boMAs Gedichte und Texte

Samstag, 14. September 2019

Nicht unbedingt Dicke Titten (Beiträge 25.8. - 8.9.19)


Langsam wäre es an der Zeit, dass ich mich frage, was ich eigentlich von Frauen will.
Gar nicht so leicht zu beantworten. Was will man überhaupt vom Leben?
Es muss doch etwas geben, was das Leben lohnenswert erscheinen lässt. Ich meine, wenn man nicht gerade passionierter Modellbastler, Briefmarkensammler u. ä. ist. Auch gibt es die absoluten Familienmenschen, die im sozialen Modus schwelgen bei Kaffee und Kuchen mit Tanten und Onkels etc. Oder nehmen wir die Menschen, die in ihrer Arbeit total aufgehen… oder die Idealisten, religiösen Spinner… oder die Typen, die unbedingt ohne Atemmaske auf den Everest steigen müssen.
Um es kurz zu machen: Ich gehöre zu keiner dieser Gruppierungen, die ich nannte, und auch zu keiner anderen – am ehesten noch zu den Biertrinkern und Kneipengängern. Doch daraus leite ich nicht unbedingt etwas für mein Leben Lohnenswertes/Erfüllendes ab. Ich sitze einfach gern irgendwo blöde herum und betrachte meine Umgebung, die Menschen, den Himmel, die Plätze – wo ich halt gerade bin. Ich mache mir dabei Gedanken übers Dasein und den Sinn des Lebens. Natürlich komme ich zu keinem befriedigenden Ergebnis. Also stehe ich auf, gehe zur Theke (vorausgesetzt meine Ex steht gerade nicht an), hole mir das nächste Bier und fahre fort mit meiner Tagträumerei.
Da ich hetero und Mann bin, lenke ich meine Blicke automatisch auf die attraktiven Relikte des anderen Geschlechts. Ich kann daran nichts Unnormales finden. Gegen meine Natur will ich mich verdammt noch mal nicht auflehnen. Ich hoffe nur, dass ich nicht allzu auffällig glotze. Nein, ich bin ein anständiger Mensch, der bemüht ist, die Attitüden unserer fuckin` Gesellschaft zu achten. Ehrlich. Kein Scheiß.
Und jetzt ganz ernsthaft: Mir geht`s nicht vordergründig ums Sexuelle. Viel lieber hoffe ich auf eine Liebe, aus der eine innige Partnerschaft resultiert. Meinem Singleleben fehlt das Gegenüber, das aufrichtig an meiner Person interessiert ist. Ich sehne mich nach einem Hafen. Der muss nichts Großartiges sein, aber schon behaglich und vorallem unanstrengend… Wenn die Frau dann noch schön anzuschauen ist, macht mich das glücklich wie einen König. Ich weiß, es ist ziemlich schwer, eine Frau zu finden, die alle meine Erwartungen erfüllt. Gibt es überhaupt unanstrengende Frauen? Jage ich einer Utopie hinterher? Allzu viel Zeit bleibt mir nicht mehr. Vielleicht besser auf den Everest steigen (mit Atemmaske – manche Kompromisse müssen sein).



XXX


Die letzten knallheißen Tage für dieses Jahr – dementsprechend wird im Brutofen Berlin einiges los sein, ebenso in den Schwimmbädern und an den Badeseen. Selbst habe ich noch keinen Plan. Die Fuckparade (unkommerzielles Gegenkonzept zur Loveparade) ist mir zu viel Krach. Beim Bürgerfest im Bellevue (Tag der offenen Tür bei Bundespräsident Steinmeier) geht`s bestimmt gesitteter zu. Roland Kaiser mit Band als Highlight des Musikprogramms (würg!) … dann noch Gayle Tufts und Apocalyptica. Himmel und Hölle, was `ne Zusammenstellung! Da besorg ich`s mir lieber selbst im Biergarten oder im Park mit Ohrstöpseln im Ohr. Dazu eine unanstrengende Lektüre (aus Mangel an einer unanstrengenden Frau).

Die Woche im Büro verging verhältnismäßig schnell. Ich bin froh, dass ich zwei Tage Pause von meiner Kollegin habe. So sehr ich sie schätze, aber sie gehört mit ihren Eigenheiten zum Typus „anstrengend“. Mamma Mia, das Leben mit einer solchen Frau wäre eine Katastrophe!
Sowieso ein paar Jahre zu alt für mich. Aber muss schon sagen: sie hat sich gut gehalten. Mitte nächstes Jahr geht sie in Rente und kann es kaum abwarten. Ich gönne es ihr.

Gestern nach Feierabend im Pub das Wochenende begrüßt. Eine Gruppe junger Männer* saß draußen am Tisch. Drinnen war außer den üblichen Freitags-Besoffenen nicht viel zugange. Dafür schallte der Lärm der draußen sitzenden Runde geballt ins Lokal. Die Bedienung total echauffiert.
„Vorhin war es noch viel schlimmer…“, erzählte sie und beugte sich zu mir vor. Ich konnte gar nicht anders, als ihr in den Ausschnitt zu schauen. Es gefiel mir, was ich sah. „Bei dem Wetter natürlich besonders schweißtreibend“, meinte ich verständnisvoll.
Die Jungs draußen ließen in ihrer Trinkseligkeit nichts anbrennen. Ich war abgespannt von der Arbeitswoche. Das Geschrei und laute Gelächter machten mich mürbe. Nach den obligatorischen drei Bier nahm ich meinen Rucksack mit den Einkäufen und verdrückte mich nach Hause.



*junge Männer, das heißt zwischen Dreißig und
Vierzig




XXX


Meine Bürokollegin zieht mich bei jeder sich anbietenden Gelegenheiten damit auf, dass ich jeden erstmal in Schutz nehme. Sie dagegen hetzt schon mal gern gegen andere Hühner, weil die aus ihrer Sicht schlecht arbeiten. Vielleicht kann sie das aus ihrer Erfahrung heraus besser beurteilen als ich. Ich rutsche dann schnell in die Position, dass ich sage „Jeder macht mal Fehler“ oder „Vielleicht hatte sie einen schlechten Tag“ oder „Sie macht das doch nicht absichtlich“. Dass meine Kollegin nicht nur sachlich, sondern vor allem emotional wertet, merke ich daran, dass sie sich über den Mist, den ich baue, nicht aufregt – im Gegenteil findet sie noch vor mir Entschuldigungen für meine Fehler. So nimmt sie jene Personen in Schutz, die sie mag, kritisiert aber übermäßig jene, die nicht zu ihrem Dunstkreis gehören.
Ich mag eine solch sympathiegeleitete Grüppchenbildung am Arbeitsplatz nicht. Sowas schafft nur Unruhe und Feindschaft. Muss das eigentlich sein, dass es in größeren Gruppierungen immer diese Aufspaltungen mit den damit verbundenen Animositäten gibt? Wenn ich merke, dass Vorurteile mit im Spiel sind, steuere ich automatisch dagegen. So war ich schon immer. In der Schule hielt ich zu den Außenseitern, wurde zwischenzeitlich selbst zu einem. Aber ich biss mich irgendwie durch. Zum regelrechten Mobbing-Opfer wurde ich nie. Im Großen und Ganzen habe ich das Gefühl, dass man mich als Person meist respektiert.

Ab und zu redet man auf Arbeit auch mal über gesellschaftliche Themen. Gabi, echt Berliner Schnauze und von uns geachtete Kollegin, war gerade zum Plausch. Es ging um die Flüchtlinge, die nach Europa und insbesondere nach Deutschland strömen, und ich machte meiner Meinung Luft. Ist es nicht unsere christliche und zivilisatorische Pflicht, Menschen in Not Asyl zu geben? Stattdessen nehmen wir es hin, dass diese Menschen an den europäischen Außengrenzen abgewiesen oder unter dubiosen Umständen zurückgebracht werden. Wir nehmen es hin, dass jeden Tag Menschen quasi vor unserer Haustür im Mittelmeer ersaufen. Was ist nur mit unseren Werten?
Meine Kollegin und Gabi schauten sich kurz an und lachten. „So ist er“, meinte meine Kollegin lapidar. Ich schwieg und setzte meine Tumordokumentation fort. Alles Todesmeldungen.



XXX


Ich denke an meine alte Heimat, wo jetzt das alljährliche Winzerfest stattfindet. Der Festplatz liegt an erhabener Stelle, und man hat im nahen Park einen Blick über die Dächer der Stadt und hin zu den Weinbergen des Kraichgaus. Ich denke an meine Eltern, die dort seit 2013 auf dem Friedhof ruhen. Das Schwimmbad, das sicher auch heute gut besucht sein wird, liegt gleich dahinter. Je nachdem, wie der Wind steht, tönt das Kindergeschrei über die Gräber. Ob`s die Toten stört?
Ich denke an die Jahre meiner Kindheit und Jugend, in denen mir meine Heimat zur zweiten Haut wurde. Ich denke an die vielen Freunde und Schulkameraden, die lange schon aus meinem Leben verschwunden sind. Ich denke an meine erste Liebe und unsere Spaziergänge in den Weinbergen.
Das Winzerfest bedeutete Abschied nehmen vom Sommer. Wir saßen auf den Stufen vor der Eissporthalle, die als Festhalle diente, und betranken uns. Ich blickte auf die zahllosen Menschen, die ihre Runden auf dem Festplatz drehten, die Musik der Fahrgeschäfte, die gebetsmühlenartigen Mikrofon-Ansagen der Schausteller in den Ohren, der Duft von Zuckerwatte in der Luft…, daneben der Geruch von Alkohol und Pisse.
Die Jahre gingen ins Land. Eine Liebe folgte der anderen. Bier floss in Strömen. Ich ließ die Schulzeit hinter mir. Ich arbeitete. Ich studierte. Ich trank. Ich liebte.
Sechshundert Kilometer liegen zwischen mir und der alten Heimat. Aber es sind nicht nur die Kilometer. Ich wuchs aus ihr heraus wie aus alten Klamotten (– die sind dann für die Tonne). Nur die Erinnerungen bleiben, eine ganze Geisterstadt voller Erinnerungen.

Hier ein Relikt meiner schriftstellerischen Bemühungen aus der damaligen Zeit, 1984:



Einer der letzten Tage


Der Sommer lag in den letzten Zügen, spuckte noch ab und zu einen warmen Tag aus; und man besuchte das Schwimmbad, weil man Urlaub hatte und nichts Besseres zu tun wusste. Es war kein richtiger Sommer und kein richtiger Urlaub gewesen. Das Ganze schien wie ein Kampf zwischen den vier Jahreszeiten, von denen sich keine geschlagen geben wollte. Sie stritten und balgten sich und vernachlässigten ihre Pflichten. So kam es bei ihm zu einer Verwirrung des Geistes. Er wurde vor- und zurückgeworfen in Geist und Gefühl, schwankte in seinem Schaffen und träumte in den Tag hinein.
Mit dem alljährlichen Winzerfest verließ die warme Jahreszeit Stadt und Land, und der Herbst begann seine blassen Farben auf die Wiesen und Felder zu sprühen. Aber noch war es nicht so weit, und er lag an diesem Nachmittag auf der Liegewiese des Schwimmbads in einem von Bäumen und Sträuchern begrenzten Abteil. Ameisen kitzelten ihn an allen möglichen Stellen, und er kratzte sich, zuckte nervös. Die Wiese war voll von unzähligem Kleingetier, das krabbelte und schwirrte und juckte. Er konnte nicht stillliegen. Das Leben fraß an ihm. Er hörte die Duschen und das Gerede der anderen Badegäste und hörte einen Hubschrauber und hörte ihn auch wieder verschwinden. Die Geräusche wechselten sich ab.
Er war unruhig und unzufrieden an jenem Tag, und es war möglich, dass es der Sommer war, der seine letzten Grüße sandte; es war auch möglich, dass es die Ameisen waren, die ihn wie verrückt kitzelten. Es gab eine Menge Dinge, die ihn beunruhigten, eine Menge Fragen, die er beantworten wollte. Das war so ein Tag, an dem er sich zwang nachzudenken, weil er das Gefühl hatte, es wäre der letzte, und alles wäre einmalig – und wenn nicht heute, wann dann?




XXX


Es wäre langsam mal wieder an der Zeit, eine Frau zu beglücken, meinen meine Eier.
„Alles nicht so einfach“, erwidere ich.
„Aber du warst doch früher nicht so wählerisch“, sagen meine Eier.
„Stimmt, aber die Zeiten ändern sich. Heute geht’s mir nicht mehr so sehr ums Ficken.“
„Hoppla!“
„Ich mache weniger Kompromisse. Ich liebe heute anders als damals.“
Meine Eier kichern: „Wer’s glaubt…“
„Echt jetzt! – ihr kennt mich doch!“
„Eben! Willst du nie mehr?“
„Quark. Wird schon wieder mal klappen.“
„Sieht aus unserer Sicht eher danach aus, als ob deine besten Zeiten vorbei seien.“
„Quark! Ihr seid zu ungeduldig. Heute schon könnte es soweit sein!“
„Heute!? Nicht wahr.“
„Ich meine, jeden Tag könnte es plötzlich so weit sein.“
„Ach so. Verarsche uns bitte nicht. Du hast doch nichts bestimmtes im Blick?“
„Nicht direkt.“
„Fuck! Er veralbert uns“, sagt das linke Ei. „Jep, ich denke, du hast Recht“, sagt das rechte Ei.
Ich kratze mich am Sack. „War mal wieder nett, mit euch zu plaudern, Jungs. Vertraut mir einfach. Habe ich euch jemals im Stich gelassen?“
Sanft gurrend schmiegen sich die Beiden an meine Schenkel und stimmen ein Lied an:
Wir sind ihm ergeben wie Sklaven,
Ach, tät er mal wieder mit einer Frau schlafen
Wir gehören ihm ganz und gar,
Verdammt lang her,
Dass er mit einer Frau im Bett war
Wir vermissen das sehr,
Er ist kein Mönch oder sowas in der Art,
Wann kommt der Typ endlich wieder in Fahrt?




XXX


DHL bietet neu an, dass sie zusätzlich abends liefern. Allerdings muss man dafür 2-3 Euro blechen. Na gut, dachte ich, einen guten Service lasse ich mir gern was kosten. Mal ausprobieren. Ich erwarte gerade ein Päckchen. Gestern sollte es zwischen 18 und 21 Uhr geliefert werden. Ich freute mich darauf und wartete. Wer nicht kam, war der DHL-Bote.
Bin gespannt, wie`s weitergeht. In der Sendungsverfolgung sind die Angaben irreführend. Da steht immer noch, dass sie das Päckchen am Abend liefern wollen. Doch das galt nach meiner Wunsch-Eingabe nur für den 06.09., und heute ist der 07.09., wenn ich mich nicht irre. Auch wollte ich den heutigen Abend nicht unbedingt zuhause verbringen. Ich könnte mal wieder ins Kino gehen. Vorher in den Potsdamer Platz Arcaden einkaufen und ein paar Bier süffeln. Mit dem Biergartenwetter ist langsam aber sicher Schluss. Ade geliebte Biergärten! Ade kurze Hosen! Das Leben ist hart.

War wohl ein Satz mit X das Spiel der Deutschen National Elf gegen die Niederlande gestern Abend. Beim Warten auf den DHL-Boten schlief ich ein und erwachte erst wieder Mitternacht. Okay, da habe ich also nicht viel verpasst. Wenn man alleine lebt, verfolgt man ganz gerne solche Sportevents. Ich bin kein Fußballfan und auch kein Tennis-, Leichtathletik- oder Motorsportfan, aber ich ziehe mir das Zeug trotzdem rein, vor allem die internationalen Wettbewerbe. Wahrscheinlich geht`s um Ablenkung und unangestrengtes Zeittotschlagen. Dazu die Ästhetik des Sports, die Spannung und der Kampfgeist. Dass ich mich als Deutscher über deutsche Siege freue und mich ein wenig gräme, wenn die deutschen Sportasse verlieren, kann und will ich nicht leugnen. In jedem von uns steckt ein kleiner Nationalist. Es geht um die Identität in Sprache, Kultur und Heimat – eine ganz normale Sache überall auf der Welt. Mensch wäre aber nicht Mensch, wenn er es nicht übertreiben würde. Was soll dieser übertriebene Patriotismus im Lande? Was treibt manche Menschen zu den Islamisten? Und wie kommt man zu den Ultras, den fanatischen Fußballfans? Warum müssen diese Arschlöcher immer wieder das friedliche Miteinander stören? Echt, ich könnte zum Extremisten gegen den Extremismus werden!

Bei aller Lust an der Spannung, wann DHL das Päckchen liefern wird, bereue ich inzwischen, dass ich die neu angebotene Abendlieferung wählte. Scheiß auf die 2-3 Euro Kosten – ich mag`s nicht, wenn man mich an der Nase herumführt! Sowas nehme ich persönlich!! Am liebsten würde ich eine Bombe in diesen verkackten DHL- und Postladen schmeißen! Oder viel besser: Ich schicke ihnen die Bombe!
Man muss diesen Armleuchtern doch mal zeigen, wo der Hammer hängt! Meint Ihr nicht auch?



XXX


Er steht seit Monaten im Regal. Wird Zeit, dass ich ihn verkoste. Ein Zurück gibt`s nicht mehr. Sieht aus wie Pisse. Den ersten Schluck habe ich schon hinter mir – etwas gewöhnungsbedürftig für meine an Bier und Wein gewöhnten Geschmacksknospen. Aber ich will Glen Buchenbach nicht gleich abhaken. Wäre auch seltsam, wenn ich schlagartig zum Whisky-Fan würde. Vergleichsmöglichkeiten zu anderen Whiskeysorten habe ich nicht. Ich glaube, ich nippte nur ein einziges Mal an einem Whiskycola. In Erinnerung blieb mir ein widerlicher Käsefußgeschmack. Also, ein déjà gouté habe ich schon mal nicht. Oder doch?! – ich rieche nochmal… Es ist nur viel länger her, reicht zurück in meine Kindheit… Als Kind naschte ich übermäßig Süßigkeiten, was freilich Karies förderte. Die Löcher in den Zähnen folgten auf dem Fuße. Wenn ich dann über tierische Zahnschmerzen klagte, fabrizierte meine Mutter einen in einer Tinktur getränkten Wattebausch in das Loch des kranken Backenzahns. Dass die Tinktur ein alkoholisches Getränk war, wusste ich alsbald – und nun bin ich sicher, dass es sich um Whiskey handelte, der mich damals benebelte und den Zahnschmerz schnell verfliegen ließ. Mit der Zeit gefiel mir dieses Gefühl gut. Ich biss solange auf den Wattebausch, bis nichts mehr aus ihm rauszuholen war… Genaugenommen fing damit meine Trinkerkarriere bereits im smarten Alter von 4-5 Jahren an.

Das Whiskyglas steht leergesüffelt auf dem Schreibtisch. Soll ich nachgießen? Nein, ich gehe es besser langsam an und mache mit Bier weiter. Das Zeug steigt einem wirklich schnell zu Kopfe.

Samstag, 6. Juli 2019

Schrei(b)en


Das Schreiben hilft mir bei der Selbstreflexion. Ich durchdenke mich selbst und die Dinge, die mir widerfahren, bewusster, wenn ich sie aufschreibe. Ebenso bedeutet mir das Schreiben als Mittel des kreativen Ausdrucks sehr viel, – Fantasien und Träume festzuhalten, an ihnen zu basteln. Jahrelang schrieb ich voller Eifer Prosagedichte und Lyrik. Niemals ist, was ich schreibe, von meiner Person losgelöst, sondern stets eine Aufarbeitung meines Denkens und meiner Lebenssituation. Ich mag die „Echtheit“, – die Authentizität bei Menschen wie bei Sachen. Also z.B. Handarbeit lieber als maschinell Gefertigtes. Und bei Menschen mag ich vor allem die offenen und ehrlichen Wesen, und nicht die Opportunisten, Populisten/Demagogen und Karrieristen. Ich habe ein gutes Gespür dafür, die ehrlichen Wesen von den verlogenen zu trennen (außer ich bin verliebt). Schon als Kind mied ich das Umfeld der Großmäuler.
Wer nicht mit den Wölfen heult, läuft freilich Gefahr, alleine zu bleiben. Darum hat das Schreiben auf den Blogs für mich eine besondere Wichtigkeit. Hier kann ich, obwohl alleine, meine Erfahrungen mit anderen Menschen teilen. Ich fühle mich weniger isoliert. Auch als Einzelgänger brauche ich ein soziales Feedback, sonst verkümmern meine geistigen und emotionalen Kräfte – jedenfalls langfristig.
Ich will darum allen danken, die auf meinen Blogs lesen und kommentieren. Sie glauben vielleicht nicht, was mir diese Resonanz bedeutet.



1980, im zarten Alter von Sechzehn, verfasste ich folgenden Text:

Ich will schreiben – ein Pinselstrich – noch habe ich keine Vorstellung. Ich lasse mich treiben von meinem Charakter, meinen Eigenarten, schreibe Worte nur so, die nichts sagen, gar nichts – nur so – eine Komposition, ein Gemälde gekleidet in Phrasen meines Intellekts, meiner Gedankengänge…
Was davon ist echt? Wie viel davon von mir, ganz von mir und nicht von den anderen?
Ich lernte sprechen und schreiben, ich schreibe Phrasen, die bestehen aus ihren Worten; aus ihren Strichen, aus ihren Farben zeichne ich ab, was sie mir vorgeben, und ich zeige ihnen eine neue Konstellation, eine andere Einstellung zum Leben – mische neue Farben, zeichne neue Formen, bereichere diese Welt – ein endloses Puzzle. Ich, ein neues Teil, werde eingefügt in eine Lücke. Wer setzt es zusammen?


Sonntag, 2. Juni 2019

Optimist in der Liebe - Schwachkopf im Leben


Ziemlich unsichere Sache mit der ausklappbaren Aluleiter im engen Bad – die beiden Glühbirnen in der Deckenlampe (noch die alten von Osram mit Glühdraht) hatten auf einen Schlag den Geist aufgegeben, und ich tauschte sie aus. Immerhin hielten sie seit meinem Einzug, also länger als meine letzte Beziehung. Frauen kann man dummerweise nicht einfach austauschen (außer man ist Popstar). Dabei wäre es langsam an der Zeit für eine neue, die etwas Licht in mein Leben bringt. Das alleine vor sich hindümpeln ist auf Dauer nichts für mich. Irgendwo da draußen ist sie sicher, nur weiß sie es noch nicht. Die Arme. Auf er anderen Seite kann auch ich der Arme sein, der auf sie reinfällt (– wie beim verhängnisvollen letzten Mal). So weit darf man aber nicht denken, sonst schrumpelt die Sehnsucht nach Zweisamkeit zusammen wie ein Hetero-Schwanz in der Männerdusche. Was die Liebe angeht, bin ich seltsamerweise gnadenlos optimistisch. Etwas Dummheit darf man sich doch leisten, oder? Ich meine die Dinge, die einen kaputt machen, aber ohne die man nicht leben will. Darum brauten die Mönche Bier und gruben einen Tunnel zum benachbarten Nonnenkloster. Sie haben meine Sympathie. Und die Heimlichtuerei hat den Reiz sicher tausendfach erhöht. Hach! – ich wäre gerne mal bei einer solchen unterirdischen Orgie dabei gewesen…
Viel wichtiger als der Sex ist mir aber die Liebe. Nichts Schöneres in meinem Leben gab es, als einen dieser weitentfernten Sterne vom Nachhimmel zu holen und zu küssen. Lege dich neben mich – wir halten uns gegenseitig.

Samstag, 25. Mai 2019

Von frommen Wünschen


Habe gerade in einer Nachrichten-Meldung gelesen, dass sich das Universum in einer Art zweitem Urknall auslöschen könnte. Falls sich irgendwo ein Higgs-Boson destabilisierte, würde dies einen Kollaps auslösen und alle Elemente zerreißen… Dieses Ereignis wird ziemlich sicher irgendwann eintreten. „Es sieht so aus, als wenn wir uns genau an der Kante zwischen einem stabilen und einem instabilen Universum befänden“, sagte der Physiker Joseph Lykken.
Schön. Dann ist der ganze Spuk endlich vorbei. Kapiert doch sowieso kein Schwein, was wir hier treiben. Noch brav zur Europawahl gehen und danach ein Bierchen süffeln – ich stelle mir vor, dass ich im Pub sitze, der Wirt mir einen Korn spendiert und wir anstoßen… „Auf das Higgs Boson!“ – „Jawohl-ja! Higgs forever!“
Okay, wahrscheinlicher ist, dass ich zwar meinen eigenen Untergang an Leberzirrhose erleben werde, aber nicht die Auslöschung des gesamten Universums. In solchen Sachen hatte ich schon immer Pech. Wenn ich mir etwas zu sehr wünsche, trifft es bestimmt nicht ein. Das gilt nicht nur für mein eigenes Leben, – sogar die gesamte Welt richtete sich in den letzten Jahrzehnten wie aus Trotz konträr zu meinen Wünschen aus. Ist das auf Dauer nicht frustrierend, wenn sich politisch und gesellschaftlich alles anders entwickelt, als man es sich wünscht? Doch, das ist es!
Trotzdem: Am Sonntag darf ich immerhin frei nach meinen Wünschen wählen…

Freitag, 24. Mai 2019

Man macht sich so seine Gedanken


Wo bleiben die Außerirdischen? Rein statistisch gesehen müsste es in der Milchstraße von dem Alien-Gelumps geradezu wimmeln. Mir kam vor kurzem eine Idee dazu – wahrscheinlich nicht ernst zu nehmen, weil mein IQ viel zu niedrig ist. Aber ich mache mir halt so meine Gedanken. Ich weiß gar nicht mehr, wo ich mir diese Theorie ausdachte. Nur nicht im Büro, denn dort ist mein Gehirn in Sachen Fantasie seltsam verkleistert, als würde auf meinem Kopf eine Zecke sitzen und fast alles außerhalb der Tumordokumentation absaugen… Im Büro bin ich einfach zu verkrampft, um meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Ständig glotzen mich die zwei Bildschirme vor mir an und fordern mich auf, mit dem nächsten Fall weiterzumachen. Zwischendurch suchen meine Augen den Himmel, nur, um nicht ständig auf die Bildschirme und die Dokumente zu starren – in meinem Kopf indessen stumpfe Leere… Wie wäre es, wenn ich plötzlich ein echtes UFO sähe? Endlich käme etwas Schwung in die Sache. Aber da werde ich wohl lange warten müssen. Das mit den UFO-Sichtungen finde ich schon einigermaßen geheimnisvoll, – aber warum gibt es dafür bis dato keine Beweise? UFOs hin oder her, ich habe nun meine eigene Theorie, warum wir offenbar so alleine im All sind – jedenfalls in dem für uns sichtbaren. Und genau darin besteht die Krux: Wie inzwischen jedes Kind weiß, blicken wir von unserem Standort aus in die Vergangenheit. Inzwischen können wir mit dem Hubble-Teleskop fast bis zum Urknall gucken. Wir können nachverfolgen, wie das Universum wuchs und sich bis zu den heutigen physikalischen Strukturen und Erscheinungen entwickelte, welche auch für uns verantwortlich sind. Das Beste kommt eben immer am Schluss… (Ha-Ha, ein Scherz freilich). Aber es könnte durchaus sein, dass die Bedingungen im früheren Universum die Evolution von Leben noch nicht zuließen, schon gar nicht von so motherfuckin` intelligentem Leben wie uns Menschen. Ich denke einfach, dass in der Vergangenheit des Universums, welche unser Sichtfeld ausmacht, derartiges wie uns noch nicht stattfand – oder äußerst selten und vor allem zu kurz. Wir scheitern an den wahnsinnigen Größenverhältnissen des Universums. Eine Eintagsfliege sind wir aber nicht. Das gegenwärtige Universum dürfte vor Leben geradezu explodieren – jedenfalls nach meiner Theorie. Alles hat eben seine Zeit. Als Allegorie stelle ich mir eine kosmische Wiese vor, die auf einen Schlag voller blühender Blumen erstrahlt. Aber nur ein Beobachter von außen kann dieses Bild wahrnehmen.
Falls wir wirklich Besuch von Außerirdischen bekommen, dann nicht aus dem für uns sichtbaren Universum, sondern durch Wurmlöcher aus einem relativ gegenwärtigen Universum. Ich könnte mir vorstellen, dass sie uns sporadisch besuchen, um nachzugucken, wie ihre Ableger gedeihen…
Die Fantasie stirbt zuletzt.

Das Wetter ist auch heute wieder geil. Pollen schwirren wie Miniraumschiffe durch die Gegend. Auf der gegenüberliegenden Seite unseres Blauen Planeten sieht es dagegen jahreszeitlich eher düster aus – muss mich aber nicht interessieren. Ich lebe hier und jetzt! Allen Aliens einen schönen Sonntag!

Sonntag, 19. Mai 2019

Kopfsache


Schwer zu beschreiben solche Momente: es ist ein kurzes Innehalten… Ich habe das oft, wenn ich morgens vor die Tür gehe, mich auf den Weg zur Arbeit mache… schließlich dort angekommen im Hof mein Fahrrad abschließe… alles wie fremdgesteuert. Was mache ich hier? Ist das nicht total irre? Nicht nur, dass sich mir der Sinn nicht erschließt, – die ganze Welt, die Umtriebe der Menschen, der Blaue Planet, der um die Sonne eiert, die Schwärze und Kälte des Universums, mein eigenes Leben, mein Funktionieren in einem wahnsinnigen, unerklärlichen Getriebe Tag für Tag… Unmöglich, denke ich, und es schaudert mich. Der Mensch schwafelt viel von Bewusstsein, aber wenn er sich selbst und der Welt tatsächlich bewusst wäre, würde er den Verstand verlieren. Wir fantasieren uns etwas zusammen, und kein Schwein weiß wirklich, was da vor sich geht. Wenn ich mir die Menschen um mich herum anschaue, sind die meisten voll beschäftigt mit Familie, Arbeit, Freizeitgestaltung, Hobby… soziale Kontakte pflegen, ein bisschen rumficken und Blabla. Niemand stellt das Leben, in das er hineingeboren wurde, ernsthaft in Frage. Wozu auch? Man kriegt nur Kopfschmerzen.

Fünf lange Bürotage wartete ich auf das Wochenende. Ein schöner Samstagvormittag. Endlich mal ausgeschlafen. Ich sitze am Laptop und schreibe blödes Zeug – Hirnfickerei. Plötzlich klingelt es. Sicher der Paketbote – ich bestellte zwei 5 Kg Hanteln, um mit ihnen immer mal zwischendurch zu trainieren, z.B. wenn ich im Bett oder auf der Couch liege. Durch das tägliche Büro-Sitzen schlaffe ich zusehends ab. Erwartungsfroh hechte ich also zur Tür. Endlich mal ein Paket, dass ich an der Haustür entgegennehmen kann und nicht in einer Postfiliale abholen muss. Doch anstatt des Paketboten erblicke ich eine junge Familie, total rausgeputzt, als wäre Sonntag. Ich dagegen stehe in Unterhosen und T-Shirt in der Wohnungstür. „Bonanzamargot?“ fragt der Mann. „Kein Interesse!“ ich lasse ihn nicht weiterkommen. Schnell schließe ich die Tür wieder und kehre zurück an meinen Schreibtischplatz. Schon vorhin fielen mir ein paar herausgeputzte Familien auf, die auf der Straßenseite gegenüber vorbeispazierten. Sicher Zeugen Jehovas. Auch ihre Kinder hatten sie im Schlepptau… Es tut mir leid, dass die bei diesen Aktionen dabei sein müssen.
Wie muss man drauf sein, um hier als Bilderbuchfamilie von Haustür zu Haustür zu gehen und den Leuten was von Gott zu erzählen?

Zurück zu meiner Hirnfickerei: Nach Gott sieht diese Welt nicht aus. Wahrscheinlich mein Fehler, dass ich mir einen guten Gott vorstellen würde, glaubte ich an einen. Kann ja nicht sein, dass ein guter Gott nur denen wohlgesonnen ist, die an ihn glauben. Wie auch immer. Ich ficke mich lieber selbst ins Hirn, als mich von seltsamen Glaubensgemeinschaften ficken zu lassen. Fühle mich auch sonst nicht gerade frei. Was für ein Scheißspiel wird hier gespielt? Mein Geist hadert. Ich fasse einfach nicht Fuß auf dieser Welt. Ist vielleicht besser zu gehen.

Die Waitingsystem-App auf meinem Smartphone zeigt an, dass ich als einer der nächsten dran bin. Ich soll mich schon mal auf den Weg machen… zum Friseur.

Freitag, 17. Mai 2019

Größe


Ich kletterte eine Felswand hoch. Sie war verflucht glatt. Ganz schön schwierig, an ihr Halt zu finden. Ich krallte meine Finger in sie hinein. Jeder Muskel, jede Sehne – mein gesamter Körper stand unter einer krassen Spannung. Mir lief der Schweiß in Strömen hinunter. Eine winzige Unachtsamkeit, und ich würde in die Tiefe stürzen. Jetzt nur keinen Krampf kriegen! blitzte es in meinem Kopf auf. Ich verlor jegliches Zeitgefühl, war gefangen im Moment – Zentimeter für Zentimeter, den ich mich an der Wand hochzog. Langsam wurde es leichter, und ich merkte, dass die Wand in eine immense Wölbung überging. Trotzdem musste ich höllisch aufpassen. Wenn ich erstmal ins Rutschen käme, wäre es vorbei. Wie ein Insekt klebte ich am Berg und kroch langsam voran. Endlich war ich oben! Die letzten Meter konnte ich gehen. Ich schaute mich um, und mir wurde gewahr, dass ich auf der Pobacke eines gewaltigen Frauenarsches stand. Links von mir blickte ich hin zu den Füßen eines bäuchlings liegenden, riesigen nackten Frauenkörpers, – und rechts von mir das Rückgrat entlang zu den Schultern und der dunklen Haarmähne des Kopfes. Vor mir lag eine tiefe, unüberwindliche Schlucht, die mich von der anderen Pobacke trennte. Ich traute mich keinen Schritt weiter und setzte mich…, streckte mich schließlich aus, erschöpft wie ich war. Ich lächelte und küsste den Boden. Ein warmes und sanftes Gefühl von Liebe legte sich wie eine Decke über mich. Zeit für ein Nickerchen. Ich war glücklich.

Sonntag, 12. Mai 2019

Kaltblütig heuchelte sie mir Liebe vor


Als Kind verdarb ich mir an einem Reissalat derart den Magen, dass ich jahrelang keinen mehr genießen konnte. Schon wenn ich an ihn dachte, wurde mir übel. Dabei war der Reissalat eine meiner von Muttern zubereiteten Lieblingsspeisen. Ich weiß noch, dass es ihr unendlich leidtat. Mit der Liebe kann etwas ganz Ähnliches passieren – jedenfalls fühlt es sich für mich danach an. Irgendeine Ingredienz wird schlecht und vergiftet die ganze Speise. Schätzungsweise war es beim Salat die Mayonnaise. Ich schmeckte es nicht und schaufelte das Zeug gierig in mich hinein… Demgegenüber: Die schlimmste Vergiftung in der Liebe geschieht durch Lüge und Betrug. Ich bemerkte es erst, als die Sache längst gegessen war. Kotzen könnte ich, wenn ich an diese Person und unsere gemeinsame Zeit denke. Obwohl inzwischen mehr als ein Jahr vergangen ist, wurden Ekel und Abscheu kaum geringer. Nun passierte es mir nicht zum ersten Mal, dass mir eine Frau Hörner aufsetzte, und ich lange um die verlorene Liebe trauerte; aber diesmal spüre ich kaum Trauer, sondern viel mehr einen ätzenden Widerwillen, dem ich nichts entgegenzusetzen habe. Unglaublich, wie lange und heftig sowas anhält. Eine „schlechte“ Liebe ist freilich eine ganz andere Hausnummer als eine schnöde Lebensmittelvergiftung. Ich rechne mit einer lebenslangen Aversion gegen meine Ex und alles, was mit ihr zusammenhängt…
Würg – ich muss das Thema wechseln.
Gestern bestellte ich mir einen Radreiseführer für meine geplante Tour nach Danzig. Gar nicht mehr so lange hin. Ich freue mich darauf, unterwegs zu sein. Es gibt nichts, wobei ich mich freier fühle. Wenigstens für ein paar Tage. Hoffentlich spielt das Wetter im Juni mit.
Und: Ich setzte meine Blutdruck-Medikamente ab. Brachten eh nicht viel, außer Müdigkeit und Potenzstörungen. Raus mit dem Gift aus meinem Körper! Das einzige Gift, das ich mir bewusst reinziehen will, ist Alkohol. Prost! Das Scheiß Leben, auf das wir von klein auf geimpft werden, war mir schon immer zuwider… Auf die Vergiftung unserer einsamen Seelen! Auf die Schwanzlutscher des Universums! Und zur Hölle mit meiner Ex!

Samstag, 27. April 2019

Eigentlich wollte ich von rasierten Eiern schreiben


Der Wirt vom Pub war gestern ganz schön mies drauf! Mann o Mann… Die Säufergruppe, die um die Mittagsstunden ihr Stelldichein gibt, war bereits weg. Die ist nicht leicht zu ertragen, obwohl nicht aggressiv aber eben anstrengend und laut. Überhaupt beobachte ich beim Wirt in den letzten Monaten zunehmend Phasen des Überdrusses, dass er alles ziemlich satthat. Gestern also war es wieder so weit, und er steigerte sich in seine miese Laune hinein. Ich bin in solchen Situationen immer betont zurückhaltend mit meinen Bestellungen. Sowieso verstehen wir uns diesbezüglich ohne Worte. Ein Blick genügt.
Die Kneipe war so gut wie leer. Er wartete auf Ramona, die ihn 17 Uhr ablösen sollte. Ramona, die schwarze Schönheit, ist regelmäßig zu spät, und er weiß das. Trotzdem regt er sich regelmäßig auf und wird immer nervöser. Seine Stammgäste, die ein Getränk bestellen oder ihre Sprüche absondern, kackt er dann schon mal an. „Ich habe noch anderes zu tun! Könnt ihr nicht mal die Klappe halten?!!…“ und ähnliches. Die lachen dann – machen sich über ihn lustig. „Also, wenn du irgendwann Zeit findest…“ Auch ich sitze amüsiert an der Bar, blättere in einer Illustrierten und weiß ja, dass nach der nächsten Runde Korn alles wieder gut zwischen ihnen ist.
Ramona kam und kam nicht. Der Wirt telefonierte ihr bereits hinterher. Natürlich würde sie noch kommen. Irgendwann. Und er brummelte ständig: „Wie ich das alles satthabe!“
Harry ist Stammgast und sieht aus wie eine wandelnde Mumie, bloß ohne Binden. Die Wintermonate verbringt er regelmäßig in Indien – seit ein paar Wochen kehrt er wieder im Pub ein. Ich mag ihn nicht. Er trinkt entweder Kaffee oder Kirschbananensaft. Dem Alk hat er vor Jahren abgeschworen (erzählte er mir mal). Meist spielt er in einer Runde Skat und macht auf Klugscheißer.
Wie gesagt, gestern war der Wirt eh schon auf 180, da betrat Harry die Kneipe und verkannte die brenzlige Lage. Der Wirt hatte gerade Kaffeebohnen in den Automaten geschüttet, wobei unter großem Fluchen fast die Hälfte danebenging. Harry kam ihm da mit ein paar dummen Fragen gerade recht. Der Wirt reagierte entsprechend unwirsch: „Mensch, Harry halte die Klappe!… Wieso stellst du solch blöde Fragen? …“ Das ganze gipfelte schließlich darin, dass Harry auf dem Absatz kehrt machte und das Lokal verließ. „Leck mich am Arsch“, meinte er zum Wirt, und der: „Das merke ich mir… Von wegen Leck mich am Arsch… das merke ich mir… das nächste Mal gibt`s was auf die Mütze!“ Oder so ähnlich. Ich kann nicht verhehlen, dass ich innerlich eine gewisse Genugtuung empfand. Die Mumie geht mir schon lange gegen den Strich. Von mir aus kann er ganzjährig in Indien bleiben. Auch der Wirt meinte das. Aber freilich werden sie sich wieder einkriegen. Mal sehen.

Donnerstag, 28. Februar 2019

19.01. - 27.02.2019


WOW! Twoday funzt wieder! Sehr erfreulich!
Einen guten Monat konnte ich dieses Blog nicht bedienen... Hier alle bisher geschriebenen Beiträge zusammengefasst:


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Die Handballer sind mir sympathisch – ganz andere Typen als diese Fußballer. Schon rein äußerlich keine solchen Schmalbrüste. So stelle ich mir eine Horde Wikinger vor. Echte Kerls halt! Gefällt mir gut, was die Deutschen Handballer bisher bei der WM ablieferten. Ich wünsche ihnen, dass sie ins Halbfinale oder gar ins Finale kommen. Wenn sie weiterhin Spiel für Spiel so fokussiert sind, haben sie gute Karten. Ich bin gespannt, was sie heute Abend gegen die Wikingertruppe der Isländer zeigen.
Ganz vergessen, wie das ist: in die Sonne blinzeln. Wenn auch bitter kalt. Die Sonne bringt nicht nur Licht in die Außenwelt, sondern auch in die Seele. Sie kitzelt die paar Lebensgeister, die ich noch habe. Ich laufe mit dem Handstaubsauger durch die Wohnung und jage Wollmäuse. Auch das Staubtuch kommt mal wieder zum Einsatz.
Nachher ein Paket abholen in meiner Abholfiliale, dem Kiosk nur 150 Meter die Straße runter. Vor kurzem träumte ich von Scheiße, was Reichtum bedeuten kann. Ich könnte bei dieser Gelegenheit Lotto spielen. Irgendwo liegt ein vor Monaten ausgefüllter Lottoschein…
Ich finde ihn nicht. Werde wohl einen neuen ausfüllen müssen. Oder auch nicht. Sowieso Quatsch. Obwohl, man weiß nie. Und wie wähle ich die Zahlen? Blind? Einer geheimen Eingebung folgend?
Nur mal angenommen, ich hätte wirklich sechs Richtige, – wäre ein solcher Lottogewinn tatsächlich ein Segen? Ich komme ins Grübeln. Bei meiner letzten Partnerin dachte ich auch, sie sei sowas wie ein Sechser im Lotto für mich. Heute weiß ich, dass sie der größte Scheiß war.
Die Litfaßsäule auf der anderen Straßenseite ist immer noch nackt. Wo bleibt der Plakate Ankleber? Ich googelte inzwischen, dass es „Plakatierer“ heißt. Also, wo bleibt der Plakatierer? Würde gern mal wissen, ob sich noch jemand außer mir für diese Litfaßsäule interessiert. Am Ende existiert sie nur in meinem Kopf… Ich sollte nachher überprüfen, ob sie da wirklich steht. Am Besten ein Foto machen.

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Hertha spielt heute 15 Uhr 30 – da wird`s im Pub voll sein. In der letzten Zeit verbringe ich fast täglich eine Stunde im Pub, genauer gesagt Puschels Pub. Ich sage eine Stunde, weil ich selten mehr als drei Pils trinke. Die sind in einer Stunde zu schaffen. Viel länger wollte ich dort nicht an der Bar sitzen: zu verraucht, und die Stammgäste sind eine Gesellschaft für sich. Ich dränge mich nicht auf, trinke mein Bier, blättere in einer Zeitschrift oder schaue einfach vor mich hin. Durch die Fensterfront sieht man das Leben auf der Potsdamer Straße, was teilweise recht skurril ist – ich meine die Figuren, die da vorbeilaufen, ein regelrechtes Panoptikum menschlicher Erscheinungen.
Am liebsten habe ich, wenn es nicht zu voll ist an der Bar. Das wird heute Nachmittag sicher nicht der Fall sein (wg. Hertha). Ich könnte freilich in eine andere Kneipe ausweichen, aber da gibt`s sonst nicht viel nach meinem Geschmack. Und so nötig habe ich`s nicht. Mein Bier kann ich auch zuhause trinken.
Nun ist Berlin so groß, aber die richtige Kneipe für mich fand ich noch nicht. Entweder sind mir die Lokale zu spießig, zu uninteressant oder zu abgefuckt. Oder sie liegen in einem anderen Kiez und öffnen erst spät. Man hat`s nicht einfach auf der Welt.

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Wenn Träume platzen, ist das immer bitter. Das ganze Leben besteht aus platzenden Träumen. Die so fantastisch aufspielende Deutsche Handballmannschaft unterlag im Halbfinale Norwegen. Schade, ich hätte den Jungs die Erfüllung ihres großen Traums, Weltmeister zu werden, gewünscht. Sie waren auf einem guten Weg dorthin. Jeder kennt den Katzenjammer nach der Euphorie. Man könnte sich angesichts der geplatzten Träume in den Arsch beißen. Es wäre zu schön gewesen …
Nun ist heute Morgen auf Berlins Dächern und Straßen tatsächlich ein wenig Schnee zu sehen. Vielleicht ein halber Zentimeter. Am frühen Morgen hörte ich das Scharren der Schneeschaufel im Hof. Ich lag bereits wach, schaute mir eine Doku über Jack Londons Leben an. Ein rasantes kurzes Dasein fristete er. Seine Geschichten und Romane unvergessen. Er zählte schon immer zu meinen Lieblingsautoren. Also war mein Gedanke: Ich muss mal wieder den guten alten Jack London lesen. Da von ihm im Bücherregal lediglich „König Alkohol“ steht, bestellte ich mir bei Amazon zwei Erzählbände. Leider muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich derzeit sehr wenig lese. Die ungelesenen Bücher stapeln sich bereits. Nur auf Reisen komme ich vermehrt zum Lesen, und ich weiß, dass Jack London eine ausgezeichnete Reiselektüre ist. Ich freue mich schon darauf, auf Gran Canaria seine Geschichten zu lesen.
Das Wetter am Wochenende soll trist werden. Der wenige Schnee wird schnell wieder verschwunden sein. Noch verzuckert er die Bürgersteige und parkenden Autos. Bald wird es bei knapp über null Grad regnen. Der Winter gab nur ein kurzes Stelldichein. Das Siffwetter kehrt zurück. Alles ist so verdammt flüchtig. Die Träume platzen wie Seifenblasen, während man sich Tag für Tag im Hamsterrad einen abstrampelt. Jack London schaffte den Sprung aus dem Hamsterraddasein. Er war ehrgeizig und begabt. Das bin ich weniger. Viel weniger. Vor allem mein Tatendrang lässt zu wünschen übrig. Meine Lieblingsbeschäftigung ist Abhängen… zuhause, in Kneipen und Biergärten. Das größte Defizit, welches ich im Winter empfinde, ist, dass die Biergärten geschlossen sind. Ich sitze also zuhause und schaue aus dem Fenster… hinaus in die Kälte, auf die Passanten, die parkenden Autos, die Litfaßsäule auf der anderen Straßenseite und die dahinterliegende Häuserfront mit den vielen Fenstern – bienenwabengleich. Apropos Litfaßsäule, ich recherchierte inzwischen, warum sie derzeit nackt herumsteht. Sie ist nicht alleine betroffen. Die Litfaßsäulen Berlins sollen neuen Modellen Platz machen, wahrscheinlich irgendwelchem digitalen Schnickschnack, der mit der herkömmlichen Litfaßsäule nicht mehr viel zu tun hat. Erst das Baumsterben, und nun erlebe ich auch noch das Sterben der Litfaßsäulen…
Das Leben ist grausam. Gnadenlos weicht das Alte dem Neuen und vermeintlich Besseren. Der ewige Lauf der Dinge. Evolution und Auslese. Wir Menschen drehen munter mit an den Stellschrauben der Schöpfung. Das macht uns anscheinend ganz heiß. Immer schneller, immer weiter! Hinterm Horizont wartet der ultimative Orgasmus.
Ich hänge dann mal ab. Jack London disziplinierte sich dazu, jeden Tag 1000 Wörter zu schreiben. Da komme ich freilich nicht mit. Heute schaffte ich gerade mal die Hälfte.

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Rabengekrächze tönt von draußen herein. Ich kippte das Fenster. Im Hof vor der Tanzschule stehen drei Typen, die rauchen, plaudern und sich unheimlich cool finden. Wahrscheinlich warten sie auf ihre Angebeteten… oder sie nehmen selbst an einem der angebotenen Kurse teil und ziehen vorher schnell noch eine durch. „Lutscher!“ denke ich insgeheim. Ich fühle mich allgemein von sehr vielen meiner Mitmenschen abgestoßen, von ihrem Gehabe und den Gesprächen, die sie führen. Was für Laffen! denke ich dann. Oft schaue ich einfach über die menschlichen Auswüchse an Widerwärtigkeit, die mir in der freien Wildbahn der Großstadt begegnen, hinweg – schließlich will ich mich nicht immer über denselben Mist grämen. Sowas ist reine Energieverschwendung. Heute scheine ich aber mal wieder einen meiner sensiblen Tage zu haben. Von Frauen kennen wir das, wenn sie ihre Tage bekommen. Aber auch bei uns Männern gibt`s sowas…, weiß der Teufel. Fuckin` Hormones!
Wenn ich tagelang in der Bude hocke, fühle ich mich wie ein Haufen Scheiße mit Gehirn. Etwa wie jetzt, nachdem ich gestern zuhause abhing. Wird Zeit, dass ich meinen Standpunkt wechsele. Es reicht, wenn ich meinen Arsch hin zum Pub verschiebe. Die Deutschen Handballer spielen 14 Uhr 30 um Platz 3 gegen Frankreich. Passt mir gut. Sonntagnachmittage sind immer eine Herausforderung, vor allem im Winter. Als Kind erlebte ich sie verbunden mit langweiligen Spaziergängen und Kaffeekränzchen. Viel lieber hätte ich gespielt, vor der Glotze abgehangen oder mich mit Freunden getroffen. Wenigstens bin ich heute mein eigener Herr, und niemand redet mir bei der Gestaltung meiner Sonntagnachmittage hinein. Als ätzend empfinde ich sie trotzdem noch.
Gut zwei Stunden bleiben totzuschlagen, bis das Spiel beginnt. Das sollte zu schaffen sein. Obwohl mir gerade nichts mehr einfällt.

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Das Wochenende schon mal gut begonnen, indem ich mir Finger- und Fußnägel schnitt. Ich mache das immer fein mit der Nagelschere und nicht mit einem Nagelknipser. Trotzdem fällt bei der Prozedur schon mal ein Nagel zu Boden. Wo ist der nur wieder hin? Mit meinem Adlerblick suche ich den Boden ab. Nichts zu sehen. Dann streiche ich mit der flachen Hand über den Boden… und hab ihn! Aber nicht immer. Manchmal muss ich die Suche aufgeben. Fingernagel vermisst, irgendwo in der unendlichen Weite vor oder unter dem Schreibtisch. Es ist wirklich so, dass es Dinge gibt, die einfach so verschwinden, nicht nur kleine Dinge wie Fingernägel, Schrauben oder Unterlegscheiben von Schrauben. Seit einem Jahr vermisse ich eine Haushaltschere. Ich zweifelte bereits an meinem Verstand.
Ich denke besser nicht weiter drüber nach, was auf nicht nachvollziehbare Weise schon alles aus meinem Leben verschwand. Es ist nicht so sehr der Verlust, der mich nachhaltig wurmt, sondern dass ich nicht hinter das Verschwinden komme. Wieso? Habe ich nicht aufgepasst? War`s meine Schuld?
Womit ich endlich beim Thema dieses Beitrags wäre: Schuld. Ein sehr schweres Thema. Ich spüre, wie ich mich innerlich verkrampfe, wenn ich drüber nachdenke. . Besser noch einen Drink nehmen, bevor ich weiterschreibe…
Jegliches Sein lädt per se Schuld auf sich. Das Sein steht immer in Konkurrenz zum ihm umgebenden Sein. Sein gegen Sein. Aktion und Reaktion. Alle tragen wir ein Riesenpaket Schuld auf unseren Schultern, stehen unter einem permanentem Rechtfertigungsdruck. Ausnutzen tun dies diejenigen, die an der Macht sind. Sie liefern uns scheinheilig die Absolution, nach der wir lechzen. Dafür wollen sie lediglich unsere Seelen. Ein guter Deal für Menschen, die von der Seele wenig Ahnung haben. Sie tappen arglos in die Falle. Weltweit zu sehen. Religionen und Ideologien entstehen. Menschen wie du und ich erklären sich zu Moralwächtern über die gesamte Menschheit. Wir generieren eine Hitparade der Schuld. Diejenigen mit den besten Entschuldigungen stehen dabei besser da als die Menschen, die zu ihrer Schuld stehen.
Keine Seele ist ohne Schuld. Die Schuld verbindet uns mehr als alles andere auf der Welt. Es ist töricht, vor ihr wegzulaufen. Funktioniert sowieso nicht. Freilich können wir eine Mauer der Ignoranz und Selbstlüge errichten. Aber die hat ihren Preis…
Eines Tages wird die Menschheit von der Erde verschwunden sein. Die Sonne macht ein Nickerchen, wacht auf, reibt sich die Augen und denkt verwundert: Wo sind denn die Menschen hin? Wo sind diese wunderlichen Geschöpfe auf dem Planeten Erde geblieben? Bin ich etwa daran schuld?

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Die Lieferung der Bücher verlief kurios. Auf dem Smartphone konnte ich den Status verfolgen. Ich war auf ein Feierabendbier im Pub, als ich las, dass die Sendung angekommen sei, sie läge an einem sicheren Ablageort. Zuhause angekommen fand ich nichts, nicht vor der Tür, nicht auf und nicht im Briefkasten. Viele Möglichkeiten für einen Ablageort gibt es nicht, schon gar nicht für einen „sicheren“. Ich musste davon ausgehen, dass das Päckchen gestohlen wurde. Alle anderen Szenarien verwarf ich per Ausschlussverfahren. Ich kontaktierte also Amazon, um den Nichterhalt der Buchsendung zu reklamieren. Ich hatte einen freundlichen Herrn vom Kundenservice am Telefon. Er wusste auffallend schnell, worum es ging. Nach kurzer Recherche, meinte er, dass es einen zu großen Aufwand bedeuten würde, der Sache auf den Grund zu gehen. Stattdessen sollte ich die Bücher nochmals erhalten. Freilich ohne zusätzliche Kosten. Prima, dachte ich, guter Service. Ich bedankte mich artig und legte auf. So weit, so gut. Am nächsten Abend, ich hatte es mir bereits mit dem Tablet im Bett bequem gemacht, klingelte es an der Wohnungstür. Mein polnischer Nachbar von schräg über mir hielt mir ein Päckchen entgegen…
„Lag auf meinem Balkon“, sagte er mit furchtbar ernster Miene. Ich mag meinen polnischen Nachbarn nicht. Er spielt sich immer auf und quatscht einen voll. Darum gehe ich ihm am Liebsten aus dem Weg.
„Aha“, meinte ich lapidar, „sieht so aus, als ob das die Bücher sind, die ich vermisse. Danke.“ Das Päckchen war aufgerissen.
„Das ist vom Regen“, ihm war mein fragender Blick nicht entgangen.
Ich bedankte mich nochmals bei ihm, und er stiefelte hoch zu seiner Wohnung.
Zwanzig Minuten später stand er erneut vor meiner Tür. Ihn ließ die Sache offenbar nicht in Ruhe.
„Ich erinnere mich“, sagte er, „da war gestern ein Mann, der bei mir klingelte, und ich machte auf. Wahrscheinlich wollte er das Päckchen zustellen. Aber du warst nicht da. Warum hat er es nicht zu mir gebracht!? Wir sind Nachbarn. Ich hätte es entgegengenommen!“
„Natürlich“, lächelte ich gequält.
„Warum wirft er es auf meinen Balkon!?“ Er schimpfte auf den Paketzusteller und auf die Lieferdienste im Allgemeinen. Am Schlimmsten sei die DHL. Als er merkte, dass ich seine Aufgeregtheit nicht teilte, fragte er: „Was hättest du gemacht, wenn die Bücher weggewesen wären?“
„Dann hätte ich Pech gehabt. Danke nochmal.“
Ich schloss die Tür und legte mich zurück ins warme Bett. Sachen gibt`s.

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Das Leben bleibt unergründlich. Du denkst, da müsste doch noch was kommen, aber es kommt nichts. Lediglich auf der Oberfläche verändert sich dies und jenes. Gut für die Materialisten. Sie flitzen durch das Leben wie Wasserhüpfer über einen Teich. Ich sehe ihnen dabei zu und staune. Während ich schwerfällig am rudern bin, springen sie wie Kobolde um mich herum, als wäre das Leben eine Art Spiel – nach dem Motto „weiter-höher-schneller!“. Ich versuchte, mich an diese mir wesensfremde Welt anzupassen, indem ich Alkohol trank. Nach ein paar Bier fühlte ich mich ebenso schwerelos. Das Leben erschien mir mit Alkohol leichter. Nur war das nicht ich. Und ich musste immer mehr schlucken. Ich konnte nicht mehr aufhören.
Man ist, wie man ist. Ich mache den Materialisten und Wasserhüpfern der Welt keinen Vorwurf. Nur wohlfühlen kann ich mich unter ihnen nicht wirklich. Ich trank mir das Leben schön wie eine Geliebte, die einem ungefragt zuflog. Ich wusste immer, dass ich mir etwas vormachte. Mit Selbstlügen habe ich`s nicht so. Das Leben ist ein Teufelskreis. Du denkst, da müsste noch was kommen, aber es kommt nichts… Lediglich auf der Oberfläche verändert sich dies und jenes.
Ich hatte verflucht viel Glück, dass ich nicht absoff. An manchen Tagen bin ich sogar stolz darauf, weil es nicht nur Glück war. Es war nicht ganz einfach, der zu sein, der ich bin…, trotzdem immer wieder einen Platz zu finden, – ein Seerosenblatt auf dem Teich, an dem ich mich eine Weile festhalten konnte.

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Eine kleine schwäbische Brennerei verlor kürzlich vor Gericht gegen die großen schottischen Whiskyhersteller den Streit um den Namen ihres Whiskys. Sie dürfen ihn nicht mehr Glen Buchenbach nennen, Glen (= Tal) sei allein den schottischen Whiskyherstellern vorbehalten.
Am Tag der Urteilsverkündung sah ich zufällig eine kurze TV-Reportage zur Sache. Sehr sympathisch dieser schwäbische Familienbetrieb, vor allem Oma Gerlinde. Ein kostender Kunde meinte: „Das schmeckt ja grad, als wenn dir ein Engele auf die Zung brunzt.“ Wow! dachte ich bei mir, in den Genuss sollte ich auch mal kommen. Bis dato zeichnete ich mich eher als Whiskyverächter aus. Kann gar nicht genau sagen, warum. Vielleicht einmal probiert und nicht auf den Geschmack gekommen. Jedenfalls machte mich der Glen Buchenbach neugierig. Ich wollte Whisky in meinem Leben eine zweite Chance geben und besuchte die Website der Brennerei, wo sie ihre Produkte auch zum Verkauf anbieten. Vergriffen! Freilich, hätte ich mir denken können. Durch die Medienaufmerksamkeit wurden auch andere scharf auf den Glen Buchenbach. Ein seltenes Tröpfchen bei einer jährlichen Produktionsmenge von nur 300 Liter. Ich hätte gern eine Flasche ergattert. Und wenn mir der Whisky nicht mundete, wäre ich immer noch im Besitz einer einzigartigen Flasche mit dem Etikett Glen Buchenbach gewesen, z.B. als Kerzenständer!

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Seit langem griff ich mir mal wieder „Adam & Eva“ aus dem Bücherregal, ein dicker Karikaturen-Band des Künstlers Tomi Ungerer. Herrlich! Ich ergatterte das Buch vor diversen Jahren an einem Antiquariatsstand in Fürth. Ich war auf Besuch bei einer Internetbekanntschaft, die wie ich Gedichte in einem Literaturforum veröffentlichte. Wolfsfrau nannte sie sich damals. Ihr Hobby war Bergsteigen. Nicht unbedingt meine Welt, aber mir gefielen die Sachen, die sie schrieb. Wenn ich mich recht erinnere, war ich nur übers Wochenende bei ihr. Nein, es lief nichts zwischen uns. Damals trank ich exzessiv und war ziemlich derangiert. Wir schrieben uns weiterhin und träumten von einem gemeinsamen Gedichtband…, aber mit der Zeit schlief der Kontakt ein – wie das so ist. Zurück blieben das Karikaturen-Buch Tomi Ungerers und ein Schnellhefter mit Wolfsfraus Gedichten. Ich komme darauf, weil ich heute in den Internet-Nachrichten von Tomi Ungerers Tod las. Er verstarb 87jährig in Irland bei seiner Tochter.
Ich mag seine Karikaturen, und es wurde Zeit, sie mal wieder hervorzuholen.

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Ich meine, es schifft ununterbrochen. Das muss einen nicht unbedingt frustrieren, wenn man z.B. Geburtstag hat, im Lotto eine gehörige Summe gewann oder frisch verliebt ist. Aber was soll ich sagen? Morgen beginnt bereits wieder eine öde Arbeitswoche mit Tumordokumentation. Ich weiß nicht, wie viele Tumorfälle aus Berlin und Brandenburg jede Woche über meinen Schreibtisch wandern, aber es sind sicher Hunderte. Ich erwähnte es früher schon mal: Ich bin natürlich froh, dass ich diesen Job kriegte. Fast alles war besser, als im Altenheim weiterhin als Arschwischmaschine zu dienen. Ganz abgesehen von der Verantwortung, welche mich total überforderte. Die Alten waren mir in den Nächten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert… Viereinhalb Jahre ist es her, dass ich meinen letzten Nachtdienst schob. September 2014 sagte ich „Goodbye“ zur Altenpflege. Durch das Erbe meiner verstorbenen Eltern war ich vorerst abgesichert. Zudem frisch verliebt. Ich fühlte mich eine Zeit lang wie neugeboren.
Wie lange ist das schon wieder her? Warum konnte das Glück nicht anhalten? Ich sitze alleine in meiner Bude in Berlin und blicke aus dem Fenster. Es ist Sonntagnachmittag, Anfang Februar. Es schifft unaufhörlich. Ich setze mir einen Topf mit Maccheroni auf. Der Topf kocht über, während ich diesen Beitrag schreibe. Scheiße! die Maccheroni! fährt es mir in den Kopf.

*

Man kann das Weltall einfach nur als monströse und kuriose Ansammlung von Raumzeit und Materie ansehen. Jedoch warten vereinzelt Wissenschaftler mit fantastischeren Sichtweisen auf. Fakt ist, dass sehr vieles im Universum sprichwörtlich im Dunkeln liegt. Ich empfinde das Dasein als eine Einladung an die Fantasie. Nur knallharte Materialisten können der Anziehungskraft des Fantastischen widerstehen. Bei manchen mutet es wie ein krampfhaftes sich sträuben gegen alles, das nicht in ihre Köpfe passt (was sie sich nicht erklären können) an. Ich erinnere mich noch gut an die Nachmittage, als ich bei meiner Mutter in der Küche saß und wir über Gott und die Welt fabulierten. Der Vater schaute kurz bei uns rein, winkte grinsend ab und verzog sich wieder. So was hatte nichts mit seiner Realität zu tun. Er tat das Nachdenken über solch geistige Dimensionen als Spinnereien ab. Er wurde regelrecht verlegen, wenn wir ihn zu Themen wie Liebe oder Glauben ansprachen. Ich verstand nie, was in seinem Kopf vorging. Wie konnte er das alles ausblenden? Ich glaube, er hatte Angst, sich im Irrgarten des Unwägbaren zu verlieren. Und in der Tat gibt es auf der Welt nicht wenige Zeitgenossen, die sich in abstrusen Ideen und Ideologien verirren, – die sich mangels eigener Gedankenkraft von großmäuligen Heilsverkündern (oder Religionen) einwickeln lassen. So gesehen war mein Vater, der in seinem Leben nur wenigen einfachen Prinzipien folgte, ein weiser Mann. Es war für ihn nicht von Belang, ob es Gott gab oder nicht. Aber es gehörte sich, zu gewissen Anlässen in die Kirche zu gehen. Der gesellschaftlichen Konvention (dem Mainstream) musste man ungefragt folgen. Ich weiß nicht, ob er an irgendetwas glaubte. Er sprach nicht darüber. Noch heute rätsele ich über den Menschen, der mein Vater war…
Ebenso rätsele ich über die Welt, in der ich lebe, über das Universum, das Sichtbare und Unsichtbare, die unendlich vielen Kapriolen der Existenz. Was ist das alles? Wieso ist es da, und woher kommt es? Was habe ich damit zu tun? Wo ist mein Platz? An meinen Fragen änderte sich nicht viel seit damals, als ich bei meiner Mutter in der Küche saß und wir über das Dasein philosophierten. Vieles davon war sicher Spinnerei, aber es machte Spaß – es war schön, mit einer anderen Person über diese Dinge zu sinnieren. Ich fühlte mich verstanden, auch wenn die Fragen offenblieben, die ich stellte.
Nein, ich glaube nicht, dass das Universum (sozusagen) nur Staub ist. Es gibt Forscher, die es für ein Lebewesen halten oder für ein riesiges Gehirn… Alles könnte auch einfach nur Einbildung oder ein Märchen sein. Zum Verrücktwerden das Ganze. Ich sitze hier mit meinem unterbelichteten Verstand und stelle Fragen zu Sachen, die weit über mein Vorstellungsvermögen hinausgehen. Tut das not?
Langsam kommt das Wochenende in Schwung. Wie von den Wetterfröschen vorhergesagt wird es sonnig bei fast frühlingshaften Temperaturen. Also nichts wie hinaus in diese merkwürdige Welt, die sich (hier) Berlin nennt. Eine Spritztour mit dem Fahrrad zum Schlachtensee, bei einem frischgezapften Bier in die Sonne blinzeln und (fast) an nichts denken.

*

Die Waschmaschine läuft. Wie beruhigend. Es ist Wochenende. Sonnig aber kalt. Von wegen Biergarten. Vielleicht am Nachmittag ins Kino gehen. In „Green Book“. Könnte mir gut gefallen. Vorher in den Potsdamer Platz Arkaden einkaufen. Ein paar Dosen Bier für den Film. Habe gerade gelesen, dass sie das Shopping-Center 2019 umbauen wollen. Ich hasse Shopping-Center, aber die Arkaden am Potsdamer Platz fand ich halbwegs erträglich. Was daran liegt, dass es dort selten überlaufen war. Alles noch überschaubar und nicht wie in einem Irrgarten. Luftiger und heller als andere Einkaufscenter. Na gut, dann sollen sie mal umbauen. Als einfacher Konsument bleibt einem sowieso nichts anderes übrig, als sich anzupassen. Wenn ich mir überlege, wie sehr sich die Welt um mich herum im Laufe meines Lebens veränderte. Das meiste in meinen Augen negativ. Und alles menschengemacht. Die Mehrheit wollte es so. Oder es war ihr egal. Wir leben in einer Demokratie. Immerhin. Demokratie und Menschenrechte sind keine Selbstläufer. …ich war nie ein Kämpfer. Ich meine, dass das Leben Kampf genug ist. Einfach am Leben zu sein, ist für mich bereits irrsinnig kraftraubend. Vor allem geistig. Wozu gegen Mächte kämpfen, gegen die man sowieso null Chance hat? Wozu sich mit Armleuchtern streiten, die man niemals überzeugen wird? …kommt mir irgendwie so vor, wie das Hangeln von Therapie zu Therapie bei der unheilvollen Diagnose Krebs. Sie sagen, man könne das Ende dadurch etwas herausschieben. Doch eine Heilung gibt`s nicht wirklich. Jedenfalls bei den aggressiven Tumoren. …ich denke an die Kids, die derzeit freitags die Schule schwänzen, um gegen die Zerstörung der Umwelt zu demonstrieren. Es geht in der Tat um ihre Zukunft. Nicht um die Zukunft der alten Säcke an den Verhandlungstischen. Mein Gott, was für ein unsinniges Theater! Schaut mal genau hin: Die Verbrecher von heute sind die 68er von gestern! And so on. Von Generation zu Generation. Nachhaltig dabei sind lediglich Hinterfotzigkeit und Arschlochwesen. Eine bessere Menschheit kann man nicht einfach aus dem Hut zaubern. Nicht mal unter Drogen. Ich schwänzte sehr häufig die Schule. Wir wollten damals nicht das Weltklima retten. Wir wollten einfach etwas Freiheit. Irgendeine Macht drückte uns in Schablonen, für die wir gar nicht bereit waren. Sollten wir so werden wie unsere Eltern? Und was soll ich sagen? Die meisten von uns sind heute wie ihre Eltern, mehr oder weniger. Sie verloren den geistigen Kampf. Aus Rebellen wurden Spießer erster Güte, angepasst und weichgespült. Alles hat eben seine Zeit. Gemeinhin nennen sie ihre Wandlung „Ich lernte es, Verantwortung zu übernehmen“. Wow! In meinen Augen ist das nichts anderes als Selbstverarschung. Natürlich kann ich argumentativ nicht gegen das Verantwortungs-Argument dieser Arschis anstinken. Ich bin kinderlos, Single und Alkoholiker. Ich sitze in der Falle.

*

Ich blickte auf einen See. Ein Felsmassiv begrenzte das gegenüberliegende Ufer. Der See war mittelgroß. (Ich liebe solche Seen, wie ich sie auf meinen Reisen in den Österreichischen oder Schweizer Alpen des Öfteren sah. Eine wunderbare Kulisse – die Seen sind wie Augen, die aus einem alten furchigen Gesicht heraus in den Himmel blicken.)
Urplötzlich wurde ich Zeuge eines Steinschlags. Was für ein Naturschauspiel! …, als hätte ich es mir herbeigewünscht. Die Steinbrocken plumpsten schwer in den See – ich war davon wie hypnotisiert… Ich konzentrierte mich auf die mir gegenüberliegende Gebirgswand, als ob ich allein mittels meiner Gedankenkraft ein solches Ereignis bewirken könnte. Mein Blick drang dabei in die Felswand ein, und ich bemerkte, wie es darin wie bei einem Gewitter blitzte…; dann passierte es tatsächlich: Ein riesiger Felsbrocken löste sich aus großer Höhe und stürzte in den See! Schlagartig wurde mir klar, dass daraus ein Tsunami entstehen würde, der direkt auf mich zuraste… Ich war verloren.

*

„Na, wie sieht`s aus?“ fragte ich die Ameise in meinem Tagtraum.
„Meinst du mich?“ Die Ameise krabbelte über meinen schwarzen Schreibtisch. Ich bemerkte sie fast nicht.
„Klar, oder siehst du hier noch jemanden?“
„Wenn du wüsstest, wen oder was ich hier alles sehe…“
Ich bohrte in der Nase und schnippte einen Popel in Richtung Ameise.
„Hey, lass das gefälligst!“
„Schon gut. Lust auf eine Unterhaltung? – oder bist du gerade im Stress?“
Die Ameise drehte sich zu mir um und wirkte gar nicht mehr so klein. Sie schien einem Trickfilm zu entstammen.
„Sonntags habe ich nie Stress“, antwortete die Ameise und zwinkerte mir zu. Dann stellte sie sich aufrecht hin und zeigte mir ihre kleinen Titten.
„Wahnsinn!“
„Für 20 Euro blase ich dir einen, dass dir Hören und Sehen vergeht. Interesse?“
„N-nein…“, stotterte ich verblüfft, „d-das ist ein Missverständnis.“
„Ach so, du gehörst zu den Perversen, die nur quatschen wollen. Das wird dann aber teurer.“ Die Ameisen-Lady machte es sich bequem und lehnte ihren Kopf an das USB-Kabel. „Hast du was zum Durchziehen da, Dicker?“
„Ich bin Nichtraucher. Ich wollte mit Ihnen nur reden – aus einer Sonntagslaune heraus – von Mensch zu Ameise.“
„Warum plötzlich so förmlich? Gerade noch hast du mich mit einem Popel aus deiner Nase beworfen und mich angemacht.“
„Entschuldigung! Ich wusste nicht… mir war einfach langweilig, und ich dachte…“
„Oje, die Langweiler sind am anstrengendsten. Und dann noch Nichtraucher. Aber mir gefällt`s in deiner Bude. Hast schöne Bilder an den Wänden und einen ausgezeichneten Literaturgeschmack, wenn ich das aus Ameisensicht mal sagen darf.“
„Danke. Ich find`s auch gemütlich bei mir.“
„Dicker, nun lass dir nicht alles aus der Nase ziehen. Wo klemmt`s?“
„Moment, ich habe Maccheroni auf dem Herd. Nicht dass die überkochen…“
FUCK! dachte ich bei mir, wie werde ich diese aufdringliche Ameise wieder los? Die Maccheroni waren natürlich Fake. Ich riss das Küchenfenster auf und atmete tief durch. Es handelte sich lediglich um einen Tagtraum. Die Ameise existierte nur in meinem Kopf. Wenn ich zu meinem Schreibtischplatz zurückkehrte, würde sie fort sein.
„Und alles klar mit den Maccheroni?“
„Alles klar. Aber ich habe meinen Drink vergessen.“
„Besonders gastfreundlich bist du nicht gerade.“
„Wieso? Ach so! Darf ich der Lady vielleicht einen Blattlaus-Cocktail anbieten?“
„Die ironische Tour jetzt. Ein Blattlaus-Cocktail wäre nicht schlecht, aber es tut auch ein Bier.“
In mir wuchs der Groll. Ja, ich wollte etwas Unterhaltung, aber nicht mit einer frechen Ameisen-Nutte. Die Sache lief aus dem Ruder. Sie sollte sich besser vom Acker bzw. vom Schreibtisch machen, bevor ich andere Seiten aufzog. Hoffentlich war ihr das klar. Dumm schien sie nicht zu sein.
Ich mixte mir in der Küche meinen üblichen Sonntagmorgendrink: 60% trockener Weißwein + 40% Cola Zero + 1 Schuss Wodka. Das würde helfen. Zumindest mir. Bevor ich zurückkehrte nahm ich einen großen Schluck.
„Hey Dicker, und wo ist mein Bier?!“
„Okay Baby, es tut mir leid, dass ich dich belästigte. War ein dummer Einfall. Wie war das? Du bläst mir einen für 20 Euro? Vielleicht ist mir diese Version doch lieber.“
„Ich wusste es. Du wolltest von Anfang an, dass ich es dir besorge. Gib es zu. Aber den Sonntagspreis kriegst du jetzt nicht mehr. 40 Euro – und du hast dafür ein unvergessliches Erlebnis.“
„Das glaube ich sofort.“
Sollte ich mich auf dieses verrückte Experiment einlassen, mir von einer Ameise einen blasen zu lassen? Und dazu noch für diesen horrenden Preis? Wie waren überhaupt derzeit die Preise für solcherlei Dienstleistungen?
Die Ameisen-Lady hatte sich inzwischen von ihrem Platz am USB-Kabel erhoben und krabbelte zielbewusst auf mich zu. „Bleibe einfach so sitzen. Ich finde ihnschon. Und dabei schön locker bleiben, Dicker.“
Das waren ihre letzten Worte.
Ich schwöre, ich wollte es nicht.

*

Spätestens wenn ich vom Arzt komme, fühle ich mich wirklich krank. Heute Morgen Blutabnahme, Urinprobe, EKG… Ich hatte mir einen grippalen Infekt eingehandelt, mir ging es wirklich mies, aber ich wollte in der Hauptsache die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und nicht durch die Mangel gedreht werden. Da ich Bluthochdruckpatient bin, wurde freilich auch der Blutdruck kontrolliert. Und: 210 zu 100! Hoppla! Da erschrak ich dann auch ein wenig. Der Arzt verpasste mir gleich zwei Hübe Nitro. Schon klar, an was ich mal sterben werde. Wahrscheinlich fliegt mir irgendwann das Blech weg… Herztod oder Hirnschlag. Dann habe ich Ruhe. Vorher aber noch meinen Gran Canaria Urlaub genießen. Ich dachte noch nie weit in die Zukunft. Von Jahreszeit zu Jahreszeit, selten länger. Dass ich inzwischen auf die Sechzig zugehe…, hätte ich nie für möglich gehalten. Irgendwann ist es dann soweit, und man geht aus dem Leim. C`est la vie.
Ich hoffe nur, dass ich bis zu meinem Urlaub in eineinhalb Wochen halbwegs fit bin. Eine Reiserücktrittsversicherung habe ich nicht abgeschlossen. Okay, wenn ich umfalle und tot bin, spielt das auch keine Rolle. Nochmal das Meer sehen und arglos in die Sonne grinsen – wäre schon schön. Scheiße, ich bin zu sentimental. Vielleicht wäre ich heute besser arbeiten gegangen, dann würde ich mich jetzt nicht so krank fühlen.

*

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