Lange-Weile - 09. Nov. 10, 12:44

Seelenfrieden

Hallo Bo.,
mein erster Sohn hatte Hand an sich gelegt, weil er depressiv war und das sicher auch heut noch ist. Es bekam in letzte Sekunde doch Angst,, weil er keine Luft mehr bekam. Er hatte sich die Pulsader aufgeschnitten und nicht damit gerechnet, dass er die Atemnot unertröglich finden würde, um den Weg zu Ende zu gehen.

Ich selbst kann diesen selbstmörderischen Gedanken kaum folgen. Wahrscheinlich, weil mein Geist gesund ist.

Doch das was nicht immer so. Auch ich kenne eine Zeit - zum Glück nur eine kurze - da stand ich unter einen starken "Selbstmordsog". Er zeigte sich besonders intensiv, wenn ich auf einem Bahnsteig stand. Die heranfahrende Lok zog mich wie ein Magnet an und wollte mich unter sich zermalmen. Aus Angst vor dieser unsichtbaren Kraft stellte ich mich immer mit dem Rücken zu einfahrenden Bahn. Ich hatte zu dem Zeitpunkt zwei Kinder und durfte sie nicht allein lassen.

Der Sog verschwand mit der Zeit unbemerkt und heut stört mich eine einfahrende Bahn nicht.

Später erkannte ich, worin die Ursache meiner tiefen Depression von damals bestand. Ich lebte an meinem Leben vorbei. Die Anforderungen an mich stiegen, doch sie überlagerten auf keinen Fall meinem eigenen Lebensanspruch. Das war nur noch davon geprägt, zur Arbeit zu gehen, damt ich meine Familie versorgen konnte. Ich war sozusagen aus meine2 "Mitte" geworfen, die Lebensumstände waren reine Fremdbestimmung. Das Zwangspositiv-Denken der sozialistischen Zeit hat sicher auch dazu beigetragen.

Heut stehen die Menschen unter einen anderen Druck. Diese Gesellschaft teilt sich in "Winner und Loser" und Konsum sollte der Lebensinhalt eines Jeden sein - "Erlebniskaufhaus". Aber das ist es nicht, was einen Menschen ausmacht. Konsum macht ihn nachweislich nicht glücklich.

Menschen die Robert Enke - hätten sie die teuflische Laufbahn verlassen - vielleicht wäre ihr Leben nicht so ausgegangen.

Ein Psycholge erkannte - statistisch - dass die Selbstmordraten der Menschen in Kriegszeiten am niedrigsten waren, Demzufolge bringt der Wohlstand nicht den erhofften Seelenfrieden, wie die Menschen in Kriegszeiten und wirtschaftlich schlechten Zeiten glaubten.

Doch was bringt ihnen den Seelenfrieden?

Gruß LaWe

bonanzaMARGOT - 09. Nov. 10, 13:38

auch ich war eine zeit lang selbstmordgefährdet. da kam einfach alles zusammen: von der langjährigen freundin verlassen, die alkoholsucht, ohne arbeit und ohne geld ...
mehr oder weniger berappelte ich mich damals selbst. man kann mehr aushalten, als man denkt. und dann hatte ich das glück, wieder in lohn und brot zu kommen. wenn der boden sicherer wird, versinkt man nicht mehr so leicht ...
aber man kann von sich nicht auf andere schließen. es gibt zu viele faktoren, die eine depression bedingen. ebenso vielfältig und unterschiedlich kann das sein, was den menschen aus ihrer lage hilft. bei einer echten hirnstörung (endogene depression) müssen medikamente eingenommen werden. der hirnstoffwechsel ist eine komplizierte sache. aber ein patentrezept gibt es eben nicht. jeder mensch steht letzlich in der eigenverantwortung. dies bedeutet auch, sich hilfe zu suchen und hilfe zu akzeptieren, wenn es nötig wird.

alles ist immer in bewegung. wir müssen "schwimmen" lernen. und das bedeutet, dass wir auch bei einem sturm und einem größeren wellengang nicht leicht untergehen.

die psychische labilität der heutigen auf konsum und wohlstand getrimmten gesellschaft beruht u.a. auf dem zu großen behütet-sein. in den entscheidenden lebensphasen wachsen die meisten kinder überbehütet und im überfluß auf. sie lernen weder verzicht noch den umgang mit tod und anderem großen unglück - von einzelnen schicksalsschlägen abgesehen.
ein genügsamer mensch ist im normalfall wesentlich gefestigter, was not, krankheit und unglück angeht.
hinzu kommt der geltungsdruck in unserer materialistisch eingestellten gesellschaft. und seit einigen jahren auch zunehmend die angst vor dem abgeschobenwerden an den rand - durch dauerarbeitslosigkeit, hartz IV, niedriglöhne ... altersarmut.
natürlich jammern wir dabei auf hohem niveau im vergleich mit wirklich armen ländern - doch die demütigung, welche die menschen durch gesellschaftliche ausgrenzung und abqualifikation erfahren, ist real.
dies macht sie entweder wütend oder depressiv ...

(ein robert enke hatte sicher persönlich ganz andere gründe für seine depression. nicht wenige menschen sind diesbezüglich erblich/hirnorganisch vorbelastet.)

(und z.b. in kriegszeiten hat der überlebenstrieb einen vordergründigen stellenwert.)

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