Blind Date
Ich kam zum Blind Date, wie ... ein Pubertierender zum Bier. Erst schmeckte es mir nicht, aber es gab gewisse verführerische Umstände, die in mir Akzeptanz und Genuss langsam förderten.
Den ersten Computer kaufte ich im Jahr 2000, kurz nach dem prophezeiten Weltuntergang, der nicht eintraf. Ich wollte damals Psychologie studieren. In Heidelberg. Und durch die lange Wartezeit bekam ich den Studienplatz tatsächlich. Ich wäre ganz schön blöd gewesen, wenn ich die Chance nicht beim Schopfe gepackt hätte. Als Nachtwache in der Altenpflege konnte ich meinen Lebensunterhalt sichern.
Jedenfalls malte ich mir es derart aus.
Also, um es vorwegzunehmen - aus dem Studium wurde nichts. Aber ich hatte meinen ersten Computer. Mit Internetanschluss. Wenn schon, denn schon. Zuerst kamen die Chaträume dran, danach die Literaturforen. Schließlich hatte ich diesbezüglich einiges in Petto. Seit meinem fünfzehnten Lebensjahr schrieb ich Gedichte. Die verstaubten im Regal, und ich sah meine Chance, einiges davon und sowieso meine dichterische Begabung , endlich mal öffentlich zu machen.
Es war ganz leicht. Anfangs. Aber sehr schnell erfuhr ich, dass ich mich wohl selbst für besser gehalten hatte, als ich von anderen wahrgenommen wurde. Eine manchmal leidvolle Erfahrung, die wir in den unterschiedlichsten Bereichen unseres Wirkens in Beruf, Familie und Sonstwo miteinander teilen und durchstehen müssen. Uff - ich mag solche langen Sätze eigentlich nicht. Sie überfordern. Und meist beinhalten sie Lügen. Unsympathische Lügen.
Zum ersten Blind Date kam ich, weil es tatsächlich Menschen gab, die meine im Literaturforum eingestellten Gedichte ganz gut fanden, ebenso, wie ich mich dort durch Profil und Kommentare präsentierte. Diese Menschen waren Frauen. Mit Männern stritt ich mich lieber. Aber auch mit einigen Frauen stritt ich mich. Von wegen einschleimen, um ... Nichts da! Wie auch immer: es war nur eine Frage der Zeit, dass es passieren musste. Das Blinddate.
(Fortsetzung folgt.)