Donnerstag, 19. März 2015

Die Zeit ritzt


Es klopft an meiner Tür. Eigentlich erwarte ich niemanden. Selbst die Zeugen Jehovas kommen nicht mehr.
„Ich bin der Zeitbote“, sagt eine androgyne Gestalt, die in schlichtem Grau gekleidet ist.
„Ah ja.“
„Ich habe hier eine Eilsendung für Sie.“ Er greift in eine Tasche seines Anzugs, die vorher nicht da war und überreicht mir ein Papier, das nicht mehr als ein Papier ist – auf den ersten Blick. Ich nehme es wie konsterniert entgegen und stottere: „Danke.“ Der Zeitbote lächelt und löst sich vor meinen Augen auf. Das kahle Geäst vibriert im Sonnenlicht. Ich stehe noch kurz im Türrahmen und nehme ein paar tiefe Atemzüge. Der Boden für den Frühling ist bereitet. Die Luft schmeckt frisch und erdig.
Am Schreibtisch falte ich das Papier auseinander. Verrückt, aber es lässt sich immer weiter auseinander falten, ohne dass es größer wird. Ich schaue auf meine Handlinien, die mit den Falten des Papiers zusammenwachsen... Meine müden Augen schließen sich. „Alles ist gut“, denke ich, „der Traum ist wahr.“
Schlafwandlerisch packe ich meine Reisetasche. Der Zug nach Berlin geht morgen 11 Uhr 40.

Mittwoch, 18. März 2015

Mittwochs-Weisheit

“An intelligent man is sometimes forced to be drunk to spend time with his fools.”

Ernest Hemingway

Dienstag, 17. März 2015

TV-Tipp:

"Sade", 20 Uhr 15, ZDF KULTUR

"Inge"


„Nicht alles was sich reimt, ist ein Gedicht, und nicht alles, was zwei Backen hat, ein Gesicht“, sagte die ältere Frau hinter mir im Biergarten der Züchterklause und kicherte. Unter der Woche kamen hauptsächlich Rentner, um ein paar Stunden ihrer verbleibenden Lebenszeit totzuschlagen. Sie kennen sich alle und sondern unglaublich viele Sprüche ab, wenn der Tag lang ist. Die meisten Sprüche sind dumm, und darum merke ich sie mir nicht, aber der von dieser Frau gefiel mir irgendwie.
„Inge, dasselbe wie immer?“ fragte die Bedienung und hatte das Bier schon dabei. Die Frau rechnete das Kleingeld in ihrem Geldbeutel nach und kam zu dem Schluss, dass es reichen sollte. Sie dachte laut, bzw. sprach mit sich selbst. Ich sehe sie nie bei den anderen sitzen. Sie sitzt immer alleine. Na ja, ich auch... Die Züchterklause ist ein schönes Ziel für Fahrradausflüge an sonnigen Tagen. Ich pausiere gern dort und trinke gemütlich mein Bier. Bei dem frühlingshaften Wetter bieten sich solche Ausflüge an. Auch ich muss einige Zeit am Tage totschlagen. Ich verträume sie am liebsten. Ich kann sehr lange einfach in die Luft gucken.
Also, ich will niemanden mit meinem Tagesablauf langweilen – der war übrigens auch nicht viel anders, als ich noch arbeitete. Während ich die Rentner im Biergarten betrachte, frage ich mich, ob ich mal genauso werde. Was wird in den nächsten 20 Jahren mit mir passieren? Zu einem Sprücheklopfer werde ich bestimmt nie werden. Vielleicht sitze ich wie Inge alleine herum und zähle das Geld, das mir zum Vertrinken bleibt... Vielleicht rede ich wie sie mit mir selbst und lächele in die Sonne.




Sonntag, 15. März 2015

Unvergessliche Lehrer (1)


Frau M. machte ihrem Namen alle Ehre. Sie moserte viel herum mit uns Kindern in der Sexta. Ihre Strenge war legendär. Erst im Gymnasium lernte ich Lehrer wie sie kennen, die mir die Schule nachhaltig verleideten. An die Lehrer in der Grundschule habe ich im Großen und Ganzen keine negativen Erinnerungen. Frau M. machte uns Kindern überdeutlich, dass Schule und Spaß nicht zusammengehörten. Ihre Pädagogik bestand in der Hauptsache aus dem Notenbuch und Demütigungen. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie einmal von Herzen lachte oder uns Kinder ermunterte. Ich war von ihr eingeschüchtert. Die Schule machte mir immer mehr Bauchschmerzen. Und als die Noten schlechter wurden, ging es im Prinzip nur noch ums Überleben - also um das Erreichen des Klassenziels. Nur bei wenigen Lehrern war ich im Unterricht wirklich entspannt. Warum zum Teufel hat Frau M. uns zarten Kinderseelen derart zugesetzt? Ich wurde immer in mich gekehrter und gehörte schon bald zu den Außenseitern in der Klasse.
Sowieso war ich ein schüchternes Kind und brauchte Lehrer, die ein wenig auf mich eingingen. Demgemäß fielen oder stiegen meine Leistungen im selben Fach je nach Lehrer. Frau M. werde ich nie vergessen – leider im negativen Sinne. Einige Jahrgangsstufen lang hatte ich Ruhe vor ihr. Aber in der Oberstufe erwischte ich sie wieder. Inzwischen hatte diese alte Jungfer geheiratet, ausgerechnet Herrn A., den ich als Religionslehrer kannte. Herr A. ist auch so ein Thema meiner Schulzeit. Er war der einzige, der mir in Religion ein Mangelhaft im Zeugnis verpasste. Normalerweise war die denkbar schlechteste Note in diesem Fach ein Befriedigend. Mit der "Fünf" konnte ich vor meinen Mitschülern prahlen! Eigentlich war Herr A. recht lustig. Er kam zur Tür herein und setzte sich mit Schwung aufs Pult. Da saß er dann im Schneidersitz ähnlich wie ein Buddha und zitierte am Liebsten den Luther-Spruch „Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz“. Herr A.s Namen besaß auch eine Affinität, nämlich zu dem Zwerg Alberich – aber das nur nebenbei. Er war bestimmt einen Kopf kleiner als Frau M. und kokettierte gern mit seinem kugeligen Bauch. Er gefiel sich selbst am besten. Warum auch immer. Mit Frau M. fand er sein Liebesglück. Ich mag mir die Details nicht vorstellen.
In der Oberstufe hatte ich also Frau M. wieder. In Gemeinschaftskunde. (Sie hieß inzwischen A.-M..) Mein bester Kumpel und ich saßen in der ersten Reihe, und wir machten über ihren Riesenarsch Witze, wenn sie sich zur Tafel drehte. Wir waren eben blöde Teenager. Die Große Pause und jede Freistunde nutzten wir, um zum Auto meines Kumpels zu gehen und Alkoholisches in uns hineinzuschütten. Die Schule und ihre Lehrer hatten uns bestens auf das Leben vorbereitet...

Donnerstag, 12. März 2015

TV-Tipp:

"Schmetterling und Taucherglocke", 22 Uhr 25", 3sat

Am wunderbaren Arsch des Lebens


Berlin rückt von Tag zu Tag näher. Für die ersten Wochen ist eine Bleibe gefunden. Dann geht es ans Eingemachte. Ich werde unglaublich erleichtert sein, wenn Wohnungssuche und Umzug abgeschlossen sind. Juni 2005 zog ich in diese Bruchbude hier ein. 10 Jahre vergingen – unglaublich! Im Rückblick komprimieren sich die Jahre. Ich kann kaum fassen, was ich alles erlebte, wo mein Herz mich hinzog..., die Jahre im Altenheim als Nachtwache..., wie viele Menschen sah ich kommen und gehen..., die vielen einsamen Stunden..., Trauer und Glück Tür an Tür..., wunderschöne Fahrradreisen quer durch Deutschland... Das Gefäß meiner Erinnerung ist zu klein, um alles vor meinem geistigen Augen wiederaufleben zu lassen. Ich sah unendlich viel auf meinen Reisen. Ich erlebte unendlich viel Glück und Leid. Ich klebte sozusagen am wunderbaren Arsch des Lebens. Und nun folge ich wieder einmal dem Ruf meines Herzens. Vielleicht lernte ich ja etwas aus dem Scheitern der vergangenen Versuche... Kann man die Liebe planen? ... Nein, man kann ihr nur folgen... und immer im besten Glauben, dass sie gut geht. Möglichst lange gut geht.
Manche, denen ich meine Liebesgeschichte erzähle, halten mich für verrückt – in dem Sinne, dass das doch niemals gutgehen kann. Natürlich habe auch ich Bedenken mannigfaltiger Art. Etwas verrückt muss man für die Liebe sein. Dem Anstandswauwau Vernunft muss man zwischenzeitlich den Mund verbieten. Ansonsten kann man gleich den Rückzug antreten.
Ich kenne Leute, die kapitulierten – die sich die Liebe abschminkten. Für immer, sagen sie, weil es so das Beste für sie sei - weil sie nicht mehr an sie glauben, oder weil sie nicht mehr enttäuscht werden wollen. Sie seien so viel glücklicher, sagen sie, Sex könne man auch unverbindlich haben.
Also, bei mir funktioniert das mit dem unverbindlichen Sex nicht... außer bei der Selbstbefriedigung.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie unterschiedlich wir Menschen doch ticken. Ich gehe natürlich davon aus, dass ich richtig ticke. Oder?

Die Natur gibt mir recht. Der Frühling nimmt Anlauf. Schneeglöckchen blühen wie aus dem Nichts.
Ich spüre die ganze Inbrunst der Liebe... Ich spüre den Tanz der Hormone und des Blutes... Ich spüre die Sucht des Lebens...





Mittwoch, 11. März 2015

Mittwochs-Weisheit

"Was weiß die Welt? Nichts! Man gewöhnt sich nur an ein Bild, man nimmt es an, erkennt es an, denn unsere Lehrer haben es vor uns anerkannt, alles ist einzig und allein eine Annahme, ja sogar Zeit, Raum, Bewegung, Materie sind eine Annahme. Die Welt weiß nicht, sie übernimmt nur."
Knut Hamsun

Dienstag, 10. März 2015

Unterschiedliche Aussichten




Gestern war ein frühlingshafter Montag! Die Menschen schwirrten wie Bienen durch die Stadt. Die einzigen, die arbeiteten, schienen die Bedienungen zu sein. Und die waren total überfordert.
Ich war mit dem Fahrrad unterwegs. Als ich durch die Landschaft radelte, spürte ich im lauen Fahrtwind einen Hauch von Freiheit...
(Die Stadt hätte ich mir besser gespart.)




Heute wurde es leider wieder trübe. (Seufz!) Ich sitze am Computer und schaue auf die Beine der Verputzer... Im TV Dokus über Putin, Griechenland und den Islamischen Staat. Ich schalte um auf den Sitcom-Kanal. Das bringt aber nicht viel.

Sonntag, 8. März 2015

TV-Tipp:

"Fargo", 20 Uhr 14, Tele5

DU


Auf den Tag vor einem Jahr schlug der Blitz ein. Genaugenommen der „Rote Blitz“ auf Mallorca an einem schönen Sonnentag. Unsere wunderbare Liebesgeschichte nahm ihren Anfang. Ich werde nie vergessen, wie du auf der Rückfahrt von Soller neben mir schlummertest. Ich betrachtete dein friedliches, hübsches Gesicht, während wir an Zitronen- und Apfelsinenplantagen vorbeifuhren. Inständig wünschte ich mir, dass wir uns am nächsten Tag wiedersehen. Der Wunsch wurde mir erfüllt und noch vieles mehr...
Auch heute ist ein Sonnentag. Der Frühling liegt in der Luft. Ich denke an dich und wünsche mir eine gemeinsame Zukunft mit dir, dass wir alle Schwierigkeiten bewältigen und in Berlin eine kleine Wohnung finden, ein Nest für unsere Liebe. Noch zwei Wochen, dass ich dich endlich wieder in die Arme schließen kann. Mein Herz sehnt sich nach dir... wie die langsam aufwachende Natur sich nach der Sonne streckt. Ich freue mich auf einen gemeinsamen Frühling und Sommer in Berlin. Ich will da sein, wo du bist.




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