Als Gebüsche noch Gebüsche waren

Freitag, 12. November 2010

Blind Date


Ich kam zum Blind Date, wie ... ein Pubertierender zum Bier. Erst schmeckte es mir nicht, aber es gab gewisse verführerische Umstände, die in mir Akzeptanz und Genuss langsam förderten.
Den ersten Computer kaufte ich im Jahr 2000, kurz nach dem prophezeiten Weltuntergang, der nicht eintraf. Ich wollte damals Psychologie studieren. In Heidelberg. Und durch die lange Wartezeit bekam ich den Studienplatz tatsächlich. Ich wäre ganz schön blöd gewesen, wenn ich die Chance nicht beim Schopfe gepackt hätte. Als Nachtwache in der Altenpflege konnte ich meinen Lebensunterhalt sichern.
Jedenfalls malte ich mir es derart aus.
Also, um es vorwegzunehmen - aus dem Studium wurde nichts. Aber ich hatte meinen ersten Computer. Mit Internetanschluss. Wenn schon, denn schon. Zuerst kamen die Chaträume dran, danach die Literaturforen. Schließlich hatte ich diesbezüglich einiges in Petto. Seit meinem fünfzehnten Lebensjahr schrieb ich Gedichte. Die verstaubten im Regal, und ich sah meine Chance, einiges davon und sowieso meine dichterische Begabung , endlich mal öffentlich zu machen.
Es war ganz leicht. Anfangs. Aber sehr schnell erfuhr ich, dass ich mich wohl selbst für besser gehalten hatte, als ich von anderen wahrgenommen wurde. Eine manchmal leidvolle Erfahrung, die wir in den unterschiedlichsten Bereichen unseres Wirkens in Beruf, Familie und Sonstwo miteinander teilen und durchstehen müssen. Uff - ich mag solche langen Sätze eigentlich nicht. Sie überfordern. Und meist beinhalten sie Lügen. Unsympathische Lügen.
Zum ersten Blind Date kam ich, weil es tatsächlich Menschen gab, die meine im Literaturforum eingestellten Gedichte ganz gut fanden, ebenso, wie ich mich dort durch Profil und Kommentare präsentierte. Diese Menschen waren Frauen. Mit Männern stritt ich mich lieber. Aber auch mit einigen Frauen stritt ich mich. Von wegen einschleimen, um ... Nichts da! Wie auch immer: es war nur eine Frage der Zeit, dass es passieren musste. Das Blinddate.
(Fortsetzung folgt.)


Dienstag, 2. November 2010

In diesen Sarg wurde ich geboren


In diesen Sarg wurde ich geboren. Ein paar Dutzend Sonnenumrundungen. Ein Grashalm in der Steppe.
Durchdrungen vom schwarzen Blut des Geistes. Aus der Finsternis des Alls. Perfide Sargzimmerei, welche sogleich die Geschöpfe mitschnitzt. Raum und Zeit fließen aus den Augenhöhlen. Der Leib presst sich ins Leben. Ich atme. Ich liebe. Zu benennen, ohne zu verstehen. Zu sehen, ohne zu erkennen.

In diesen Sarg wurde ich geboren. Unter Würmern. Sabbernd über die Oberfläche kriechend, nackt.
In der Einbildung Könige, im Wesen Würmer. All die Künstlichkeit, mit der wir uns umgeben, ist Zeugnis unserer Getriebenheit. Geistiger Kannibalismus, Wiederkäuen in Worten. Kunstvolle Manifestationen aus unseren Exkrementen. Allerorts. Wir fressen die Erde und nennen dies Fortschritt.

Wann ist es vorbei? Ich bin es leid: zu benennen, ohne zu verstehen; zu sehen, ohne zu erkennen.

In diesen Sarg wurde ich geboren ...

Dienstag, 26. Oktober 2010

Liebe ist die schönste Krankheit


Es wäre langsam mal an der Zeit, dass ich über mein Verhältnis zum anderen Geschlecht, also zu Frauen, nachdenke. Mein Leben liest sich diesbezüglich wie der Reiseplan eines Intercity. Die längste Zeit, die ich mit einer Frau verbrachte, waren fünf Jahre, die kürzeste wenige Wochen. Die Sexdates zähle ich nicht. Eigentlich ist mir schon an einer längeren und festen Bindung gelegen. Aber ich würde es nicht lange aushalten, wenn man in einer Bude aufeinander säße. Allein der Gedanke, Nacht für Nacht neben der Partnerin einzuschlafen, ist bestenfalls in der Zeit der Verliebtheit prickelnd - danach nur noch in Dosen von wenigen Tagen erfreulich. Drum wohnte ich trotz einiger mehrjähriger Beziehungen nur ein einziges Mal mit einer Frau zusammen. Und das war ausgerechnet Uschi. Genauso gut hätte ich mir Nitroglycerin in einem Erdbebengebiet aufs Regal stellen können. Es lief auch nur ein Jahr. Ich ging in Alkoholtherapie und Uschi beglückte in der Zwischenzeit Rainer in unserer gemeinsamen Wohnung. Schwamm drüber. Inzwischen verließ ich fast ebenso viele Frauen, wie ich von Frauen verlassen wurde. Auch was die Untreue angeht, dürfte das Verhältnis ausgeglichen sein.
Als Mittvierziger bin ich in dem Alter, dass ich meist auf Frauen stoße, die allein erziehend, geschieden oder noch nicht geschieden sind. Das sich daraus ergebende Verhältnis ist so gut wie eine Fernbeziehung, da die Frauen durch Kinder, Beruf und Ex-Mann ziemlich eingespannt sind. Eine Zeit lang ideal - doch kommt nach ein paar Monaten der Punkt, wo man in die Pedale tritt und sich nichts mehr bewegt - im Herz. Dann spätestens ist klar, dass sich was ändern sollte.
Wenn eine Liebe ins Koma fällt, hofft man anfangs noch, dass sie wieder erwacht ...; aber mit fortschreitender Dauer des komatösen Zustands wünscht man sich ihren Tod - traut sich aber nicht, die Geräte abzustellen.
Meistens übernimmt diese Aufgabe dann das Schicksal: ein neuer Stern der Liebe taucht am Horizont auf, oder ein anderes Unglück passiert. Neulich dachte ich, dass bei der Liebe wie beim Leben alles verhängnisvoll verdreht ist. Es wäre doch viel sinnvoller, wenn nicht am Anfang das Glück stände, sondern am Ende.
Für das Leben hieße dies: unglücklich geboren aber glücklich gestorben. Und für die Liebe: unglücklich verliebt aber glücklich geschieden.
Ich werde jedenfalls nie heiraten, schwur ich mir bereits im unschuldigen Alter von Sechs. Ich musste mich bisher nicht besonders anstrengen, um den Schwur zu halten. Dabei liebe ich gern. Jede Liebe war einzigartig und tief. Selbst mit Uschi, die mich an den Rand des Wahnsinns trieb.
Offensichtlich ist der Reiseplan meines Liebens länger als nur eine Strecke des Hörner Abstoßens.

Sonntag, 26. September 2010

Herbstfeste


Kaum ist nach dem Kalender Herbst, geht es mit den Herbstfesten los. Freilich ist schon lange kaum noch ein Unterschied zwischen den im Jahr angesiedelten städtischen Festivitäten feststellbar. Ich unterscheide hauptsächlich zwischen Rummel und Straßenfest. Das Oktoberfest ist z.B. der weltgrößte Rummel, und gestern war ich auf einem Straßenfest, dem Heidelberger Herbst, welcher jährlich am Samstag nach Herbstanfang stattfindet: Fußgängerzone und Altstadt sind voll von Flohmarktständen, Kunsthandwerk, Fressständen und Musikbühnen. Durch das kühle, regnerische Wetter war es diesmal richtig Nerven schonend, durch die Gassen und Strassen zu schlendern. Es gab nur wenig Geschiebe, und ich sah auch ohne Probleme etwas von den Musikern auf den Bühnen. Zwischendurch wärmte ich mich in einer Kneipe auf und entleerte meine Blase.
Die Kerwezeit ist vorbei, und nun kommen die Bierfeste, Herbstfeste, Stadtfeste und Straßenfeste. Was gibt`s nicht alles für Feste im Laufe des Jahrs! Im Sommer die Fischer- und Gockelfeste ..., sogar ein Wurstfest findet statt. Jede Region hat ihre Besonderheiten. Ich blicke da kaum noch durch. Also entschied ich gestern, irgendwann nach dem soundsovielsten Bier, dass ab sofort alles Herbstfeste seien. Das ganze Jahr über Herbstfeste ...
Seit ich keine echten Saufkumpane mehr habe, besuche ich nur noch sporadisch solche Festivitäten. Früher waren es noch Highlights wie Silvester, zu denen man sich verabredete, um es richtig krachen zu lassen. Aber ohne Saufkumpane ist es öde. Da waren damals Heinz, Jürgen, Atze, Armin, Guntram ..., und wie sie alle hießen. Mit Saufkumpanen ist es irgendwie wie mit den Herbstfesten, nehme ich meinen Gedankengang von gestern Abend wieder auf, eigentlich könnte ich sie alle Heinz nennen. Es sollte sie nicht stören - sowieso war Heinz lange Zeit ein Parade-Saufkumpel.
Alles hat eben seine Zeit. Mit den Jahren verlor man sich aus den Augen. Meist war die Heirat der Anfang vom Ende einer jahrelangen, erfolgreichen Saufkumpanei. Scheiß Weiber! - sagten wir dann.
Die Reihen lichteten sich, bis nur noch Armin und ich übrig blieben. Inzwischen verabschiedete sich auch Armin ..., aber das ist eine andere Geschichte.
Dann und wann traf ich - oft nach Jahren - zufällig wieder auf einen Heinz, der mit Anhang oder gar mit ganzer Familie über ein Herbstfest schlappte.

"Hallo!"
"Hallo, so ein Zufall!"
"Ja, ewig nicht mehr gesehen ..."
"Wie geht`s?"
"Ganz gut ..., bist ganz schön fett geworden."
"Danke - ebenso."
(Verlegenes Schweigen.)
"Äh, ich muss dann mal weiter."
"Ja. Vielleicht sieht man sich nächstes Jahr wieder."
"Ja. Tschüss!"
"Tschüss!"

Gestern, als ich auf dem Heidelberger Herbst war, traf ich keinen Heinz. Ich sah überhaupt kein bekanntes Gesicht. Trotzdem genoss ich es. Vielleicht, weil ich an alte Zeiten dachte, und wie alles seinen Lauf nimmt ...






geile Musik am Kornmarkt






und vorm Rathaus

Samstag, 18. September 2010

Die Sexmaschine (1)

oder:
Zum Phänomen Sex


"schnurkel butz."
"futzi schnulli schnulli knulli!"
"urks schnuller schnapp schnapp mjam!"
"itzi bitzi hihi ..."
"sappel furkel bull!!"
"bimbli."
"joi joi joi ..."


Und so geschah es. Mann und Frau vollzogen den Fortpflanzungsakt. Beinahe acht Milliarden Seelen zeugen davon: Der Mensch ist eine Sexmaschine!
Er kultivierte die Paarung z.B. mit dem Ausziehen. Ich habe sowieso den Verdacht, dass Kleidung nicht zum Anziehen dient - sondern im wirklichen Sinne zum Ausziehen. Dummerweise muss man sich erst dazu anziehen. Auch wurde die Sprache um viele Dimensionen komplexer als in dem oben aufgeführten, urzeitlichen Beispiel. Eine mögliche Übersetzung wäre:


"Ich habe Lust."
"Ja, ich auch, Liebling, lass es uns tun!"
"Ich bin so lüstern, Liebling, ich kann es kaum noch aushalten!"
"Ach, du mein Kleiner, hihi ..."
"An deinem Busen bin ich erst Mann!"
"Du bist süß."
"Ich dringe in dich ein ..."

Mittwoch, 18. August 2010

Aus "Two And A Half Man"

"... es soll noch Menschen geben, die ihre Depressionen nach der alten rezeptfreien Art behandeln."

Donnerstag, 11. Februar 2010

Der Platz, von wo ich tagträume

Wie macht man am Besten nix? Ich träumte von der Büroarbeit vor meinem jetzigen Berufsleben. Nicht zählbar die Stunden, die ich mich damals rumdrückte. Vor allem in der Lehrzeit musste ich mir die Arbeit gut einteilen. Es war die Kunst, möglichst lange an einem Plan zu sitzen - ich war Technischer Zeichner - , denn wenn man zu fix fertig war, bekam man irgendeine dumme Büroarbeit, wie tausende Seiten Leistungsverzeichnisse kopieren, aufgebrummt.
Nein, ein Streber war ich noch nie, weder in der Schule noch im Beruf. Ich mochte mich nie vordrängeln und hing den Lehrern und Chefs nicht am Arsch. Das ist noch heute so. Dabei kann ich eine Aufgabe konzentriert angehen, wenn man mich gut behandelt und unterstützt. Fühle ich mich allerdings für dumm verkauft, ausgenutzt oder auf dem Abstellgleis, sinkt meine Motivation drastisch, und ich versinke in Tagträumereien. Mir ist klar, dass für eine Karriere, selbst wenn es wie im Altenheim nur um kleine Pöstchen und Aufmerksamkeiten geht, mehr Einsatz verlangt wird - etwa in folgender Form: man lässt sich zu allen Gelegenheiten sehen, schleimt sich trefflich bei den Chefs ein, stellt keine unbequemen Fragen, verkauft seine Kollegen und Kolleginnen und macht unbezahlt Überstunden.
Bereits in der Schule kann man beobachten, wie sich die Kinder charakterlich unterscheiden, wenn es um das Herausschinden von Vorteilen, gute Noten und psychische Streicheleinheiten von den Lehrkräften geht. Besitzen dann Lehrer noch dazu wenig "pädagogischen Feinsinn" - im späteren Job sagt man dazu soziale Kompetenz - , sind ungerechte Bewertungen und Behandlungen vorprogrammiert. Schüler(innen), die sich nicht in den Vordergrund spielen, haben die schlechteren Karten. Wenn man sich dann wie ich demotivieren lässt, sinken automatisch peu à peu die Leistungen. So kam es dazu, dass meine Noten mit dem Lehrerwechsel oft ein oder zwei Notenwerte sanken, ... leider selten stiegen, da "gute Lehrer" in der Minderzahl waren.
Auch in der Altenpflege steht und fällt die Qualität der Arbeit mit der Motivation der Mitarbeiter(innen). Die Vorgesetzten sollten alle mit ins Boot nehmen und nicht einige wenige bevorzugen. Nun, was soll ich sagen: ich hatte bisher nur wenige "gute Chefs/Chefinnen". Allermeist werden bewusst oder unbewusst Mitarbeiter gegeneinander ausgespielt. Die Arschkriecher und Streber wittern ihre Chance und sitzen fortan in der ersten Reihe. Außenseiter, Zurückhaltende und Schwächere bleiben demotiviert zurück, bekommen keine Gelegenheit sich zu beweisen. Diese Masche zieht sich wie ein roter Faden durch alle sozialen Bereiche, vom Kindergarten bis zum Altenheim ...
Ich bilde mir ein, dass ich anders ticke; und trotzdem gehöre ich dazu, irgendwo angesiedelt zwischen den Losern und anderen Randerscheinungen. Es ist gerade so, als wäre mein Platz seit der Schulzeit fest geschrieben. Ich drücke mich durchs Leben, ohne mich wirklich einer gesellschaftlichen Gruppe zugehörig zu fühlen. Am ehesten hege ich für die Außenseiter, Geschassten und menschlichen Originale Sympathie.

Wie macht man am Besten nix? Gar nicht so einfach. Es gibt Bessere im Nix-Machen als mich. Auch hierin bin ich nicht vorne dabei.

Sonntag, 31. Januar 2010

Barfly

Ein TV-Tipp: “Barfly” mit Mickey Rourke und Faye Dunaway, ein Film von Barbet Schroeder nach einem Drehbuch von Charles Bukowski aus dem Jahre 1987. (Danke für den Hinweis, Freni.) http://www.arte.tv/de/3026508.html
Ich erinnere mich dunkel daran, als ich vor über 20 Jahren in dem Film war. Mit etlichen Bierdosen im Sack pflanzte ich mich in die Loge eines Vorstadtkinos. Es war früher Abend und Sommer, das Kino mäßig besucht. Ich sollte nicht alt werden an dem Abend. Das Kino verließ ich vorzeitig. Im Film fehlte mir einfach der fantastische Wortwitz Bukowskis. Obwohl sich Mickey Rourke echt ins Zeug legte, den jungen Bukowski zu mimen, war er für mich nicht authentisch mit dem “Chinasky”, den ich aus Bukowskis Büchern vor Augen hatte. Und Faye Dunaway war einfach zu schön, obwohl auch sie brillant spielte.
Möglich, dass ich, wenn ich den Streifen heute Abend (nüchtern) schaue, einen anderen Eindruck bekomme. Es ist zudem ein paar Jahre her, dass ich ein Buch von Bukowski in die Hand nahm.
Er war für mich der literarische Held der Achtziger. Etwas Vergleichbares kam leider nicht nach.

Alles hat seine Zeit.



Eine Aussicht vom Barhocker:


verschwommen



Eine Aussicht vom Stubenhocker:


Schnee von gestern

Dienstag, 8. Dezember 2009

Träume, Baby, träume

Na ja, man darf träumen. Und nun fragt euch, wie frei eure Träume sind. Sind es wirklich eure Träume - oder sind es die Träume, die euch eingepflanzt wurden?
Vielleicht gibt es keine wirklich eigenen Träume ...
Vielleicht wird ein Traumkonto bei der Geburt eingerichtet. Die Eltern und Großeltern zahlen darauf ein, deine Kindergärtnerin, deine Lehrer, deine Bekannten und Freunde ...
Die Gesellschaft wird deine Familie, und sie bestimmt fortan deine Träume.
Aber wo sind meine Träume, meine ganz eigenen?
Ich suche. Und bei dieser Suche komme ich manchmal in Konflikt mit den Doktrinen unserer Gesellschaft. Denn viele zahlten auf mein Traumkonto ein, und nun habe ich plötzlich Zweifel und will mir mein eigenes Ding überlegen.
Man sagt mir auch, dass ich völlig frei bin, dass ich aber, falls ich meine eigenen Wege gehe, nicht mehr selbstverständlich mit einer Unterstützung rechnen dürfe.
Nun, entschuldigt, das klingt in meinen Ohren wie Hohn - denn schließlich hatte ich doch von Anfang an keine Wahl.
Sie tauften mich, bevor ich überhaupt sprechen konnte. Ich musste Kindergarten und Schule über mich ergehen lassen, zusammen harte 17 Jahre lang. Ich wurde von dumpfbackigem Religionsunterricht geplagt und von sadistischen Lehrern vorgeführt. Ich hatte deswegen eine Menge Albträume.
Meine Eltern liebe ich. Ich liebe sie. Ich liebe sie sehr. Auch sie hatten keine Wahl. Sie träumten lange nicht ihre eigenen Träume - ich mache ihnen keine Vorwürfe. Ihre Kindheit erlebten sie im Krieg.

Mein Gott! Seit zwanzig Jahren arbeite ich als Altenpfleger. Ich sehe Menschen leiden und sterben, manchmal qualvoll sterben ...
Wohin soll das führen?
Die Träume verbrennen wie trockenes Papier. Es gibt keine Chance zu entkommen.
Frage:
Warum haben wir es mit so viel Intriganten und Ignoranten zu tun, die nicht nur ein freies Träumen verbieten, sondern noch weiter gehen und die Mitmenschen mit anderen Träumen demütigen, quälen und umbringen?
Warum darf ich selbst heute nicht alles aussprechen, was ich denke?
Ansonsten verlöre ich meinen Arbeitsplatz.
Und ich brauche doch meine Arbeit.
Warum muss ich immer Stärke zeigen? Warum ist Schwäche so schlecht angesehen?

Nein, ich wollte diesen Beruf nicht unbedingt. Er war nicht mein Traumberuf. Ich hatte keinen Traumberuf. Es war meine Neugier auf das, was sonst in unserer Gesellschaft ausgegrenzt ist. Es ist ein großer Unterschied zu wissen, dass man irgendwann sterben muss, oder ob man das Sterben wirklich miterlebt - und die ganzen Phasen davor.

Unsere Gesellschaft hat zu wenig Geld, damit wir Altenpfleger unseren Ansprüchen gerecht werden können. Doch hat die Gesellschaft genug Geld, um Soldaten nach Afghanistan zu schicken und (unfreiwillig) zu Kindsmördern werden zu lassen!

... Und nun fragt euch, wie frei eure Träume sind, und ob ihr euch überhaupt schon mal danach gefragt habt.

Sonntag, 1. November 2009

Brasko

Brasko hat mal wieder nichts zu tun, als über sein nutzloses Leben nachzudenken. Er wollte niemals Karriere machen, und heute ist er auch nur ein drittklassiger Detektiv, der abführmittelsüchtig ist. Zum Dichter reichte es auch nicht. Erstens traute er sich nicht, zweitens blieben seine Gedichte dilettantisch und zusätzlich depressiv. Er war von Illusionen besessen. Immerhin sah er besser als Humphrey Bogart aus. Und überhaupt fühlte er sich sau intelligent.
Man konnte nie wissen. Wer hätte denn gedacht, dass er, als er mit Fünfzehn seinen Schulranzen pimperte, irgendwann in echtes, mehr als lebendiges Fleisch eindringen würde. War das nicht auch eine Karriere? Und ganz ohne Steuerkarte und Sozialversicherungsausweis.
Brasko schrieb als Sechzehnjähriger seine ersten Gedichte. Mitte Zwanzig war er Alkoholiker. Und zehn Jahre später wurde er durch Zufall Detektiv. Mit dem Honorar für seinen ersten Fall konnte er seine aufgelaufenen Schulden bezahlen. Es gibt genug Verrückte, die anderen Verrückten Geld dafür bezahlen, dass sie gesagt bekommen, was sie eigentlich sowieso wissen. Und Brasko hatte so was an sich - wie eine Krankheit. Aber wie ein sympathische Krankheit. Die Leute, wenn sie es wollten, konnten sich in ihm widerspiegeln, als wäre er der Schwanz zu ihrer Möse. Jedenfalls war es unverbindlich, man fickte die Wahrheit für ein paar Momente, und damit genug. Braskos Auftraggeber wollten keine Lösung zu einem Fall - sie instrumentalisierten Brasko, damit der den Kübel ihrer Lebensscheiße über sie ausleerte, dieses dann aber als Fake abtun zu können ...
Reiche und Spinner denken sich solche Sachen aus. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, bis die Morbidität eine ungeheure Anziehungskraft auf sie ausübt. Nicht wegen der Gegensätzlichkeit, absolut nicht! Diese Betrachtungsweise ist viel zu oberflächlich. Satte Menschen kommen an einen Punkt, wo sie nicht mehr wissen, wer sie eigentlich sind, und wofür ...; sie benutzen dann Verrückte oder Künstler dafür, diese innere Hohlheit wenigstens fiktiv wieder aufzufüllen. Das klappt natürlich so wenig, wie ein Alkoholsüchtiger mit Alkohol glücklich werden kann.
Brasko ist aus ganz anderen Gründen süchtig, wenn man dies so sagen kann. Genau ist er sich nicht darüber im Klaren. Jedenfalls hat er die Selbstverarsche der meisten Menschen durchschaut. Nun schlägt er für sich Kapital daraus. Moralisch ist das nicht verwerflicher als alles, was sowieso im Rahmen des Kapitalismus an Ausbeutung und Betrug läuft. Man gibt den Menschen, was sie wollen.
Brasko gehört zu den Spinnern, und er weiß, dass er dieses Image behalten wird, solange er die Wahrheit schreibt. Außerdem lügt er schlecht, sehr schlecht.
Die vierundzwanzig Stunden eines Tages werden zu einem Tautropfen an einem Zweig. Die Sonne geht auf und unter, viele Male, und die Tage summieren sich zu Jahren; und die Jahre fließen in den Stamm zurück. Brasko macht sich nichts vor. Sein Herz ist wie eine moosige Weide - manchmal schmuseweich, und dann abgewetzt und hart.

Ach ja, nicht, dass Ihr denkt, Brasko wäre mein Alterego, er ist eine Farce auf das Leben, nicht mehr.

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