boMAs Gedichte und Texte

Dienstag, 4. September 2018

Dicker Fuß


Alter-Alter, langsam falle ich auseinander wie ein unsaniertes Gebäude im Osten. Davon sah ich eine Menge… Die Schmerzen begannen gestern Abend, so schlimm, dass ich mit dem rechten Fuß kaum noch auftreten konnte. Scheiße, dachte ich, was soll das am Ende meines Urlaubs?! Ich fühlte mich an das Vorjahr erinnert, als ich nach der Tour nach Kopenhagen einen dicken großen Zeh bekam, allerdings am anderen Fuß, und diesmal war es nicht einer der Zehen, sondern der gesamte Vorderfuß, der höllisch wehtat. Ich kroch quasi zur Toilette in der Nacht. Gut, dass ich noch ein paar von den Schmerztabletten gegen Gicht- und Rheumaschmerzen hatte. Davon nahm ich gleich eine und machte mir einen kalten Umschlag um den Fuß. Heute Vormittag überlegte ich mir dann, wie ich vorgehen sollte. Die Schmerzen hatten nicht nachgelassen, und der Fuß war sichtbar geschwollen, die Zehen konnte ich kaum noch bewegen. Ein Arztbesuch würde sich nicht vermeiden lassen. Zwischen 12 und 14 Uhr wollte der Ablesedienst kommen, der sich so nett per Karte angekündigt hatte. Das wollte ich hinter mich bringen, um ihn nicht nochmal zu verpassen. Er kam dann Gott sei Dank auch schon kurz nach Zwölf. Der Mann, schon älteres Semester, war gut drauf, er summte die ganze Zeit vor sich hin, während ich mit hochgelegtem Fuß am Schreibtisch saß. Ich hatte Glück, dass ich noch einen Termin bei der Orthopädin bekam, die mich auch letztes Jahr behandelt hatte. Mit dem Fahrrad klappte die Fortbewegung besser als per pedes. Beim in die Pedale treten konnte ich den Druck gut auf Mittelfuß und Ferse verlagern. Ich musste mich beeilen, weil ich bis 13 Uhr dort sein sollte. Auf dem Weg überrollte mich fast ein LKW beim Rangieren. Das wäre schön blöd, wenn ich ausgerechnet jetzt zu Matsch würde. Das Absteigen an den Ampeln war der neuralgische Punkt. Wenn ich mich aus Versehen mit dem rechten Fuß abstützte, fuhr mir der Schmerz wie eine Rakete durch den Körper – dass ich hätte schreien können. Aber ich will nun auch nichts dramatisieren. Es war nur ein guter Kilometer und ich erreichte wohlbehalten die Arztpraxis. Ich erkannte die Ärztin gleich wieder, als ich vor ihr saß. Klasse Frau, gemütlich, witzig, aber zu dick für meinen Geschmack. Nach einer halben Stunde war ich mit Rezept und Krankmeldung bereits wieder entlassen. Der Biergarten lag auf dem Weg. Also legte ich eine kleine Rast ein und informierte bei dieser Gelegenheit sogleich meinen Arbeitgeber. Es ist immer gut, sowas unverzüglich zu erledigen.
Tja, wie das Leben spielt. Ich wäre wirklich lieber Arbeiten gegangen, als mit diesen Schmerzen durch die Gegend zu humpeln. Verdammter Mist aber auch! Ich weiß, die Verantwortung dafür trage ich allein, falls es wirklich ein Gichtanfall ist, und das ist sehr wahrscheinlich. Ich ernähre mich ungesund, trinke zu viel, dann die Strapazen bei der Fahrradreise und als i-Tüpfelchen obenauf mein nicht mehr ganz jugendliches Alter. Das reicht für alle möglichen Maläsen. So gesehen fuhr ich bei meinem bisherigen Lebenswandel noch ganz gut. Aber irgendwann kriegt man halt die Rechnung serviert. Ich schaue mir meinen rechten Fuß an, der immer dicker wird. Ich sollte ihn wieder hochlegen und in ein feuchtes kaltes Geschirrtuch wickeln. Scheiß Sache das.

Mittwoch, 15. August 2018

Brasko und die geklauten Minuten


V


Es gibt nichts gruseligeres als die letzte Minute vor einem tragischen Unglück, das die Beteiligten in den Tod reißt. Brasko liest vom Einsturz einer Autobahnbrücke in Genua. Du denkst an nichts Böses, summst die Melodie eines Songs mit, den das Radio spielt – z.B. „Beds Are Burning“ von Midnight Oil, längst ein Klassiker, der aber immer noch rockt. Du siehst die riesige Brücke bereits vor dir. Es ist mitten am Tag. 100 Meter vor dir ein LKW. Vielleicht denkst du an deine Frau, deine Kinder, deine Eltern, oder du denkst an die Arbeit und an scheiß Probleme. Vielleicht denkst du auch an gar nichts, weil du ganz in der Musik aus dem Autoradio versinkst… the time has come, to say fair's fair, to pay the rent, to pay our share, the time has come, a fact's a fact, it belongs to them, let's give it back… Du bist mit gut 100 Sachen auf der Brücke unterwegs. Du setzt den Blinker, um den LKW zu überholen. Im Rückspiegel dein bisheriges Leben. Vor dir… kein LKW mehr, vollkommen irreal. Dir bleiben nur noch wenige Sekunden, die Hände verkrampft am Lenkrad, die Augen weit aufgerissen…
Brasko wankt zur Küche, um seinen Drink nachzufüllen. Wie wäre das, wenn sich Minuten aus der Zukunft generieren ließen. Wozu etwas nacherleben, was längst vorbei ist? ... Irgendwann wird auch seine letzte Minute kommen. Unter welchen Umständen auch immer. Wahrscheinlich wird es keine einstürzende Brücke sein, sondern eher Leberzirrhose oder ein Sturz besoffen die Treppe runter. Alles irgendwie gleichblöd.
Plötzlich klingelt es an der Tür. Er erwartet niemanden. Er ist ganz schön durch den Wind. Der Sandmann? Jetzt schon mit der Test-Minute?

„Mr. Brasko?“
„Äh ja.“
„Ich bin Mrs. Sandmann.“
„Das ist fantastisch! Kommen Sie doch bitte herein.“
An Brasko vorbei schwebt eine überirdische Erscheinung, glattes schulterlanges Haar, sandfarben, und eine Figur, die jeder Sanddüne Konkurrenz machen würde. Ein enganliegendes schwarzes Kleid betont die Kurven. Verdammt aber nochmal! Verlegen bittet er seinen Überraschungsgast Platz zu nehmen.
„Darf ich Ihnen einen Drink anbieten?“
„Nein danke. Ich vertrage nicht viel.“
„Ein Glas Wasser?“
„Gern.“

Sonntag, 12. August 2018

Brasko und die geklauten Minuten


IV


Das Schwitzen nimmt kein Ende, obwohl die Temperaturen etwas runtergingen in der Nacht. Brasko fühlt sich am Morgen wie gerädert. Ächzend wandert er durch die Zimmer wie ein Tiger im Käfig, ein alter Tiger. Er hält kurz inne und blickt mürrisch aus dem Fenster: Alles wie gehabt. Ein weiterer Sommertag voller Sonne, Freude und oberflächlichem Glanz. Die Menschen tun, was sie tun müssen im Koordinatensystem ihres beschränkten Verstands, ihrer Bedürfnisse und Wünsche, ihrer Ideen und Phantasmen… auf einem Gesteinsplaneten, den sie Erde nennen, in dessen hauchdünner Atmosphäre sie ihr kurzes Dasein fristen. Und nun kommt dieser Sandmann mit „seinen Minuten“, die ihm wertvoller als alles erscheinen! Was ist schon eine Minute?! Ein Fliegenschiss, der meist nichts bedeutet. Das Leben besteht aus einer riesigen Minuten-Armee, wo eine der anderen gleicht, die allesamt im Gleichschritt in eine Höllenschlacht ziehen, die nicht gewonnen werden kann. Das Leben ist ein Waterloo! Brasko schnauft wütend. Er spürt, dass er langsam in Fahrt kommt. Es wird Zeit für den ersten Drink.
Freilich gibt es auch entscheidende Minuten. In einer Minute kann eine ganze Menge passieren. Little Boy fiel eine Dreiviertel Minute vom Ausklinken aus dem Bombenschacht bis zur Detonation über dem Ziel Hiroshima. Was für eine unendlich schweigsame Minute muss das gewesen sein! Minuten können furchtbar lang werden – wenn sich z.B. der Fallschirm nicht öffnet. Auf der anderen Seite erscheinen uns glückliche Minuten wesentlich kürzer. Brasko sucht nach diesen glücklichen Minuten in seinem Leben und findet auf Anhieb keine. Vielleicht hat er sie alle vergessen…, oder er ignoriert sie schlichtweg. „Bah! Scheiß drauf! Die Nutte kriegt mich nicht!“ sagt er zu sich selbst und fährt sich nach einem kräftigen Schluck aus seinem Drink mit dem Handrücken über den Mund. In Braskos Augen ist die ganze Welt nuttig und verkommen, nur darauf aus, seine Seele zu ficken.
Minuten kann man nicht zurückholen! Der Sandmann ist ein Idiot, ein reicher Spinner! Diese Typen haben alles, und das ist ihr Fluch. Sie kriegen die schönsten Mösen, fahren die teuersten Sportwagen, besitzen auf jedem Kontinent eine Villa, feiern auf ihren Jachten wilde Partys… wissen kaum noch, wohin mit der ganzen Kohle. Sie werden zu Gefangenen ihrer vergoldeten Scheiße, und je nach Charakter sind sie schließlich empfänglich für die verrücktesten Ideen und Sachen...

Brasko gähnt. Er fährt den Computer hoch und schickt dem Sandmann die Koordinaten seiner Test-Minute. Er hatte schließlich schon verrücktere Fälle.

Samstag, 11. August 2018

Brasko und die geklauten Minuten


III


Abschließend macht der Sandmann Brasko darauf aufmerksam, dass man nur einmal dieselbe Minute erzeugen könne, außerdem müsse man die genauen zeitlichen Koordinaten angeben.
„Seien Sie also sehr sorgsam bei der Auswahl“, betont er, „Sie verstehen jetzt vielleicht, warum für mich der Verlust derart groß ist. Sie müssen dem gemeinen Dieb auf die Schliche kommen!“
„Wozu könnte ihm sein Diebesgut denn nützlich sein?“
Der Sandmann zuckt mit den Schultern und meint, dass man, soweit ihm bekannt sei, nur seine eigenen Minuten wiedererfahren könne. Aber der Dieb sah das wohl anders…


Was hat er sich da nur wieder aufgehalst, denkt Brasko müde, als er sich zurück in den eigenen vier Wänden ausstreckt. Plötzlich verspürt er keine Lust mehr an der Geschichte. Und: An was für einer fuckin` Minute seines fuckin` Lebens sollte er die Wirkung testen? Am Ende ist das Zeug giftig oder macht impotent. Am Ende will ihn der Sandmann nur verarschen. Komische Type. Er wirkte unscheinbar, beinahe konturlos, - wie eine Erhebung aus Sand mit Sonnenbrille. Alles an ihm war irgendwie sandig… Manche Menschen sehen aus, wie sie heißen. Oder sie sind das, was ihr Name sagt. Schon seltsam, wie sich der Name mit einer Person verbinden kann. Namen sind eben nicht Schall und Rauch. Und das betrifft nicht nur Menschen, sondern auch Dinge und andere Erscheinungen sowie Ereignisse. Der Sandmann kann unmöglich anders heißen. „Unmöglich“, wiederholt Brasko in Gedanken und grinst sein Braskogrinsen.
Für den Test sucht er sich am besten eine Minute aus, die nicht zu lange zurückliegt, an welche er sich relativ gut erinnern kann, die noch nicht im Nebel liegt. Alles andere kann Einbildung sein, die aber derart stark rüberkommt, dass man sie für wahrhaftig hält. Schließlich will er wissen, was an der Sache dran ist. Auf der anderen Seite wäre es spannend, eine der vielen Minuten zu nehmen, die im Meer des Vergessens auf dem Grund dahinmodern…


Mitten in der Nacht schreckt Brasko hoch. Ein Anruf vom Sandmann, der ungeduldig nachfragt.
„Okay, ich schicke Ihnen morgen früh eine Mail mit den Koordinaten.“
„Ich will Sie nicht drängen, aber mir läuft die Zeit davon.“
„Mr. Sandmann, jedem läuft die Zeit davon.“

Sonntag, 5. August 2018

Brasko und die geklauten Minuten


II


„Kennen Sie den größten Schatz zwischen Himmel und Erde?“
„Gesundheit und ein langes Leben, schätze ich…“
„Freilich, Mr. Brasko, fraglos. Ich meine aber etwas anderes, was wir gemeinhin vollkommen verkennen.“
Brasko genehmigt sich einen großen Schluck Bier. Der Sandmann und er sitzen im Halbschatten unter einer großen Pergola. Der Biergarten liegt am Rande einer größeren Parkanlage der Großstadt. Vis-à-vis eine Hochbahntrasse, auf der zitronengelbe Züge in aller Regelmäßigkeit vorbeirattern, um schließlich im Häusermeer zu verschwinden. Gewöhnlich tummeln sich viele junge Menschen und Familien auf dem Parkgelände, nehmen ein Sonnenbad, üben sich in Akrobatik oder spielen ausgelassen Frisbee, Basketball… Bei der aktuellen Hitzewelle ist der Bewegungstrieb allerdings gemindert, die Menschen suchen den Schatten und die Erfrischung. Brasko genießt den Augenschmaus, der sich ihm darbietet. Er liebt die schönen Körper und frischen Gesichter. Er liebt die Vielfalt der menschlichen Erscheinung. Er liebt interessante Menschen.
„Ist Ihnen klar, wie einzigartig jede Minute unserer Existenz ist?“ fährt der Sandmann in seiner Rede fort, „und wie kostbar – wie ungeheuer kostbar?! Denken Sie an die schönsten Momente Ihres Lebens, wie schnell sie unwiederbringlich vorbei sind. Es bleiben nur Fotos und Videos - immer blasser werdende Erinnerungen. Alles verschwindet auf Nimmerwiedersehen im großen Schlund der Vergangenheit. Wie nun, wenn man das ein oder andere konservieren oder zurückholen könnte, nicht nur als Bild- oder Videodatei, sondern 1:1 durch ein Wundermittel wiedererlebbar - vollkommen authentisch? Wäre es nicht fantastisch gerade in schlechten Zeiten, sich zu den besten Minuten seines Lebens quasi zurückzu…beamen, zurück zu den glücklichsten Momenten in der Liebe, zurück zu seinen größten Erfolgen…?“
Brasko starrt in Gedanken versunken auf eine Frau, die am Getränkestand ansteht. Eine interessante Erscheinung. Sie hat die richtige Mischung aus Natürlichkeit und Ästhetik, leicht verdorben in ihrer Haltung, aber ohne vulgär zu wirken.
„Ja, Fantastisch!“
„Nicht wahr?! Und nun halten Sie sich fest, dieses Wundermittel existiert! Keine Alchemie, alles wissenschaftlich fundiert. Ich weiß, es ist schwer zu glauben. Aber ich habe es probiert! … Mr. Brasko?“
„Ja. Äh, entschuldigen Sie, Mr. Sandmann. Es klingt wirklich unglaublich, was Sie mir da berichten. Eine Essenz, die uns längst Vergangenes vollkommen authentisch wiedererleben lässt – habe ich Sie da richtig verstanden?“
„Absolut, absolut. Aber können Sie sich auch vorstellen, was das bedeutet?“
Brasko registriert, dass die Frau seines Interesses zwei Bier zu einem wartenden männlichen Gast trägt. Sie stellt die Bier ab und küsst den Mann. Brasko wäre gern an seiner Stelle.
„Na ja, ich denke, falls zutrifft, was Sie sagen, dann wird daraus ein Riesengeschäft.“
„Sehen Sie, und das ist der springende Punkt. Man klaute mir 10 Minuten! Die wichtigsten Minuten meines Lebens! Unglaublich kostbar in meinen Augen, und außerdem blätterte ich ein kleines Vermögen dafür hin. Mr. Brasko, Sie sind meine letzte Hoffnung. Bringen Sie mir diesen Schatz zurück! Ich bitte Sie eindringlich…“
Brasko fasst die Sache für sich gedanklich zusammen: Irgendjemand braut in geheimen Labors ein Wundermittel, das einem Vergangenes angeblich wieder 1:1 erleben lässt und verscheuert diese Tinktur an leichtgläubige Superreiche zu einem horrenden Preis.
„Okay, Mr. Sandmann, ich bin Ihr Mann, aber vorher liefern Sie mir bitte einen Beweis, dass dieses Wundermittel auch wirklich funktioniert.“
„Kein Problem – ich organisiere das. Überlegen Sie sich in der Zwischenzeit, an welcher Minute Ihres Lebens Sie es testen wollen. Sie werden überrascht sein.“

Samstag, 4. August 2018

Brasko und die geklauten Minuten


I


Er erlebt den heißesten Sommer, an den er sich erinnern kann. Früher hätte er sich den noch gewünscht, einen Sommer, wie gemacht für die Liebe, einen Sommer, wo man jeden Tag raus an den See fuhr und erst spät abends zurückkehrte. Am Ende war man brutzel-braun gebraten und schlank vom vielen Schwimmen und Herumtoben im Freien…
Brasko schlappt gebeugt in die Küche und reißt das Fenster auf. Noch ist die Lufttemperatur morgendlich lau, das heißt, sie liegt (erst) bei 23° Celsius, 6 Uhr in der Früh. Er füllt in eine Schüssel kaltes Wasser und trägt sie an seinen Schreibtischplatz. Ein bisschen schwappt über den Rand, und er brummelt sowas in seinen Bart wie: „Warum muss man verflucht noch mal alt werden?“
Er fährt den Computer hoch und stellt seine Füße in die Schüssel. Sofort fällt sein Blick auf eine Mail, die als „Wichtig“ gekennzeichnet ist. In der Betreffzeile steht: „Ein Auftrag! Dringend!“ Die Mail war bereits am Abend hereingeflattert, aber da lag Brasko bereits schwitzend in der Heia und träumte von vergangenen Zeiten…
Natürlich kann er wegen der Kohle einen Auftrag gut brauchen. Auf der anderen Seite fühlt er sich so gar nicht nach Arbeit. Ihm ist nach… gar nichts. Genau, Brasko grinst in sich rein und paddelt ein wenig mit den Füßen im kalten Wasser – „Gar nichts, grunz. Trotzdem mal lesen, was da an mich herangetragen wird, haha.“

Sehr geehrter Mr. Brasko,

Sie wurden mir vom Weihnachtsmann empfohlen. Er meinte, Sie seien von den Fußspitzen bis zum Scheitel diskret und hätten ein Faible für ungewöhnliche Fälle. Bitte lassen Sie mich nicht hängen, ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden soll. Am Besten melden Sie sich bei mir, um zeitnah ein Treffen zu vereinbaren. Ich kann Ihnen die Problematik unmöglich per Mail erläutern. Nur so viel: Mir wurden Dinge gestohlen, die mir sehr teuer sind. Verstehen Sie?! Sehr teuer! Es soll ihr Schaden nicht sein, wenn Sie den Auftrag annehmen.

Herzlichst
Sandmann


Brasko ist solche Anfragen von leicht irren aber zahlungskräftigen Kunden gewohnt. Meist kommt er am Ende dabei gut weg. Wenn es nur nicht so heiß wäre. „Scheiß Klimawandel! scheiß Entropie!“ Er stapft mit der Wanne zurück in die Küche und entleert sie über dem Ausguss. Anstatt kaltes Wasser nachzufüllen, greift er sich ein Bier aus dem Kühlschrank.

Sonntag, 29. Juli 2018

Abkühlung


Als ich heute Morgen das Fenster aufreiße, strömt eine kühle Brise an mir vorbei in die Wohnung. Wow! … Gleich mal ein paar Kilo Luft saufen. Aber von Luft allein kann man nicht leben nicht. Ich mixe mir also wie gewöhnlich einen Drink und fahre den Computer hoch. Zuerst die Mails: Nichts Neues. Dann die Nachrichten: Ich lese, dass sich die Welt weiterdreht. Viele Artikel klicke ich erst gar nicht an… Ein Asteroid auf Kollisionskurs mit der Erde. Gähn! Einschlag erst übermorgen. Auch sonst nichts Aufregendes. Das Übliche. Menschen sterben. Mal mehr und mal weniger tragisch… Politik und Wirtschaft lasse ich gleich außen vor. Wen interessiert der Scheiß? Dann diese elenden Diskussionen um Özil und seinem Rückzug aus der Nationalelf. Mamma-mia! Soll ich dazu kurz meine Meinung sagen? … Scheiß Fruchtfliegen! Diese versoffenen Biester machen sich an meinen Drink ran! Haut ab! … Wo war ich stehengeblieben? Özil – also ich vermisse ihn nicht. Klar sind wir alle Rassisten. Na ja, außer diesem Präsidenten in der Türkei. Der ist absolut immun gegen… alles, sowieso gegen Faschismus und Rassismus. Ich würde mich auch gern mit dem fotografieren lassen. Wann hat man schon mal die Gelegenheit, sich mit einem solchen Krösus zu zeigen? Apropos: Wohin hat sich eigentlich der Dalai-Lama verpisst? Lebt der noch? Ich fand ihn mindestens so sympathisch wie Erdogan, Putin, Trump, Merkel und Papst Franziskus zusammen. Fast würde ich sagen, er fehlt mir. Ich mochte sein verschmitztes Lachen. Ein echter Teufelskerl, der Dalai-Lama…
Nun haben diese kleinen Biester doch glatt meinen Drink ausgesoffen! Obwohl ich ihn mit einem Bierdeckel abdeckte – wie machten die das? Benutzen die Mini-Strohhalme? Ich muss besser aufpassen und vor allem schneller trinken.

Samstag, 28. Juli 2018

Surfer



Geh nach Hause, egal, wo dein Zuhause ist.
Bleibe hier, egal, wo hier ist.
Viel Glück und Sonnenschein auf all deinen Wegen!
Die Liebe liegt auf der Straße, man muss sie nur aufheben.
Dein Schatten-Lachen wird dir helfen.
Den Teufeln weicht man aus, indem man selbst zum Teufel wird.
Das Leben ist schön.
Man sollte es sich nicht vermiesen lassen.
All das musstest du nicht begreifen,
weil es deine Natur ist.

Geh nach Hause…

Ich denke an die Kraft, die alles zusammenhält.
Und ich denke an die Kraft, die unwiederbringlich
alles auseinanderdriften lässt.
Wie gut balanciert es sich auf einer Kegelspitze?
Wie lange hält die Illusion der Liebe?
Kaum ein Surfer erwischt die perfekte Welle,
die für ihn perfekte Welle,
aber sie bleibt seine Hoffnung.
Eine Zeit lang dachte ich, ich sei nah dran.
Nun von der Brandung an den Strand geworfen,
lecke ich meine Wunden.
Wie kam es dazu?

Geh nach Hause…
aber ich weiß nicht, wo mein Zuhause ist.
Dann bleibe hier…
aber ich weiß nicht, wo „hier“ ist.



(26./27.7.17)

Sonntag, 22. Juli 2018

Alles, alles, alles


Zwei Zentner Leben schleppe ich durch die Gegend: Knochen, Sehnen, Muskeln, Fett, Organstrukturen…, am schwersten wiegt der Kopf, aus dem ich ständig wie blöde herausglotze, wenn ich nicht gerade döse oder schlafe, - wenn nicht gerade irre Träume meinen Geist bevölkern: zusammengewürfelter Schwachsinn wie Erbrochenes.
Nichts weiß ich von alldem, wenn ich an mir herabschaue, nur dass es mich schon ewig begleitet. Es ist nicht in Frage zu stellen. Die Nervenstränge verbinden alles und führen es hinter meiner Stirn zusammen. Unvorstellbar, wie aus einer befruchteten Eizelle all das erwachsen konnte. 55-mal drehte sich seit meiner Geburt die Erde um die Sonne. Und die Karussellfahrt geht weiter. Meine Eltern lösten das Ticket. Ich sehe, wie sie mir bei jeder Umrundung zuwinken. Ja, da sitze ich, der Wonneproppen, und weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Ich schaue mich um und sehe, dass die Meisten Spaß dran haben, - und vorm Ticketschalter eine Menschenschlange.
Ich traue mich nicht, meine Mitmenschen zu fragen, wie sie… mit alldem klarkommen. Ich weiß auch gar nicht, wie ich es formulieren soll. Am Ende hält man mich noch für verrückt. Besonders verstanden habe ich mich von meinen Mitmenschen noch nie gefühlt. Aber das beruht auf Gegenseitigkeit.
Die Mitte habe ich nun eindeutig überschritten. Die Uhr läuft ab. Im Kreis drehen macht alt. Zu meinen Eltern, die mir nach wie vor winken, gesellte sich Einstein. Macht er sich etwa an meine Mutter ran? Zornesröte steigt mir ins Gesicht. Seine Relativitätstheorie kann er sich relatief wohin stecken! Der soll sich bloß zurückhalten! (Ebenso wie dieser Weinstein!)
Wird Zeit, dass ich hier die Musik laut drehe… ZZ Top, „Cheap Sunglasses“.
Ich tanze nach alter Manier durch den Wohnraum und finde mich gut, saugut!

Freitag, 13. Juli 2018

Es bleibt nicht aus


Frauen betrügen ihre Männer mit mir, und irgendwann bin ich dann an der Reihe. Ein ewiger Ringelreih und Lügensumpf in Sachen Liebe. Was hatte ich mir vorgestellt? Dass der Tanz diesmal bei mir aufhört? Alles wiederholt sich, und man darf es im Laufe der Jahre aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Mal als der Neue, und mal als Hahnrei. Freilich kann es Frauen genauso gehen. Die Geschlechter stehen sich in Sachen Untreue in nichts nach, auch nicht im Erfinden von Ausreden. Kommt es zum Schlussakkord, wird dem Gehörnten die Schuld zugewiesen, dass erst sein Verhalten zur Abtrünnigkeit des Partners bzw. der Partnerin führte. Oder man streitet schlichtweg alles ab und wirft dem anderen kompromittierendes Verhalten vor. Ich erlebte Frauen in dieser Hinsicht als äußerst erfindungsreich, berechnend, heimtückisch und egoistisch. Natürlich bin ich auch nicht ohne Fehl, aber niemals derart hinterfotzig. Meine Ehrlichkeit gereichte mir im Leben nicht gerade zum Vorteil - ich weiß, dass ich mich ab und zu zum Narren mache. Ich sehe die Dinge eben relativ ungeschminkt.
Niemand kommt umhin, in einen der Scheiße-Tröge zu fassen, welche auf dem Lebensweg positioniert sind. Kein Mensch bleibt sauber. Es tut mir sehr leid, wenn ich anderen Unrecht tue. Was weiß ich schon von meinen Mitmenschen?
Am besten zieht man auf eine einsame Insel. Dort bleibt man von alldem unbeschadet…, - wird vielleicht von einem Krokodil gefressen, dem man deswegen nicht böse sein kann.

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