich präventiv einiges zu tun.

ich glaube nicht, dass die menschen zu blöd sind. aber sie sind auf alle fälle in ihrer masse viel zu träge, um die gefahren, die sie selbst verursachen, noch abwenden zu können.
ich denke, dass sich diese trägheit sogar naturwissenschaftlich erklären läßt.
bei nun sieben milliarden menschen auf den kontinenten dieser erde ... uff! wie sollen wir die unter einen hut bringen??
es ist doch klar, dass den meisten ihr eigenes überleben näher liegt als das wohl der gesamtheit. und solange der kapitalismus den raubau an der natur und unseren lebensgrundlagen fördert, kann man von den menschen, die in dieses system verflochten sind, nicht erwarten, dass sie einem ökologischen idealismus folgen.
ist doch einleuchtend?
steppenhund - 26. Nov. 11, 20:10

Was Du als "träg" bezeichnest, bezeichne ich als blöd. ich selber war z.B. zu blöd, um auf meine Zähne zu schauen. Gut jetzt habe ich sie in Ordnung gebracht - für einiges Geld. Aber in Wirklichkeit war ich zu träg, um mir regelmäßig die Zähne zu putzen, als es noch etwas geholfen hätte.
Den Unterschied zwischen Trägheit und Blödheit kann ich nicht mehr erkennen.
bonanzaMARGOT - 27. Nov. 11, 09:00

das war träge und blöd, steppenhund, dass du dir zu wenig die zähne geputzt hast. ich machte mir die zähne kaputt, indem ich sie zu fest und zu viel putzte - das war nur blöd.
ich bezahlte auch gerade eine rechnung von mehreren tausend euro an meinen zahnarzt. geheiligt seien die zahnärzte - sie leben von unserer blödheit.

trägheit sehe ich nicht als blödheit an. trägheit ist ein phänomen der masse, welches wir auch aus der physik kennen.
blödheit dagegen ist ein phänomen des verstandes oder besser des unverstandes.
natürlich kannst du in der menschlichen dimension sagen: meine trägheit war blöd. aber bei einigen millionen oder gar milliarden menschen hat man es mit einer art trägheit zu tun, die nicht auf blödheit basiert sondern auf der masse.
wenn eine große masse erstmal eine richtung eingeschlagen hat, ist sie nur ganz schwer wieder umzulenken.
steppenhund - 27. Nov. 11, 09:26

Deine Argumentation ist nicht so falsch und bringt eigentlich noch ein weiteres Element hinein: das Verhalten der Masse an sich. Seit ich Canettis Masse und Macht gelesen habe, glaube ich aber zu erkennen, dass die Gruppenphänomene eben aufgrund der Dummheit zustande kommen. Oder aufgrund anderer schlechter Eigenschaften der Menschen wie z.B. der Gier.
Es ist doch leicht zu sehen, dass die Werbung heute fast ausschließlich mit dem Argument hantiert, dass etwas "geschenkt wird". Einem vernünftigen Menschen sollte einleuchten, dass es das nicht geben kann. Trotzdem fallen z.B. ältere Einzelpersonen immer wieder auf den Schmäh mit den Verkaufsreisen hinein, obwohl darüber ausführlich in den Zeitungen berichtet wird.
bonanzaMARGOT - 27. Nov. 11, 09:57

der verstand läßt sich aushebeln, weil wir eben auch triebhafte, emotionale wesen sind. die versuchungen sind dann mächtiger als das diktat der vernunft. das ist sehr menschlich und bei den individuen unterschiedlich ausgeprägt. aufklärung hilft zwar - doch nur bedingt. wir sehen dies auch in religiösen kontexten, wo es für viele menschen ganz normal ist, dass die naturgesetzte nicht gelten.
der verstand läßt sich außerdem als werkzeug mißbrauchen, um menschen irre zu führen. sicher beruhen darauf viele verkaufskonzepte, wo mit kalkül z.b. die ängste und hoffnungen der menschen ausgespielt werden.
keine gute sache. aber inzwischen ganz normal.
bei der masse kommt der herdentrieb hinzu - was auch ein ganz natürliches phänomen ist. das hat wahrscheinlich sogar einige nützliche funktionen (die natur ist nicht blöd), aber wenn die herde auf den abgrund zurennt, zeitigt der herdentrieb verhängnisvolle folgen.
tom-ate - 27. Nov. 11, 11:51

"wenn eine große masse erstmal eine richtung eingeschlagen hat, ist sie nur ganz schwer wieder umzulenken." – Völlig einleuchtend, physikalisch betrachtet.

"die natur ist nicht blöd" – Nein, aber auch wenn ganze Herden sich in Abgründe stürzen, ist ihr das schlicht egal. Sie hat bisher immer neue Herden geschaffen aus ihrem reichen genetischen Ausgangsmaterial. Nur dem Menschen und einem galaktischen Schicksalsschlag wäre das ganz große Finale zuzutrauen. Der Mensch als Sieger im Kampf gegen die Natur. Tolle Sache. Nicht mal träge, aber ziemlich blöd.
bonanzaMARGOT - 27. Nov. 11, 12:05

der sieg über die natur ist eine absurdität.
wir sind natur.
aber wir können das erforschen, was wir sind. dies ist möglicherweise relativ einzigartig in der natur.
jedenfalls wenn man es größenspezifisch betrachtet.

momentan stellt sich für mich einfach die frage: was können wir für unseren arterhalt auf der erde tun?
können wir wirklich eingreifen? oder ist das ende bereits besiegelt?

es ist keine schöne vorstellung, dass ich, dass wir vielleicht zu einer der letzten generationen des homo sapiens sapiens gehören.
warum eigentlich? es könnte mir piep schnurz egal sein.
vielleicht lebe ich in der illusion, mit der menschheit irgendwie zu überdauern ...

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