penes-eum - 21. Okt. 09, 18:52

Ich war 19 als der erste Mensch in meinem Beisein starb.

4 Wochen vorher kam er als OP Patient in die Praxis, Dekubitus - er hatte sich an seinem 55 Geburtstag ins Bett gelegt und gesagt er steht nie wieder auf, das war 14 Jahre zuvor. Man hat ihn gepflegt, irgendwann ins Altersheim gebracht, er war steif wie ein Brett, im Geist noch hellwach. Er lag auf dem OP Tisch, war wach, unerfahren wie ich war, fragte ich "wie geht es Ihnen" seine Antwort und die Stimme höre ich noch immer "Kind, wenn es mir gut gehen würde, läge ich nicht hier". Ich war baff, stotterte ein Entschuldigung. Die OP verlieft ohne Komplikationen.

4 Wochen später wurde er wieder gebracht, diesmal die andere Seite, denn auf die frisch operierte Seite hatte man ihn 4 Wochen nicht betten können, sein Zustand war stabil. Dennoch überlebte er diese OP nicht.

Danach kamen noch vier Menschen die ich bisher begleitet habe, alles Menschen die mir nahe standen, bei allen bin ich dankbar, das sie nicht so leiden mussten wie die von Dir beschriebene Patientin, sie durften zuhause oder im Hospiz gehen, im Beisein von den Menschen die Ihnen wichtig waren, mit Anstand und ohne den Eingriff in die Natur.

Gerade im Moment erlebe ich diese Hilflosigkeit bei einer Freundin, deren Mutter nur noch wenig Zeit hat. Ich wünschte die Möglichkeit in Deutschland wäre vorhanden human zu sterben ohne dafür mit dem Gesetzgeber in Konflikt zu geraten.

Ich hoffe für mich, das ich irgendwann diese Möglichkeit habe, denn irgendwo dahinvegitieren zu müssen bis man vielleicht das Glück hat, dass die Pumpe nicht mehr will, oder ein anderer Patient erst behandelt wird und niemand bei einem ist der noch eben absaugen kann, das ist nicht menschlich, es ist verachtend und nein das geht nicht gegen die Menschen, die tagtäglich pflegen und ihr bestes geben.

Ja es macht wütend und hilflos zu sehen und nicht einschreiten zu können.

bonanzaMARGOT - 22. Okt. 09, 14:22

penes eum, danke für deinen erfahrungsbericht.
menschlichkeit heißt auch, dass man seine hilflosigkeit zugibt - selbst wenn man sozusagen professionell damit zu tun hat.
wir haben keine antworten auf das leid. aber vielleicht können wir uns besser gegenseitig stützen, um das leid zu tragen, um die fragen auszuhalten ...; dazu müssen wir weich sein dürfen. viele viele menschen sind aber bereits sehr verkrustet und unnahbar in ihrer härte und coolness.
penes-eum - 22. Okt. 09, 17:23

ja das stimmt, es gibt viele menschen die verhärtet sind und manchmal kann ich sie sehr gut verstehen. ich sehe mich selber in einem mittelding, ich kann und will mir nicht das leid der menschheit geben, dann könnte ich morgen nicht mehr aufstehen, denn wenn man überall hinschaut und mitleidet, vergisst man alles andere und kann nichts anderes mehr wahrnehmen.

leid zu mildern und sei es "nur" durch zuhören und ein stück weit mitgehen, in meiner umgebung, bei menschen denen ich hilfe sein kann, muss reichen - es hat seinen grund warum ich heute nicht mehr in dem bereich arbeite den ich gelernt habe, ich wäre vor die hunde gegangen.

oft bin ich selber noch zu weich, leide mit wo ich mich abgrenzen sollte, aber ich will es auch nicht, ich habe in meinem leben, welches im gegensatz zu vielen anderen ja doch noch mittelkurz ist, sehr viel erlebt, kenne viele die ähnliches gelebt haben und heute steinhart sind, aber unglücklich und mit sich selbst nicht im reinen.

ich bin heute und will es auch morgen noch sein, ich, die mit sich im reinen ist und immer wieder leidet weil sie zu weich ist, so wie die aussenwelt es sieht, aber ich bin froh ob dieser empfindungen, denn gleichgültigkeit und ignoranz gehören für mich zu den schlimmsten verbrechen im täglichen leben (straftaten stehen selbstverständlich nochmal auf einem ganz anderen blatt)
bonanzaMARGOT - 23. Okt. 09, 10:50

klar, kann man nicht ständig auf das leid und die ungerechtigkeit überall auf der welt schauen - gerade heute, wo wir mit nachrichten ständig multimedial bomabardiert werden. man muss prioritäten setzen, wo man seine aufmerksamkeit hin lenkt.
mich berühren selbstverständlich die manquos in der altenpflege durch meinen beruf und die fühlbar wachsende soziale kälte und ungerechtigkeit - wenn ich daran denke, wie schnell man in die armut abrutschen kann, wenn man seinen job verliert.

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