Freitag, 10. April 2015

Bombay Sapphire


Der Vermieter, bei dem wir bis Ende April zur Untermiete wohnen, ist von Kambodscha zurück. Er holte seine Post ab. Ich war alleine in der Wohnung. „Komisches Gefühl“, sagte er, nachdem ich ihn hereingebeten hatte, „wenn man in seiner eigenen Wohnung zu Gast ist.“ Er untervermietete zum ersten Mal. Das Geld konnte er sicher gut gebrauchen, um den Flug zu finanzieren. Er wirkte zurückhaltend und nett. Wir hatten uns bisher nur telefonisch und per Mail kennengelernt. Wir plauderten über dies und das und seinen Kambodscha-Aufenthalt, um die Atmosphäre aufzulockern. Die Tüten mit den Bierdosen hatte ich vorher aus dem Sichtfeld geräumt und auch etwas Staub gewischt, schließlich noch den Gin zurück in seine Hausbar gestellt. Auf die schaute er zuerst, und ich meinte scherzhaft, dass ich noch nicht alles geschafft hätte. Darauf er lächelnd: „Dafür habe ich ja die Kaution.“
Wie die Vandalen hausten wir sowieso nicht. Ich erzählte ihm von der Beschwerde der Nachbarin aus der Wohnung darunter. „Lassen Sie sich dadurch nur nicht verärgern,“ wiederholte er mehrmals beschwichtigend, „das soll Ihren Aufenthalt hier nicht trüben.“
Ich wusste, dass er Jura studierte und gerade an seiner Examensarbeit saß. So sah er auch aus – typisch Student, Anfang Dreißig. Bis wir ausziehen, wohnt er bei seiner Freundin in Neukölln. Vielleicht würde er nochmal vorbeikommen, um einige Studienunterlagen zu holen; „natürlich kündige ich mich vorher an“, sagte er, „und richten Sie bitte einen herzlichen Gruß von mir an Ihre Freundin aus!“ Wir verabschiedeten uns.
Wenn ich an unsere Begegnung denke, sehe ich vor allem seinen üppigen aber gepflegten Vollbart vor mir. Solche Bärte scheinen gerade unter jungen Leuten seit einiger Zeit Konjunktur zu haben - nicht nur bei Salafisten oder Langzeitstudenten. Wahrscheinlich wollen die Milchbubis dieser Welt damit ihre Männlichkeit unterstreichen. Wie dem auch sei, ich fand den Vermieter recht sympathisch. Inzwischen kaufte ich zwei Flaschen Gin nach. Er hat eine teure Sorte in seiner Hausbar. „Bombay Sapphire“. Mal ausrechnen, wie viele Flaschen ich davon für die Kaution kaufen kann.

Mittwoch, 8. April 2015

Eintauchen


Die dritte Woche in Berlin. Ein Stück Alltag kehrt ein. Die Wege und Orte vertraut, wo man immer wieder auftaucht – aus Zweckmäßigkeit oder Gewohnheit. Jeden Tag gewinne ich mehr Orientierung in dem Wirrwarr der Namen von Straßen und Plätzen. Der Körper der Stadt ist groß aber nicht endlos. Die Typen von Menschen, die sich überall ähneln im Aussehen und Gehabe. Auch die Häuser, Parks, Straßenecken, Kneipen und Restaurants gleichen sich vielerorts. Die Stadt als großer Irrgarten. Würde man alle Ähnlichkeiten aus Berlin herauskürzen, was bliebe übrig?
Der nie abreisende Strom der Autos auf den Straßen unterstreicht das funktionierende Tohuwabohu. Der städtische Riesenorganismus breitet sich wie ein Pilzgeflecht nach allen Seiten aus. Was machen wir Menschen hier? Alles ist Selbstzweck, um dem Dasein seine Aufwartung zu machen. Der Sinn dahinter ein Mirakel. Träumen und leben, lieben und geliebt werden. In den Millionen Augenpaaren spiegelt sich die gleiche Sehnsucht... und Traurigkeit. Immer auf der Suche nach Plätzen, die gefallen, - auf der Suche nach Bedeutung. Im Schicksal sind wir alle Brüder und Schwestern. Berlin oder nicht Berlin. Egal wo. Die ganze Welt ist ein Berlin.





Mittwochs-Weisheit

Es gibt ein Wort, das man nur in Berlin versteht. Aber auch nur in Berlin finden sich Erscheinungen, die man damit bezeichnen muß. Es ist dies der Ausdruck: Quatsch. […] Quatsch ist nicht etwa der Unsinn. Es lebe unter Umständen der Unsinn! Den Unsinn haben Ästhetiker göttlich genannt, den echten, wahren, natürlichen Unsinn, der die Hälfte z. B. des Wiener Witzes ausmacht. »Ein vollkommener Widerspruch fesselt Weise und Toren«, sagt Goethe; aber der relative Widerspruch ist das ewig Gesuchte, das niemals Zutreffende, das herren- und ziellos Herumtaumelnde und Faselnde, mit einem Wort das Quatsche.
(Karl Gutzkow, 1854)

Freitag, 3. April 2015

Wird schon schiefgehen


Wir haben die Wohnung! Nun muss ich irgendwie meinen Umzug regeln. Für Ende April. Dann Anmelden im Bürgerbüro. Termine dafür gibt es erst Ende Mai. Ich machte bereits online einen aus. Im Bürgeramt Heiligensee. Am Arsch der Welt. In den Berliner Bürgerämtern ist der Teufel los. Ich hasse Ämter. Alle Sorten. Ans Arbeitsamt darf ich gar nicht denken... Das wird auch noch was werden!

Der Karfreitag ist grau und kalt. Ich meine, die Großstadt leise stöhnen zu hören. Die Feiertagsträgheit liegt bleiern in der Luft. Die Birken vorm Fenster wiegen sich im Wind. Wir werden Spazierengehen und heute Abend in der Pizzeria gegenüber den Wohnungserfolg feiern. Ich fühle mich wie ein Kind vor Weihnachten, das ungeduldig auf sein Geschenk wartet. Nur das Drumherum wird noch ziemlich anstrengend. An was man alles bei einem Umzug denken soll.
Wird schon schiefgehen...

Allen Bloggern, insbesondere den Berlinern, frohe Ostern!

Mittwoch, 1. April 2015

Mittwochs-Weisheit

Ich wurde gut erzogen. Keine Ahnung, was dann passiert ist.
(Spruch auf dem Vermieter-Kühlschrank)

Dienstag, 31. März 2015

Herumtrampeln, lautes Telefonieren und gewisse andere Geräusche


Ich wunderte mich, als mir die Mutter bei der Schlüsselübergabe eine Packung Ohrstöpsel reichte. Die Mieter über uns würden ihren Sohn oft stören. Es gäbe da einen Pflegefall. Und gerade jetzt, wo er an seiner Examensarbeit säße, wäre er sehr empfindlich. Dass man in einem Gebäude mit vielen Mietparteien die ein oder anderen Geräusche aus den Nachbarwohnungen hört, halte ich für völlig normal. Die Ohrstöpsel benötigten wir bisher auch nicht. Stattdessen klingelte es vor wenigen Tagen an unserer Wohnungstür. „Ich wohne unter Ihnen“, sagte die alte, grauhaarige Frau, „und möchte mich über den Lärm beschweren...“ Angeblich trampelten wir in der Wohnung herum, und außerdem hörte sie auch noch gewisse andere Geräusche, „Sie müssen wissen, dass das Haus sehr hellhörig ist.“ Ich war von der Beschwerde peinlich berührt. Mir war wirklich nicht bewusst, dass wir einen solchen Krach veranstalteten – zumal wir die meiste Zeit des Tages in Berlin unterwegs waren. „Tut mir leid“, sagte ich verdattert.
Gestern saßen wir im Büro der Wohnungsgenossenschaft, das sich nur wenige Meter schräg gegenüber befindet. Meine Partnerin benötigte eine Bescheinigung fürs Rathaus, um sich anzumelden. „Da Sie schon mal da sind“, sagte die Dame von der Wohnungsgenossenschaft, „mir liegen Beschwerden über Sie wegen Ruhestörung vor. Es ist besser, wenn ich es Ihnen mündlich sagen kann...“ Sie wiederholte im Prinzip die Worte der alten Frau. Hinzu kam der Punkt angeblich lauter Telefonate. Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss.
„Hören Sie, meine Partnerin und ich machen sicher keinen Lärm. Wir sind kaum im Haus!“
Beruhigen Sie sich. Ich gebe nur die Beschwerden weiter. Es ist eben sehr hellhörig dort.“
Eigentlich hatte ich die Dame noch auf unsere Wohnungssuche ansprechen wollen, aber nach diesen unverschämten Unterstellungen und die Art und Weise ihres Vortrags, wollte ich nur noch so schnell wie möglich das Büro verlassen. Diese Anspielungen auf den Lärm bei unserem Liebesspiel war die Krönung! Meine Ohren glühten, während die unsympathische Dame von der Wohnungsgenossenschaft wiederholte: „Ich gebe nur weiter, was mir gesagt wurde. Das Haus ist eben sehr hellhörig...vielleicht können Sie die wenigen Wochen, die Sie dort wohnen, die Lautstärke reduzieren...“
„Ich will sicher niemanden verärgern!“ sagte ich im Gehen, „Tschüss!“
Der Wind blies uns kalt entgegen auf dem Weg zur Bushaltestelle. Wir konnten nicht fassen, was wir gerade erlebt hatten.

Montag, 30. März 2015

...


10 Tage in Berlin. Licht- und Schattenspiel. Liebestrunken. Von der Einsamkeit in die Zweisamkeit. Launen, die ich sonst mit mir selbst ausmache, bekommen plötzlich eine Plattform. Das Ego begehrt auf. Und die Liebe zähmt es.
Aprilwetter. Fette graue Wolken über dem Häusermeer. Die Bäume noch kahl - ihre Zweige tanzen im Wind. Ich denke an die Fortsetzung unseres zarten Glücks, an Frühling und Sommer, an ein neues Zuhause...

Sonntag, 29. März 2015

TV-Tipp:

"Django Unchained", 20 Uhr 15, Pro 7

Mittwoch, 25. März 2015

Mittwochs-Weisheit


Der Mensch ist viel mehr, als er denkt. Und auch viel weniger. (bonanzamargot)

ein literarisches Tagebuch

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